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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.01.2019

Wie weit würdest du gehen?

Stella
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In den 1940ern treibt es Friedrich vom beschaulichen Genf ins aufregende Berlin. Der zurückhaltende Mann will endlich etwas erleben, will ins schillernde Nachtleben eintauchen, und den Krieg vergessen. ...

In den 1940ern treibt es Friedrich vom beschaulichen Genf ins aufregende Berlin. Der zurückhaltende Mann will endlich etwas erleben, will ins schillernde Nachtleben eintauchen, und den Krieg vergessen. Er trifft auf Kristin, die all seine Träume zu verkörpern scheint. Doch auch sie hütet ein Geheimnis.

Der neueste Roman von Takis Würger beruht auf wahren Begebenheiten, was für mich ein Buch immer noch ein kleines bisschen interessanter macht. Stella hat es wirklich gegeben, dem Leser wird das immer wieder durch Einschübe aus ihren Prozessakten verdeutlicht. Um ihre Figur spinnt Würger seine z.T. fiktive Handlung, die einem trotzdem sehr authentisch anmutet. Friedrich ist ein etwas naiver junger Mann, ich habe ihm allerdings nicht so richtig abgekauft, dass ihn das Kriegsgeschehen und auch das Leben unter den Nazis so wenig tangiert haben soll. Die Stella, die uns der Autor hier zeigt, ist nur auf den ersten Blick eine leichtlebige Frau, im Laufe der kurzen Geschichte kann man ihre Beweggründe für ihre Taten gut nachvollziehen und wird sicherlich immer über die Frage nachgrübeln: was hätte man selbst an ihrer Stelle getan? Keine leichte Frage, am Ende des Buches sucht man immer noch nach Antworten. Mir hat der Erzählstil prinzipiell ganz gut gefallen, allerdings hätte ich das Geschehen gerne doch nicht ganz so distanziert beobachten wollen. Emotionen fallen schwer, man fühlt sich immer wie ein Außenstehender und fällt nicht richtig in die Geschichte hinein. Die hat mich trotz Kleinigkeiten überzeugt, ein gelungener und wichtiger Roman.

Veröffentlicht am 31.12.2018

Die Polizisten

Die Polizisten
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Eigentlich ist es ein einfacher Auftrag, den die Polizisten Virginie, Erik und Aristide ausführen sollen: einen Gefangenen von A nach B zu transportieren. Doch hinter diesem Auftrag versteckt sich ein ...

Eigentlich ist es ein einfacher Auftrag, den die Polizisten Virginie, Erik und Aristide ausführen sollen: einen Gefangenen von A nach B zu transportieren. Doch hinter diesem Auftrag versteckt sich ein großes Dilemma, denn bei dem Gefangenen handelt es sich um einen Asylsuchenden, der abgeschoben werden soll. Wahrscheinlich in den sicheren Tod.

Hugo Boris befasst sich in seinem kurzen, aber bewegendem Roman mit einem brandaktuellen Thema. Trotz der Kürze liefert die Geschichte viele Denkanstöße zum Thema Flüchtlingspolitik und nimmt ganz bewusst auch den Einzelnen mit in die Verantwortung. Die drei Polizisten könnten natürlich stur ihrem Befehl folgen, sind aber so menschlich, dass sie mit ihrem Schicksal hadern. Die Gewissenskonflikte werden realistisch dargestellt, man kommt als Leser viel ins Grübeln. Dieser inneren Aufruhr steht der etwas kühle und nüchterne Schreibstil entgegen, der mir trotzdem gut gefallen hat. Die Handlung ist gar nicht so ereignisreich, trotzdem sorgen die Konflikte für Spannung. Ein wirklich gelungener, intensiver Roman, der auch zwischen den Zeilen viel zu erzählen hat.

Veröffentlicht am 25.12.2018

Schnee in Amsterdam

Schnee in Amsterdam
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Stella und Gerry sind seit Jahrzehnten verheiratet, sind zusammen alt geworden. Dem Alltag in Glasgow entfliehen sie regelmäßig für kleine Kurztrips, diesmal führt sie die Reise nach Amsterdam. Doch statt ...

Stella und Gerry sind seit Jahrzehnten verheiratet, sind zusammen alt geworden. Dem Alltag in Glasgow entfliehen sie regelmäßig für kleine Kurztrips, diesmal führt sie die Reise nach Amsterdam. Doch statt die Beziehung neu zu beleben und bewusst Zeit miteinander zu verbringen, treibt sie immer mehr auseinander. Gerry ist am Liebsten in Gesellschaft seiner Flasche, Stella sucht Zuflucht im Glauben. Wird die Ehe den frostigen Ausflug überstehen?

