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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.12.2018

Lass dich nicht unterkriegen

Die Frauen vom Savignyplatz
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Joan Weng entführt uns nach Berlin, in die 1920er Jahre, die für die meisten gar nicht so golden sind, wie man uns häufig weismachen will.

Dem Klappentext nach hätte ich einen flotten Einstieg in das ...

Joan Weng entführt uns nach Berlin, in die 1920er Jahre, die für die meisten gar nicht so golden sind, wie man uns häufig weismachen will.

Dem Klappentext nach hätte ich einen flotten Einstieg in das Leben als Buchhändlerin erwartet. Doch zuerst muss Vicky, die Metzgerstochter, noch ein paar Hürden in Form eines notorisch fremd gehenden Ehemanns und vier (bald fünf) Kindern überwinden.
Endlich, 1925 gelingt es Vicky ihren Traum vom eigenen Buchladen und einer Leihbibliothek zu verwirklichen. Immer an ihrer Seite ist Freundin Lisbeth und ihr, als Kriegsinvalide zurückgekehrter Bruder Bambi. Bei Bambi ist manchmal nicht klar, ob er, der als psychisch krank gilt, nicht doch eher den Durchblick hat, als die anderen.
Vicky muss sich gegen alle möglichen Vorurteile kämpfen. Sei es, dass Ehemänner ihre Frauen zwingen, ihren Leihausweis zurückzugeben oder sei es, dass sie Besuch von der Sittenpolizei erhält, weil man sie verdächtigt, pornografische Bücher zu verbreiten. Auch der aufkommende Nationalsozialismus, der Frauen eine andere Rolle als die einer Geschäftsfrau aufoktroyiert, wird thematisiert.

Meine Meinung:

Wie wir es von Joan Weng gewohnt sind, lässt sie uns tief in das Berlin dieser Zeit eintauchen. Sie nennt die Konventionen, die ihre Protagonisten unterworfen sind deutlich beim Namen. Unverheiratet schwanger? Geht gar nicht – es muss sofort geheiratet werden, möglichst reich. Vom Ehemann verlassen? Schnell eine Scheidung durchziehen und eine möglichst wohlhabenden Witwer heiraten. Wieder hält sich nicht Vicky an das, was die Eltern von ihr erwarten.
Schön finde ich, dass es Vicky gelingt, ihr Vorhaben umzusetzen. Doch wie wird es in der NS-Zeit weitergehen? Ob wir hier eine Fortsetzung lesen werden?

Der Schreibstil ist flott und leicht zu lesen. Mir hat der historische Roman recht gut gefallen. Ein bisschen Meckern muss ich wegen Vickys Unentschlossenheit bezüglich ihres Mannes Willi und der (für meinen Geschmack) etwas zu lange Beginn. Aber, das ist Jammern auf hohen Niveau.

Fazit:

Eine schöne Story für Fans von historischen Romanen, die in Berlin spielen. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 28.12.2018

Auftakt einer neuen Familien-Saga

Jahre aus Seide
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Dieses Buch ist der Beginn einer Trilogie rund um Ruth Meyer und basiert auf der wahren Geschichte einer Krefelder Familie.

Das Buch beginnt 1926: Karl Meyer, Handlungsreisender in Sachen Schuhe, ist ...

Dieses Buch ist der Beginn einer Trilogie rund um Ruth Meyer und basiert auf der wahren Geschichte einer Krefelder Familie.

Das Buch beginnt 1926: Karl Meyer, Handlungsreisender in Sachen Schuhe, ist zu einigem Wohlstand gekommen, der es ihm ermöglicht, für seine Familie ein Haus zu bauen. Die Töchter Ruth und Ilse gedeihen. Man beschäftigt ein Kindermädchen, Leni, und Frau Jansen, eine Köchin. Obwohl die Familie Meyer jüdischer Herkunft ist, spielt Religion nur eine untergeordnete Rolle. Erst als die Nazis die Herrschaft übernehmen, wird das Judentum ein Thema.
Wie so viele jüdische Familien fühlen sich die Meyers als Deutsche und wollen ihre Heimat nicht verlassen. Man diskutiert innerhalb der Familie, überlegt Auswege und verwirft sie wieder. Auch in der jüdischen Gemeinschaft ist wenig Rat zu erhalten. Sollen die Meyers auswandern? Wenn ja wohin? Palästina ist für den kurzsichtigen Karl Meyer keine Option. Oder wenigstens nur die Töchter in Sicherheit bringen? So verstreichen wertvolle Wochen und Monate.

