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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2019

Gelungene Mischung aus Entwicklungs- und Kriminalroman

Für eine kurze Zeit waren wir glücklich
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Für eine kurze Zeit waren wir glücklich - William Kent Krueger

Eine scheinbar ganz normale, zumindest nach außen hin glückliche Familie, in der Frank, 13, und sein jüngerer Bruder Jake als Söhne eines ...

Für eine kurze Zeit waren wir glücklich - William Kent Krueger

Eine scheinbar ganz normale, zumindest nach außen hin glückliche Familie, in der Frank, 13, und sein jüngerer Bruder Jake als Söhne eines Pastors in New Bremen aufwachsen. Bis im Sommer 1961 der Tod in ihr Leben tritt, und das gleich mehrmals. Ihre Welt gerät aus den Fugen, denn auch die eigene Familie droht daran zu zerbrechen. Binnen weniger Wochen müssen die beiden Jungs erwachsen werden.

Die Charaktere der beiden Jungen fand ich sehr interessant, weil sie nämlich grundverschieden sind. Der Erzähler Frank ist der typische Draufgänger, der erst handelt bevor er nachdenkt und dadurch auch immer mal wieder in Schwierigkeiten gerät. Jake dagegen, leidet sehr unter seinem Stottern und ist ein nachdenklicher, schüchterner Typ, der immer wieder versucht seinen Bruder einzubremsen. Hatte ich am Anfang noch die Befürchtung, dass es sich bei den beiden um Stereotype handelt, so wird im weiteren Verlauf der Handlung eine deutliche und glaubwürdige Entwicklung der Persönlichkeiten deutlich.

Es geht um das Ertragen und den Schmerz großer Verluste, um Schuld und Vergebung, letztendlich immer ums Erwachsen werden.
"Mitten im größten Leid verstehen sie, was es heißt, einander beizustehen, eine Familie zu sein und anderen zu vergeben." Klappentext

Getragen wird diese Geschichte von einer sehr ruhigen, dennoch atmosphärischen Grundstimmung. Ein einfaches amerikanisches Landleben im Stil von Kent Haruf. Stark erinnert fühlte ich mich auch an eine Fernsehserie aus meiner Kindheit, „Unsere kleine Farm“ eine heile Welt mit viel Religion und Gottvertrauen.

Eine traurige, aber stimmige Geschichte, letztendlich versöhnlich. Trotz aller Tragödien, die sich ereignen, schafft es der Autor trotzdem, eine positive Stimmung zu hinterlassen.

Veröffentlicht am 06.05.2019

Von der Liebe zur Literatur

Die verborgene Bibliothek
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"Denn wenn jede Bibliothek eine Autobiographie ist, dann ist das Wegräumen der Bücher, als würde man seine eigene Todesanzeige verfassen." Seite 62

Viele Bibliotheken hat er schon aufgebaut und besessen. ...

"Denn wenn jede Bibliothek eine Autobiographie ist, dann ist das Wegräumen der Bücher, als würde man seine eigene Todesanzeige verfassen." Seite 62

Viele Bibliotheken hat er schon aufgebaut und besessen. In Paris, London und Tahiti, viele weitere hat er besucht, die argentinische Nationalbibliothek in Buenos Aires leitet Alberto Manguel seit 2016.
Aus verschiedenen Gründen musste er immer wieder seine Zelte abbrechen, die jeweilige Bibliothek in Kisten verpacken und darauf hoffen, seine Schätze eines Tages an einem anderen Ort wieder auszupacken. An einen ebensolchen Umzug erinnert sich Manguel in diesem Buch. Er verpackt und schweift dabei immer wieder ab, in die Geschichte des Buches und der Literatur, in verschiedene Werke und die Erinnerungen, die er damit verbindet.

Der Leser spürt richtiggehend die Liebe, die der Autor seinen Büchern und der Literatur im Allgemeinen entgegenbringt und den Glauben, dass jedes Buch seine eigene Seele hat.

Buchliebhaber werden sich sehr oft selbst wiedererkennen. Wie gut kennen wir den Drang, zu sammeln und zu ordnen, zu sortieren und zu horten.
Manguel entführt uns nun in die großen und berühmten Bibliotheken der Welt. Alexandria darf nicht fehlen, sogar Kapitän Nemos Bibliothek auf der Nautilus wird erwähnt.

Sehr gelehrt und oft poetisch führt der Autor querbeet durch Wissenswertes aus der Welt der Bücher. Das Wunderbare daran ist der eingängige und angenehme Schreibstil. Ein Muss für alle Bibliophilen! Dabei ist Manguel kein Unbekannter in diesem Genre. Bekannt wurde er bereits mit „Eine Geschichte des Lesens“. Logisch, dass dieses Buch nun auch auf meiner Wunschliste steht.