MacLaverty hat einen ganz ruhigen Roman der leisen Töne geschrieben. Ich kann durchaus verstehen, warum dieses Buch als Novel of the Year ausgezeichnet wurde, denn die langsame Enthüllung der tragischen Ereignisse hat durchaus Sogwirkung. Der Autor würdigt kleine Details, lenkt das Auge des Betrachters auf viel Schönes, und obwohl der Stil keineswegs überemotional ist, kann man doch die beiden Hauptfiguren sehr gut verstehen und ihr Handeln nachvollziehen. Die Ehe der beiden scheint ein bloßes Nebeneinanderher zu sein, die Liebe dem Alltag gewichen, man ist genervt, man ist aber auch zu bequem um an der Situation etwas zu ändern. Mir erscheint die Ehe der beiden als gutes Beispiel für viele, auch als Ermahnung sich nach Jahren noch wertzuschätzen und nicht für selbstverständlich zu halten. Ein wertvolles kleines Buch, aus dem jeder etwas mitnehmen kann.

Veröffentlicht am 09.12.2018

Düster und bedrückend

Darktown (Darktown 1)
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1948 treten acht ganz besondere Männer ihren Dienst an. Beim Atlanta Police Department werden acht Farbige eingestellt, um in den farbigen Vierteln – abfällig Dark Town genannt – für Ordnung zu sorgen. ...

1948 treten acht ganz besondere Männer ihren Dienst an. Beim Atlanta Police Department werden acht Farbige eingestellt, um in den farbigen Vierteln – abfällig Dark Town genannt – für Ordnung zu sorgen. Doch schnell wird klar, dass ihre Dienstmarke nicht denselben Wert hat wie die eines weißen Officers, und so stehen Boggs und Smith bald machtlos vor der Leiche einer toten farbigen Frau. Die Ermittlungen sind eingestellt, noch bevor sich wirklich begonnen haben. Doch die beiden geben nicht auf.

Thomas Mullens Roman ist eine gekonnte Mischung aus Gesellschaftskritik und Krimi. Der Rassismus, die Abscheu und die Erniedrigungen, die die acht Männer ertragen müssen, all das nimmt großen Raum im Roman ein, trotzdem erschlägt diese Thematik den Leser nicht. Der Autor versteht es hervorragend beim Leser Emotionen zu wecken, ich war über die geschilderten Zustände oft wütend… und machtlos. Die Figuren gehen ganz unterschiedlich mit diesen Problemen um, es gibt sowohl auf der Täter- wie auch Opferseite viele Facetten, deren Bandbreite dem Leser erst nach einiger Zeit klar wird. Leider bleiben sie auch oft auf ihre Funktion in der Geschichte reduziert, richtig viel Innenleben abseits des Offensichtlichen gab es leider nicht. Dafür ist der historische Kontext sehr gut aufgearbeitet, lediglich ein Nachwort mit genaueren Informationen wieviel Fiktion denn nun genau im Buch steckt, habe ich vermisst. Der Erzählstil hat mir ganz gut gefallen, der Autor versteht es eine bedrückende Atmosphäre aufzubauen, die mich schnell in ihren Bann gezogen hat. Insgesamt ein sehr interessanter Roman über acht Männer, vor denen man wirklich nur den Hut ziehen kann.

Veröffentlicht am 05.12.2018

Loyalitäten

Loyalitäten
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Biologielehrerin Hélène ist sich sicher, dass ihr Schüler Théo nicht einfach nur ein etwas verschlossenes Kind ist, sondern ein echtes Problem hat. Doch was, das weiß sie nicht. Mathis, Théos bester Freund ...

Biologielehrerin Hélène ist sich sicher, dass ihr Schüler Théo nicht einfach nur ein etwas verschlossenes Kind ist, sondern ein echtes Problem hat. Doch was, das weiß sie nicht. Mathis, Théos bester Freund dagegen schon. Schließlich stehlen sie sich jede freie Minute in ein Versteck der Schule, um sich zu betrinken.

„Loyalitäten“ ist ein recht kurzer Roman, der es trotzdem in sich hat. Théos Verfall ist nicht leicht mit anzusehen, seine Verzweiflung, aber auch seine vergeblichen Bemühungen an der familiären Situation etwas zu ändern. Die ist wirklich zerfahren, die Eltern geschieden, seit Jahren sprechen sie kein Wort mehr miteinander, der Vater versinkt in Einsamkeit. Ich konnte mich mit der Haltung der Mutter bis zum Schluss nicht anfreunden, mir erschien sie zu unrealistisch; das hat mich dann doch oft aus dem Lesefluss gerissen. Sehr gut gelungen ist die Darstellung von Hélènes Bemühungen, allgemein die Reaktionen im Schulsystem empfand ich als sehr authentisch. Trotz dieser aufwühlenden Thematik beobachtet man als Leser das Geschehen doch eher distanziert, ich hätte mir mehr Emotionen, mehr Nähe gewünscht. Delphine de Vigan hat einen leisen Weg gewählt, um ihre Geschichte zu erzählen, für mich wurde hier allerdings Potential verschenkt, weil oft die Distanz zur Handlung zu groß war.