Fade Story, langweilige Charaktere
Krestel ist 17-Jahre jung und hübsch. Und leider auch die Tochter des ranghöchsten Generals von Valoria. Als solche hat sie nur zwei Möglichkeiten wie sie die Zukunft verbringen will: entweder sie folgt ...
Krestel ist 17-Jahre jung und hübsch. Und leider auch die Tochter des ranghöchsten Generals von Valoria. Als solche hat sie nur zwei Möglichkeiten wie sie die Zukunft verbringen will: entweder sie folgt dem Wunsch ihres Vaters und tritt der Armee bei oder sie heiratet Jung. Aufgrund eines Missgeschicks landet sie auf einer Sklavenaktion und ersteigert aus einem plötzlichen Impuls heraus den Sklaven Arin. Dieser übt auf Krestel eine seltsame Faszination aus und schon bald stellt Krestel fest, dass sie Arin mehr mag als vielleicht gut für sie ist. Und während sie sich Arin immer weiter annähert, ahnt sie nicht, was hinter der so kühlen Fassade schlummert.
Bringen wir es hinter uns. Spoiler Warnung, wer das nicht lesen will springt bitte direkt zum Fazit.
„Spiel der Macht“ hat mir echt einiges abverlangt.
Von den so hochgelobten Charakteren oder dem „ausgezeichneten“ Schreibstil habe ich so gut wie gar nichts erlebt. Auch Spannung baute sich bei mir absolut nicht auf. Und auch sonst hatte das Buch so einige schwächen.
Fangen wir aber einfach mal an Anfang an.
Krestel wird uns von Anfang an als ein Charakter beschrieben, dessen absolute Stärke in ihrem strategischen Denken liegt. Ob gewollt oder ungewollt, Krestel beobachtet, analysiert und kritisiert bis ins kleinste Detail ihre Umgebung. Was durchaus interessant gewesen wäre, wenn die Welt von Valoria, Herran und Darca nicht so absolut blass, fad, uneinsichtig und langweilig gewesen wäre.
Den Krestels Alltag selber könnte auch langweiliger nicht sein. Besuche bei ihrer besten Freundin (und deren super hottem Bruder der auf Krestel steht), irgendwelche Gesellschaftsspiele (die zeigen sollen wie UNGLAUBLICH Krestels Beobachtungsgabe ist – Spoiler: nicht) irgendwelchen Bällen (die uns eventuell die Gesellschaft, in der Krestel verkehrt näherbringen soll) oder in ihren eigenen Gemächern. Mehr kriegen wir von ihrem Alltag nicht mit. Rückblickend frage ich mich grade was die Gute den ganzen Tag gemacht hat- oder viel mehr die letzten 17 Jahre. Bei so viel Action droht man ja schon beinahe einzuschlafen!
Auch der Szenenwechsel zu Arin selber macht das Ganze nicht besser. Schmiede, bei Krestel, in der Stadt, bei Krestel, auf einem Fest (mit Krestel)… Es ist immer wieder die gleiche Laier. Hufeisen, heimliche Waffen, heimliche Treffen… Wobei sich mir da eine Frage stellt, die sich durch das ganze Buch durchgezogen hat:
Was ich mit bekommen habe war, dass die Valorianer die Herrani (Herranen? Herranos…? Urgh… egal) versklavt hatten. Sklaven. Versklavung. Ich habe jetzt keinen wirklichen Abschluss im Studienfach der Sklav-onologie, aber… waren Sklaven nicht ihren Herren untergeordnet? Hatten die Herren nicht eine… gewisse Macht? Sogar Verantwortung für ihre Sklaven?
Arin stolziert nämlich die gesamte erste Hälfte wie ein König durch das Buch und kommt damit sogar sehr glimpflich davon. Wirklich rügen tut ihn Krestel nicht ein einziges Mal. Arin kann gefühlt machen was er will. Er schmiedet heimlich mehrere Tonnen an Waffen, die er nachts über die Mauern des Anwesens schmeißt. Er trifft sich heimlich mit einer Rebellenarmee und koordiniert diese dann auch noch locker flockig. Er kommt auf so ziemlich jedes Fest mit, auf das Krestel geht. Er kann anscheint einfach so ihre Gemächer betreten und mit ihr eine Runde Gesellschaftsspielchen spielen. Dazu ist er ungehobelt, frech und auf seine Art auch sehr Vorlaut und das interessiert Krestel so… null.
Nada, niente.
Ich meine… okay, einige Menschen lassen sich einfach schwieriger Reizen als andere. Aber dann tickt Krestel aus, weil eine andere Herrani Sklavin auf dem Grundstück Arin schöne Augen macht. Also ich weiß ja nicht…
Aber die Umgangsformen in Valoria scheinen ja eh ganz… anders zu sein als hier, nehme ich einfach mal an. Ich kann es nicht genau sagen, da ich von der Gesellschaft absolut keinen Plan habe. Die Feste auf denen Krestel war wurden zwar bis ins kleinste Detail ausgeschmückt und durchgekaut, aber wirklich was davon mitgenommen habe ich nicht- außer der Tatsache das jemand ihrer Freundin Jess mal den Zucker wegnehmen sollte. Auf diesen Festen war immer wieder von dem neusten Klatsch und Tratsch in der valorianischen Gesellschaft die Rede, von dem ich aber entweder nichts behalten habe oder nichts mitbekommen habe.