Meine Meinung:

Wieder eine tolle Familien-Saga aus der Feder von Ulrike Renk. Der Beginn mag auf einige langatmig wirken, weil wenig Aufregendes passiert. Wir bekommen Einblick in das großbürgerliche Leben: Haus, Garten, Auto samt Chauffeur und Dienstboten. Ein behütetes Leben für Ruth und ihre Schwester.
Wir erleben das Spannungsfeld zwischen (streng) Gläubigen und säkularen Juden. Die einen sind der Tradition so stark verbunden, dass ein Weihnachtsbaum als ungehörig empfunden wird. Die anderen machen einige Sitten und Gebräuche Deutschlands passend – sie assimilieren sich. Was aber dann, nach Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze, völlig wertlos ist.
Sehr detailliert ist der Konflikt um das Auswandern beschrieben. Leider geht hier wertvolle Zeit verloren, sodass es vermutlich für die Eltern Meyer zu spät sein wird. Nachdem Ruths Geschichte als Vorlage dient, ist ihr die Flucht geglückt. Doch um welchen Preis?
Das Nachwort ist sehr aufschlussreich, da es die Fakten und Fiktion aufschlüsselt.

Fazit:

Der fesselnde Beginn einer Familien-Saga. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Eine gelungene Biografie

Napoleon
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Über Napoleon sind schon meterweise Bücher geschrieben worden. Teils mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Das Schwierige die Persönlichkeit dieses Mannes zu erfassen, liegt daran, dass er selbst unermüdlich ...

Über Napoleon sind schon meterweise Bücher geschrieben worden. Teils mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Das Schwierige die Persönlichkeit dieses Mannes zu erfassen, liegt daran, dass er selbst unermüdlich an seinem Nimbus der Unfehlbarkeit herumdoktert. Die Bulletins über geschlagene Schlachten haben mit der tatsächlichen Wirklichkeit wenig zu tun. Gedruckt wird nur, was Napoleon erhöht. Die Zensur ist ähnlich rigide wie weiland unter den Bourbonen.

Doch wie gelingt es dem mehr oder weniger mittellosen Zweitgeborenen eines alten korsischen Adelsgeschlechtes die Karriereleiter derart hoch zu klettern?

Johannes Willms versucht in seiner Napoleon-Biografie den Menschen hinter dem Mythos zu ergründen. Das gelingt auf weite Strecken. Was mir persönlich ein wenig fehlt, sind die zahlreichen Liebschaften und Affären, die der Kaiser der Franzosen zeitlebens gehabt hat. Maria Walewska zum Beispiel, hat ihm immerhin einen Sohn geboren.
Gut gelungen hingegen ist die Darstellung der Zeit und der Umstände. Willmes hat „dem Volk aufs Maul geschaut“. Geschickt nutzt er die zahlreich erhaltene Korrespondenz Napoleons mit seinen Zeitgenossen. Hierin ist nicht immer Schmeichelhaftes über den „kleinen“ Korsen zu lesen. Apropos „klein“ – die Körpergröße Napoleons ist in der Literatur immer wieder Thema. Napoleon ist mit 1,68m ziemlich durchschnittlich. Da er sich immer mit großen Soldaten umgibt, wirkt er kleiner. Außerdem können auch seine Gegner auf dem Klavier der Propaganda spielen. Auch die unterschiedlichen Längenmaße können zu dieser gezielten Fehlinterpretation führen.

Spätestens 1804 ist klar, dass Napoleon die Ideale der Republik verraten hat.
„Ich hatte immer schon die Absicht, die Revolution mittels der Errichtung der Erblichkeit zu beenden.“ (Napoleon an Joseph, S. 368)

Napoleons Herrschaft stützt sich auf die Grande Armée. Ohne seine Soldaten ist er nichts. Allerdings, je mehr Kriege er führt um seine Machtgelüste zu befriedigen, desto größer sind die Anstrengungen der Soldaten. Viele Männer stammen aus den annektierten ehemaligen deutschen Fürstentümern und verstehen überhaupt nicht, warum sie z. B. nach Russland ziehen sollen.
Häufig macht er aus kleinen Ereignissen richtig große Erfolge. Die Propaganda ist sein eigentliches Metier. Wie kein zweiter versteht Napoleon es, die Siege seiner Generäle als die seinen auszugeben. Damit vergrault er einige, wie z. B. Bernadotte, der ihn verlassen wird und als Begründer des schwedischen Königshauses sein Gegner sein wird.

In der Verbannung auf St. Helena strickt Napoleon munter weiter an seinem Mythos. Gleichzeitig wirkt er weinerlich und nervt seine Bewacher mit dauernden Beschwerden über Kost und Unterbringung.

Fazit:

Eine gut lesbare Biografie, die sich nicht mit endlosen militärischen Operationen aufhält. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Ein Krimi aus dem Zaristischen Russland

Fandorin
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In seinem ersten Kriminalfall rund um den Polizeischreiber Erast Petrowitsch Fandorin entführt uns Autor Boris Akunin in das zaristische Russland von 1876.

Fandorin, der Sohn eines inzwischen verstorben ...

In seinem ersten Kriminalfall rund um den Polizeischreiber Erast Petrowitsch Fandorin entführt uns Autor Boris Akunin in das zaristische Russland von 1876.

