nicht so stark wie Band 1
All In - Zwei Versprechen„Wenn man an etwas festhält, was hinter einem liegt, kann man nicht weitergehen. Sie müssen Ihr Herz von der Vergangenheit lösen. Schließen Sie die Tür. Schlagen sie ein neues Kapitel auf. Erst dann sind ...
„Wenn man an etwas festhält, was hinter einem liegt, kann man nicht weitergehen. Sie müssen Ihr Herz von der Vergangenheit lösen. Schließen Sie die Tür. Schlagen sie ein neues Kapitel auf. Erst dann sind Sie frei von dem Schmerz, der Sie verfolgt.“ (Eine Wahrsagern zu Kacey in All In 2)
Worum geht’s?
Nach dem lebensverändernden Verlust am Ende von Band 1 steht das Leben von Kacey und Theo Kopf. Getrieben von ihrer Trauer verlässt Kacey überstürzt Las Vegas und zieht nach New Orleans. Theo, seine Familie und die Freunde hat sie zurückgelassen und niemanden verraten, wo sie ist. Monatelang macht Theo sich Sorgen. Doch eines Tages klingelt sein Telefon. Kacey braucht Hilfe. Sie ist am Ertrinken und vielleicht ist Theo der einzige Mensch, der sie retten könnte. Sofort macht Theo sich auf dem Weg zu ihr, dem Mädchen, dem zwar sein Herz gehört, deren Herz aber seinem Bruder gehört…
All In – Zwei Versprechen ist Band 2 der „All In“-Dilogie. Das Buch setzt die Geschichte aus Band 1 fort und es werden Vorkenntnisse benötigt.
Schreibstil / Gestaltung
Das Cover von Band 2 zeigt dasselbe Bild wie Band 1, jedoch in einer anderen Farbgebung. Die Zugehörigkeit zu Band 1 ist somit offenkundig. Das Cover wirkt durch die Farbgebung etwas trauriger und nicht so lebendig wie Band 1.
Wie auch bereits Band 1 kann Emma Scott auch hier mit ihrem Schreibstil überzeugen. Das Buch lässt sich gut in einem Rutsch lesen, ist stets verständlich und angenehm zu lesen. Emma Scott kann sehr ergreifend und emotional schreiben und den Leser berühren. Das Buch ist erneut in drei Teile unterteilt, die einen unterschiedlichen Umfang haben. Die Geschichte wird dieses Mal aus Sicht von Kacey und Theo abwechselnd in der Ich-Perspektive erzählt. Die Kapitel sind entsprechend übertitelt, sodass man weiß, wer gerade erzählt.
Mein Fazit
An Band 2 von All In bin ich mit einer gehörigen Portion Skepsis herangegangen. Band 1 war eines meiner 2018-Highlights und hat mich auf einer emotionalen Achterbahnfahrt mit einem Haufen Tränen zu einem Häufchen Elend degradiert und entsprechend zurückgelassen. Einerseits war ich daher froh, dass diese wirklich schön erzählte Geschichte weitergeht, allerdings war zugleich eine gewisse Angst da, dass Band 2 nicht an Band 1 herankommt und schlimmstenfalls die Emotionen von Band 1 negativ beeinflusst.
Der Einstieg in das Buch gelang mir sehr gut. Der erste Teil befasst sich hauptsächlich mit den Folgen von Band 1 und der Trauer. Bereits nach einigen Seiten war ich einigermaßen emotional ergriffen, wenn man sieht, welche Lücken Jonah zurückgelassen hat und inwieweit die Beteiligten jetzt leiden und wie unterschiedlich sie mit ihrer Trauer umgehen. Der primäre Aufhänger im ersten Teil ist Kaceys Absturz. Ich habe mich sehr an Band 1 erinnert und zurückversetzt gefühlt, dass Kacey wieder am Boden ist und dieses Mal Theo derjenige ist, der sie retten will. Der Weg, den Kacey gegangen ist, war ein Stück weit vorhersehbar und dennoch traurig zu sehen. Theo leistet hier gute Arbeit, sie wieder auf den richtigen Weg zurückbringen zu wollen. Allerdings muss ich sagen, dass ich hier von der Umsetzung seiner „Rettung“ nicht überzeugt bin und es für mich viel zu idealistisch und leicht war. Entsprechend war meine Begeisterung um das Buch relativ fix gedämpft.