Veröffentlicht am 11.01.2019

Eine Geschichte der Sklaverei

Underground Railroad
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Underground Railroad – Colson Whitehead

Colson Whitehead arbeitet in diesem Roman die große Tragödie der Sklaverei auf. Über dieses Thema habe ich bisher kaum etwas gelesen, schon gar nicht auf so eindringliche ...

Underground Railroad – Colson Whitehead

Colson Whitehead arbeitet in diesem Roman die große Tragödie der Sklaverei auf. Über dieses Thema habe ich bisher kaum etwas gelesen, schon gar nicht auf so eindringliche und realistische Weise. Wobei man erwähnen muss, dass der Autor sich die ein oder andere dichterische Freiheit erlaubt. So ist die Underground Railroad bei ihm tatsächlich eine richtige Eisenbahn, mit Schienen und Stationen. In der Realität handelte es sich dabei vielmehr um ein Netzwerk aus freiwilligen Helfern, die sich selbst in Lebensgefahr brachten, um entlaufene Sklaven auf ihrem Weg in den Norden, wo sie auf ein Leben in Freiheit hoffen durften, zu unterstützen.

Cora ist ein Sklavenmädchen, das auf der Randall-Farm in Georgia geboren wurde und unter brutalsten Bedingungen lebt und wohl auch dort sterben wird. Bis Caesar, ein Leidensgenosse, ihr die Idee einer Flucht in den Kopf setzt. Er kann lesen und hat Verbindungen zu einem Helfer der Underground Railroad. Ihre Flucht beginnt dramatisch und führt sie kreuz und quer durch die Staaten. Jeder dieser Staaten hat eigene Gesetze und Regeln, entlaufene Sklaven sind jedoch nirgendwo gerne gesehen und werden überall schlimmer als Tiere behandelt.
Ergreifend und beinahe unerträglich detailliert beschreibt der Autor das Leben dieses Sklavenmädchens und ihrer Wegbegleiter. Ein Leben unter absolut unwürdigen Bedingungen, die sich auch während der Flucht nicht nachhaltig verbessern. Ein Leben ohne Wurzeln und ohne irgendeine Perspektive. Bezeichnend, dass Coras Reise mit dem Ende des Romans kein Ende findet. Viele Male verliert sie ihre Begleiter, bewundernswert ihr Durchhaltevermögen und Lebenswille.

Der Autor versteht es, dem Leser ein Stück Geschichte näherzubringen, das zwar jedem bekannt ist, über das sich aber die wenigsten wohl so intensiv Gedanken gemacht haben. Er setzt sogar noch früher an, nämlich bei der ersten großen Sünde der Weißen Invasoren: der Vertreibung der Indianer. Whitehead gibt der Geschichte Namen und Gesichter. Dabei denkt er aber nicht nur Schwarz-Weiß, es gibt weiße Helfer, und schwarze Verräter. Auch Konflikte zwischen Sklaven untereinander werden thematisiert.

Ein wirklich sehr gut geschriebenes und thematisch wichtiges Buch, doch oft schwer zu ertragen und beileibe nicht als Stimmungsaufheller geeignet. Dabei aber absolut fesselnd, so dass ich es innerhalb weniger Tage zu Ende gelesen habe.
Ein tolles Buch!

Veröffentlicht am 02.01.2019

Familienurlaub auf Lanzarote

Neujahr
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Neujahr – Juli Zeh

Ein Familienurlaub auf Lanzarote, der tief vergrabene Kindheitstraumata ans Tageslicht bringt.

Henning ist ein liebevoller und moderner Familienvater, Arbeits- und Betreuungszeiten ...

Neujahr – Juli Zeh

Ein Familienurlaub auf Lanzarote, der tief vergrabene Kindheitstraumata ans Tageslicht bringt.

Henning ist ein liebevoller und moderner Familienvater, Arbeits- und Betreuungszeiten sind gerecht zwischen ihm und seiner Frau Theresa aufgeteilt. Alles scheint perfekt, trotzdem scheint er sich zwischen Familie und Beruf aufzureiben; seit einiger Zeit plagen ihn Panikattacken.
Als Abwechslung soll Silvester diesmal mit Frau und Kindern auf Lanzarote gefeiert werden. An Neujahr bricht Henning zu einer Fahrradtour auf. Schlecht ausgerüstet, ohne Proviant will er den Steilpass zum Bergdorf Femés erklimmen. Was erst beinahe aussichtslos erscheint, bringt ihn an seine Grenzen, körperlich aber auch psychisch. Denn in seiner Kindheit war er schon einmal in dem Haus auf Lanzarote. Und er beginnt sich zu erinnern.
Mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht sagen, weil ich finde, dass der Klappentext schon viel zu viel verrät.

