„...Als Fazit ist festzustellen, dass Deutschland keine starke Justiz hat. Mit einer kurz vor dem Kollaps stehenden Justiz lässt sich Gerechtigkeit nicht herstellen...“
Das Fazit klingt hart und erschreckend. Wie kommt der Autor, der selbst Richter ist, zu dieser Einschätzung?
In sechs Kapiteln listet Dr. Patrick Burow detailliert die Probleme der deutschen Justiz auf.
Im ersten Kapitel erläutert er, welche Folgen der Personalmangel und die strikten Zeitvorgaben von Pebb§y, einem Personalberechnungssystem, auf die Arbeit der Richter haben.
„...Die Zeitvorgaben einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zielen auf die Effizienz des Justizapparats ab. Es sollen möglichst viele Fälle in möglichst kurzer Zeit erledigt werden. […] Die Qualität bleibt dabei auf der Strecke...“
Das System übersieht, dass sich Gerichtsfälle nicht in ein starres Schema pressen lassen. Hinzu kommt, dass Richter immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, für die es früher zusätzliches Personal gab. Einlasskontrolle ins Gericht und Wachtmeister während der Verhandlung fallen häufig dem Sparzwang zum Opfer. Für das Staatsfernsehen wird mehr Geld ausgegeben wie für eine funktionierende Justiz.
Im zweiten Abschnitt wird aufgeführt, welche Schritte ein Richter bis zur Strafzumessung gehen sollte. Außerdem wird darauf hingewiesen, warum es häufig nur milde Strafen gibt. Wie das auf andere Behörden wirkt, zeigt das folgende Zitat:
„...Der Frust von Polizisten ist groß, wenn mit großem persönlichen Einsatz geführte Ermittlungen zu keiner spürbaren Strafe führen...“
Das dritte Kapitel widmet sich einem Thema, das irgendwann fast jeden trifft. Die beiden einleitenden Sätze lauten:
„...Sie wollen die ganze Härte des Rechtsstaats erleben? Dann sollten Sie zu schnell Auto fahren...“
Im Gegensatz zu vielen anderen Straftaten werden Verkehrsverstöße rigoros verfolgt. Hier kommt der feine Humor des Autors im Schriftstil zu tragen.
Im vierten Kapitel geht der Autor erneut tiefgründig auf die Folgen der Arbeitsüberlastung ein. Zu lange Gerichtsverfahren mit entsprechenden negativen Konsequenzen, Einstellung von Verfahren, Kapitulation vor der Alltagskriminalität und Fehlurteile sind einige der behandelten Themenfelder. Die verständlichen theoretischen Abhandlungen werden durch konkrete Beispiele verdeutlicht.
„...Löcher werden gestopft, indem woanders neue aufgerissen werden...“
DAS ist verständlicherweise keine Lösung.
Im vorletzten Kapitel wendet sich der Autor den jugendlichen Straftätern, den Folgen der Asylpolitik im juristischen Bereich und der Zwei – Klassen – Justiz zu. Letzteres dürfte es laut Grundgesetz gar nicht geben. Aber Theorie und Praxis sind manchmal zwei völlig unterschiedliche Seiten einer Medaille.
Wenn über die Justiz und das Recht gesprochen wird, muss man an irgendeiner Stelle über den Begriff der Gerechtigkeit reden. Das geschieht in diesem Kapitel.
Anschließend wird anhand konkreter Zitate aus der Presse oder von Politkern der Vertrauensverlust der Justiz belegt. Auch im Gericht hat man mit zunehmender Respektlosigkeit zu kämpfen. Das Eingangszitat schließt diesen Abschnitt ab.
Das letzte Kapitel ist zweigeteilt. Zum einen geht es um neue Anforderungen, für die entsprechende Fachleute fehlen. Das betrifft insbesondere die Cyberkriminalität, aber auch Wirtschaftsstraftaten.
Andererseits listet der Autor in seinem Schlussplädoyer konkrete Fakten auf, die wieder zu einer funktionierenden Justiz führen würden.
Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass das Buch dem interessierten Leser die Augen öffnet für die heutigen Probleme der Justiz. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen und ist auch für den Laien verständlich. Dafür sorgen ebenfalls konkrete Beispiel, Zahlen und Fakten sowie kurze Erläuterungen von Fachbegriffen.
Anmerkungen ergänzen das Buch.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat meinen Blick geweitet auf ein bisher wenig beachtetes Thema.