Auch im weiteren Verlauf bin ich über viele Strecken nicht begeistert gewesen. Insgesamt steht Kacey fast das komplette Buch im Vordergrund, selbst in Theos Kapiteln geht es hauptsächlich um Kacey, Kaceys Trauer und Kaceys Leben. Ansonsten geschehen einige kleine und größere Sachen, die teils vorhersehbar, teils nicht vorhersehbar waren. Insgesamt liegt das Augenmerk meiner Meinung nach hauptsächlich auf Kaceys Entwicklung, die aber einfach wie ein Abklatsch von Band 1 in vielen Teilen wirkt. An vielen Stellen wird man immer wieder mit der Vergangenheit und Jonah konfrontiert, was mir einerseits gefallen hat, andererseits aber den Erzählstrang um Theos Gefühle immer schwerer begreifbar gemacht hat und mich zudem an der Ernsthaftigkeit der Entwicklung von Kacey hat zweifeln lassen. Es war in vielen Punkten für mich nicht nachvollziehbar und viel zu spontan, plötzlich und sprunghaft. Das gleiche gilt auch für zahlreiche Ortswechsel, die in diesem Buch vorgenommen werden, die immer sehr impulsiv sind.
Neben der Trauer um Jonah steht natürlich die Realisierung der zwei Versprechen, die Jonah von Kacey und Theo am Ende von Band 1 abgenommen hat, im Fokus. Inwiefern die Versprechen realisiert werden, dürfte für viele nicht überraschend oder unvorhersehbar, für einige – mich inbegriffen – aber sicher auch nicht nachvollziehbar sein. Wieso ich so empfinde? In Band 1 hat Emma Scott eine sehr gute Leistung mit der Entwicklung der Jonah-Kacey-Beziehung erbracht, dass diese Beziehung für den Leser etwas Ultimatives war. Dieses Buch fordert dem Leser nun ab, mit Empathie, einer Portion Verständnis und jeder Menge Rücksicht zu akzeptieren, dass es wohl doch nicht so war. Mich hat daher auch an einigen Stellen gestört, wie Kacey über Jonah sprach, da dies fast schon verletzend in Bezug auf Band 1 war und auch nicht wirklich gepasst hat. Kacey wirkt daher für mich an zahlreichen Stellen auch etwas unsympathisch und rücksichtslos.
Insbesondere ab etwa der Hälfte des Buches war mein solides Gefühl dann verschwunden. Die Geschichte nimmt zahlreiche vorhersehbare Wendungen, es gibt zudem noch ein wenig konstruiertes Drama und oftmals verzweifelte Versuche, die Entwicklungen schmackhaft und verständlich zu machen – sämtliche Versuche schlugen bei mir fehl. Es fehlen mir zu viele Puzzleteile, die mir Kaceys Meinung und Verhalten erklären würden, ihren Sinneswandel. Hinzu kommt eine für mich vollkommen deplatzierte Nutzung teils expliziter und seitenlanger Erotik an mehreren Stellen, die so gar nicht zum Thema und zum Buch passten, vor allem in dieser Deutlichkeit. Gegen Ende hin wirkte das Buch dann nur noch wie das Abarbeiten einer klischeehaften Checkliste. Ich verstehe, dass die Botschaft des Buches „The life goes on“ sein soll, aber hier? Das war mir zu viel, zu schnell, zu unbegreifbar, zu sprunghaft.
Was für mich in diesem Buch doch zu sehr untergeht, ist tatsächlich Theo. Obwohl er Hauptcharakter ist, wirkt er nicht so, sondern dient eher als „Supporting Character“ für Kacey. Während Kacey wie bereits gesagt omnipräsent ist, hat er kaum Raum für Entwicklung. Seine Trauer spielt eine komplett untergeordnete Rolle, selbst sein Lebensweg nimmt verhältnismäßig wenig Platz ein. Hinzu kommt, dass er von allen Seiten für seine Gefühle entsprechende Reaktionen akzeptieren muss, während komischerweise im Blick auf Kacey niemand ihr Verhalten kritisiert. Nur Theo ist der Doofe. Betrachtet man Jonahs Anteil am Buch in Band 1 und zieht den Vergleich zu Band 2, so dürfte man definitiv enttäuscht sein.