Fandorin, der Sohn eines inzwischen verstorben Geschäftsmann, der schnell reich und noch schneller wieder arm geworden ist, muss seinen Lebensunterhalt als unterbezahlter Polizeischreiber fristen. Die Moskauer Polizei wittert immer und überall Verschwörungen gegen den Zaren, so auch als eine einige reiche, junge Männer Selbstmord begehen. Nun schlägt für den jungen, gebildeten Fandorin, der mehrere Sprachen fließend spricht die große Stunde. Erast Petrowitsch wird als Sonderermittler durch halb Europa geschickt. Dabei hat er eine Menge Abenteuer zu bestehen. Unversehens gerät er in ein Netz von Korruption und internationaler Verschwörung. Hat die Ochrana Recht, wenn sie überall Attentäter sieht?

Meine Meinung:

Der Leser findet sich im dunklen, kalten Moskau von 1876 wieder. Nicht nur die Außentemperaturen lassen einen frösteln. Auch das nicht vorhandene soziale Gefüge sorgt für Kälte. Boris Akunin schildert die Zustände detailliert. Auf der einen Seite die gelangweilte Jeunesse D’orée, auf der anderen die Kinder, die auf den Straßen Moskaus erfrieren und verhungern. Da kommen doch die Asternate, die Waisenhäuser einer reichen englischen Lady doch gerade recht, oder?

Der Schreibstil enthält Elemente von Dostojewksis Trübsinn und Tschechows schwarzen Humor. Auch feine Spuren von Sherlock Holmes sind zu finden, wenn der verarmte, aber weltgewandte Fandorin durch Europas Hauptstädte geschickt wird.
Lachen musste ich über den Begriff „amerikanisches Spiel“, das Va Banque Spiel mit, dem nur mit einer Kugel geladenen Revolver, der überall als „russisches Roulette“ bekannt ist.
Boris Akunin persifliert das eine oder andere Klischee Russlands.

Der Krimi lässt sich, wenn man in die russischen Namen einmal eingelesen ist, gut und flüssig lesen. Historische Details sind geschickt in die Kriminalgeschichte verpackt, so dass es den meisten Lesern gar nicht auffällt, ein wenig Geschichtsunterricht zu erhalten. So mag ich das!
Bin schon auf die nächsten Kriminalfälle für den aufsteigenden Ermittler Fandorin gespannt.
Wer gerne klassische Detektiv-Romane liest, ist hier richtig.

Fazit:

Ein vergnüglicher Ausflug in das Zaristische Russland. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Es lohnt, die Reihe anzusehen

Im Wingert lauert der Tod
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Schauplatz dieses nunmehr dritten Krimis rund um den eigenwilligen Privatermittlers Detlev Menke ist ein Weingarten nahe Bad Dürkeim. Dort wird die schrecklich zugerichtete Leiche eines offensichtlich ...

Schauplatz dieses nunmehr dritten Krimis rund um den eigenwilligen Privatermittlers Detlev Menke ist ein Weingarten nahe Bad Dürkeim. Dort wird die schrecklich zugerichtete Leiche eines offensichtlich nicht-deutschstämmigen jungen Mannes, der trotz eisiger Kälte nur unzureichend bekleidet war, gefunden. Es sieht aus, als wäre der junge Mann von einem Raubtier tödlich verletzt worden. Die Presse stürzt sich auf den vermeintlichen Wolf. Doch Tabea Kühn und ihr Team finden bald heraus, dass es sich hier um einen abgerichteten Hund handeln muss, der als tödliche Waffe eingesetzt wurde. Der junge Syrer wird nicht die einzige Leiche bleiben.

Akribisch arbeitet sich die Polizei durch die privaten Hintergründe mehrerer möglicher Tatverdächtiger. Natürlich kann es Detlev Menke, der Freund von Tabea, nicht lassen und schnüffelt auf eigene Faust in diesem Fall herum. Auf seinen Extra-Touren kommt er dem wahren Täter ziemlich nahe und gerät in akute Lebensgefahr.

Meine Meinung:

Für mich ist das der erste Krimi dieser Reihe und dennoch habe ich mich recht gut zurechtgefunden. Die Handlung hat Hand und Fuß und ist fesselnd erzählt. Der Leser errät recht bald das Motiv und auch der Mörder ist schnell identifiziert. Das schmälert die Spannung aber nicht. Es ist eben manchmal so, dass die Leser mehr wissen als die Ermittler.

Ein wichtiger Bestandteil des Krimis und für mich der Star hier, ist Menkes Rauhaardackel Alli, der durchaus menschliche Züge zeigt, wenn er auf sein Herrchen sauer ist. Alli wird häufig unterschätzt, doch diesmal kann er seine Spürnase unter Beweis stellen. Ich persönlich werde weiterhin die Straßenseite wechseln, wenn mir ein Hund samt Herrchen oder Frauchen entgegenkommt. Man kann ja nicht wissen!

Fazit:

Eine neue Krimi-Reihe, die es lohnt, näher betrachtet zu werden. Gerne gebe ich 4 Sterne.