Dies ist mein erster Roman von Juli Zeh und er hat mir von Anfang an sehr gut gefallen. Sie hat einen recht modernen Schreibstil, der sich sehr flüssig lesen lässt. Auch inhaltlich trifft sie exakt den Zeitgeist. Gerade in den Fragen des Ringens um gleichberechtigte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kindererziehung und dem Bemühen, die eigene Liebesbeziehung über all dem nicht aus den Augen zu verlieren, hat sie mich voll getroffen. Sehr oft konnte ich meine eigene Familie darin wiedererkennen. Die Charaktere sind total realitätsnah und echt dargestellt. Als würden sie neben einem sitzen.
Gegen Ende des Romans finden sich sogar Thriller Elemente und lassen den Leser das Buch kaum mehr zur Seite legen.

Mit Sicherheit war dies nicht mein letzter Roman von Juli Zeh!


Veröffentlicht am 21.12.2018

Ein fesselnder, tiefgründiger Thriller aus der Unterwelt Koreas

Die Plotter
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Un Su Kim – Die Plotter
"Die Zeit hatte es nun einmal an sich, dass sie sich im Kreis drehte und einen prompt in den Arsch biss." Seite 42
Der Koreaner Un Su Kim hat in seinem ersten Thriller „Die Plotter“ ...

Un Su Kim – Die Plotter
"Die Zeit hatte es nun einmal an sich, dass sie sich im Kreis drehte und einen prompt in den Arsch biss." Seite 42
Der Koreaner Un Su Kim hat in seinem ersten Thriller „Die Plotter“ ein ausgeklügeltes System entworfen, in dem Auftragsmorde organisiert werden. Die Plotter sind die Planer und Organisatoren von überwiegend politischen Morden, die Killer sind diesen untergeordnet (jederzeit ersetzbar/eliminierbar) und führen die Morde aus. Ich gehe davon aus, dass dies fiktiv ist, ganz sicher bin ich mir allerdings nicht… Zumindest den Begriff „Plotter“ konnte ich in ähnlichem Zusammenhang nicht finden, was aber nicht heißt, dass es eine solche Organisation nicht tatsächlich gibt. Der Autor ist sehr überzeugend!
Raeseng wurde als Baby in einer Mülltonne entsorgt. Der Bibliothekar Old Raccoon nimmt den Jungen in seiner alten Bibliothek auf. Doch er ist ein Plotter und die Bibliothek geheimer Dreh-und Angelpunkt etlicher Auftragsmörder. Unweigerlich wächst auch Raeseng zu einem Killer heran. Als solcher darf er keinen Fehler machen, denn die Auftraggeber gehen nicht zimperlich mit Leuten wie ihm um. Raeseng hat jedoch ein weiches Herz und als er eines Tages Milde walten lässt und vom vorgegebenen Plan abweicht, gerät er auf die Todesliste.
Mit den ersten Seiten landet man gleich mitten im Geschehen, was einen rasanten Thriller erwarten lässt. Mit der Vermutung liegt man aber nicht ganz richtig. Zumindest die erste Hälfte des Buches passiert nicht so arg viel, die Handlung nimmt erst gegen Ende richtig Fahrt auf. Ich fand allerdings auch den ersten Teil sehr interessant, denn man erfährt viel über Raeseng. Er ist nicht zum Killer geboren, nach jedem Mord geht es ihm schlecht und er trinkt tagelang Bier, bis es ihm wieder besser geht. Kurzfristig steigt er sogar aus seinem Killerdasein aus, um in einer Fabrik zu arbeiten. Doch sieht er in der Organisation so etwas wie eine Familie und kehrt zurück.
Damit wirft der Autor die Frage auf, inwieweit der Mensch von den Umständen, in die er hineingeboren wird, geprägt wird. Wie wichtig Vorbilder sind und ob wir überhaupt eine echte Wahl haben. Raeseng wächst in diesem Milieu auf und identifiziert sich auch irgendwo damit. Auch wenn er durchaus seine Zweifel daran hat.

Beeindruckend fand ich die Effektivität und Herzlosigkeit der beschriebenen Organisation. Auftragsmorde sind eine Sache des Marktes. Wenn der Preis stimmt, wird der Auftrag ausgeführt. Nur für Geld wird gemordet. Andererseits wird der Protagonist nicht als eiskalter, gefühlloser Killer dargestellt, sondern als Mensch mit Ängsten und Gewissensbissen.
Insgesamt ein packender, tiefgründiger Thriller aus der Unterwelt Koreas! Leseempfehlung!