Gegen Ende geht dem Buch dann auch fix die Luft aus. Um die zahlreichen Erzählungsbrüche mit sprunghaften Entscheidungen zu kompensieren, wird am Ende sehr viel Drama in sehr kurzer Zeit eingeführt. Besonders ein Punkt störte mich dabei intensiv: Zur Verfestigung der Bedeutung der Beziehung wird eine Story eingeführt, die sehr willkürlich und naiv wirkt, dann aber entsprechend tragisch beendet wird. Leider ist der Teil dann aber so schnell abgearbeitet, dass man nicht einmal Mitleid mit den Charakteren entwickeln kann. Ironischerweise ist mein größtes Highlight an dem Buch der Epilog I (es gibt tatsächlich 2), in dem ein einziges Mal Theo die Bühne gehört und wo sich bei der Situation so viel Mühe gegeben wurde, dass ich emotional echt ergriffen war. Der Rest des Buches hat mich leider über weite Teile wenig bis gar nicht ergriffen, was vielleicht auch an zu wenig Gedankeneinsichten und zu viel Gewolltheit lag.
All In 2 steht leider seinem Vorgängerband in vielen Punkten deutlich nach. Ich habe selten den Fall, dass ich sage „Mensch, ich hätte Band 2 gerne nicht gelesen“ – hier aber empfinde ich so. Das krampfhafte Durchbringen von Glückselementen hat mich einfach zu sehr gestört und lässt gleichzeitig meine Bewunderung für den Mut der Autorin, Band 1 in dieser Weise zu beenden, schwinden. Es wirkt nämlich so, als sei ihr auf Biegen und Brechen ein anderes Ende für Kacey wichtig. Der Weg hierzu ist für mich aber leider in vielerlei Hinsicht nicht greifbar. Insgesamt lässt Band 2 mich mit viel Frust und wenig Freude zurück.
+++ es folgen im Weiteren mögliche Spoiler +++
Verständnistechnisch mangelt es mir bei Band 2 vor allem im Hinblick auf Kacey und ihre Gefühle an der Nachvollziehbarkeit. Über weite Phasen des Buches hängt sie an Jonah, denkt an ihre Zeit zurück und dann in einer sehr schnelle Weise entledigt sie sich ihrer emotionalen Fesseln und verliebt sich in Theo. Das Warum bleibt offen, das Wie auch, aber eine gewisse Ratlosigkeit mit der leisen Frage „Ist Theo die zweite Wahl, ist er ein Notnagel, ist es nur so, dass sie aufgrund der gemeinsamen Trauer zueinander finden?“ bleibt. Statt ausufernder Sexszenen hätte man hier etwas mehr Energie hereinstecken sollen. Es ist ein sehr sensibles und wahrscheinlich auch polarisierendes Thema, was man auch im Verhalten des Umfeldes erkennt. Auch hier galt: Anfangs wurde direkt gegen Theo geschossen, aber auf einmal waren alle dann doch begeistert und wollten die Beziehung. Es fehlte einfach an einem tieferen Auseinandersetzen mit der Frage: Ist es richtig, ist es falsch, ist es zu früh, ist es aufgrund der emotionalen Abhängigkeit?
Fast schon geschmacklos fand ich allerdings die Storyline um Kaceys Schwangerschaft. Während vorab so oft betont wurde, dass beide immer Kondome nehmen, wird sie also schwanger. Das Baby wird von Kaceys später als eine Art Liebesbeweis bezeichnet. Bitter stieß es mir auf, insbesondere, da sie am Anfang des Buches davon sprach, dass sie sich fragt, ob sie von Jonah ein Kind hätte kriegen sollen, damit ein Teil von ihm weiterlebt. Um natürlich noch ein wenig Dramatik in die Geschichte zu bringen, verliert Kacey das Baby relativ schnell wieder. Das führt dazu, dass sie ihrer Mutter wieder nahekommt. Damit ist dann das Thema aber auch wieder vorbei. Es wird einfach nicht mehr behandelt und im Epilog II gibt’s dann ein Baby und ein Kleinkind für die beiden. Ich hätte mir, gerade bei so einer Sache, einfach gewünscht, dass man sich auch mit den (emotionalen) Folgen auseinandersetzt und die eh schon komplizierte Beziehung entsprechend beleuchtet.
Etwas zu idealistisch war zudem die Thematik um Kaceys Alkoholsucht. Monatelang war sie starke Pegeltrinkerin, hatte bereits Vorerfahrungen mit dem Thema Alkoholproblem und dennoch schaffen beide es einfach so, binnen drei Tagen einen kalten Entzug zu schaffen, Rückfall ist zu keiner Zeit ein Thema und Kacey trägt auch keine Folgen ihres monatelangen Konsums davon. Nach den drei Tagen ist alles super. Diese einfach nur hoffnungslos idealistische Herangehensweise passt leider in jeder Hinsicht zu einem krampfhaft konstruierten Buch wie diesem.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise von Netgalley und dem Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]