Der einzige Gossip der wirklich mehrfach erwähnt wurde, wurde später auch noch einmal aufgegriffen. Und danach auch nie wieder. In einer Tour wird man hier mit Informationen gefüttert mit denen man absolut nichts anfangen kann.
Und das endet nicht nur bei dem Gossip der Valorianer, der einem getrost am aller Wertesten vorbei gehen kann, sondern zieht sich weiter über die Haupt- und Neben Charaktere.
Den von denen gibt es einige. Unsere beiden Hauptcharaktere, Krestel und Arin, sind beide in erster linie zwei Sachen: Langweilig und Leer.
Ich weiß, dass Krestel 17 Jahre alt ist, nicht Kämpfen kann, Musik mag und ihre Mutter tot ist. Noch dazu ist sie die Tochter des Generals. Nicht wirklich viel persönliches. Oh! Und sie mag ihr Pferd.
Von Arin weiß ich noch weniger. Er ist, glaube ich, von blauem Blut, ein Stratege (haha…) und… ja, keine Ahnung wie Alt. Das erfährt man nicht. Und wenn man es erfahren hat habe ich es definitiv wieder vergessen.
Bei den Nebencharakteren kann ich eigentlich nur Jess, Ronan, Preller und Krestels Vater aufzählen. Und alle samt waren so leer und blass, dass mir keine Charakter eigenschaft wirklich in Gedanken geblieben ist. Jess ist hyperaktiv, Ronan weiß nicht wann Schluss ist, Preller leidet unter Stimmungsschwankungen und Krestels Vater ist Dauer-Afk.
Die ansonsten vorgestellten Charaktere muss man einfach so hinnehmen.
Denn wenn „Spiel der Macht“ an einem spart, dann an dem Tiefgang. Charaktere kommen, Charaktere gehen. So nach dem Motto wandern wir mit Krestel durch das Buch. Ich kriege einen Charakter vor die Nase gesetzt und darf mir selber zusammen reimen wer das eigentlich ist, wie er in Beziehung zu Krestel steht, warum er da ist und…. Dann ist er auch schon wieder weg, ohne sonstige Erklärung! So! Nächster Charakter…
Und so geht es immer weiter.
Und es bleibt nicht nur bei den Charakteren! Ich hatte beim Lesen das Gefühl einen Zeitungsbericht zu lesen. Tiefgang in den Gefühlen und Empfindungen der Charaktere sucht man hier vergebens.
Bestes Beispiel hierfür ist die Amme von Krestel, Ennai. Die gute Dame wird uns recht zu Anfang als eine sehr wichtige Bezugsperson für Krestel vorgestellt, nachdem ihre Mutter gestorben ist. Ihr Vater war immer weg und Ennai hatte sich Krestel angenommen. Eine Ersatzmutter sozusagen.
Ich glaube alles in allem kam sie aber nur 4-mal vor und einmal davon ging es um ihren Tod und einmal um einen wirren Traum mit ihr.
Wirkliche Trauer um ihre verstorbene Amme findet man bei Krestel auch nicht. Ich weiß ja nicht wie es anderen geht, aber wenn eine für mich wichtige Person stirbt, dann würde ich erstmal in meiner Trauer eingehen. Wer weiß, vielleicht hat Krestel ja auch getrauert, aber dann wurde es nur eine halbe Seite umschrieben und danach tanzten die Einhörner wieder auf dem Regenbogen und alles war wieder gut.
Hat man sich aber erst einmal durch die ersten 200/220 Seiten gekämpft wird man auch irgendwie entlohnt. Denn dann passiert auch endlich etwas. Wobei da auch nicht alles ganz logisch ist… Ich meine, wenn ich und mein Volk verraten wurden und man mir und den anderen mit der absoluten Abschlachtung droht… joar, dann lasse ich mich auch gefangen nehmen, führe eine ganze Weile ein Leben als „privilegierte Sklavin“ (Ich raste gleich aus), während meine Freundin irgendwo im Sterben liegt, meine ganzen Freunde und Bekannte irgendwo als Gefangene gehalten oder grade werden und vertiefe meine Liebe zu dem Rädelsführer der ganzen After-Show-Party. Seems legit…
Wo ich schon grade beim Thema Liebe bin: woher kommen diese Gefühle Arin gegenüber?
Woher zum Teufel? Es fing von jetzt auf gleich an, dass Arin Krestel und Krestel Arin liebte? Aber warum? Gut, bei Arin kann ich es verstehen, Krestel hat ihn immer etwas menschlicher behandelt als es die anderen Taten. Aber bei Krestel? Arin war in einer Tour unhöflich, unfreundlich und dreist zu ihr!
Klar, da denke ich auch mit meinem großen Strategen-Hirn: „Boha! GEIL!“
Was es an dem Buch dann zu loben gibt, dass es dennoch zwei Sterne gibt? Zum einen das absolut fantastische Cover und die letzten… Uff…. 5 Kapitel? Den so furchtbar ich auch 60% des Buches fand, diese Kapitel haben es für mich noch einmal rausgehauen und ich bin wirklich dazu geneigt Teil zwei zu lesen um zu wissen was aus Krestels Plan geworden ist und wie Arin damit weiter verfährt!
Fazit:
Zu blasse Charaktere!
Zu unausgearbeitete Welt!
Keinerlei Emotionen oder auch nur Erklärung, wie es zu gewissen Handlungen oder Reaktionen kommt. Der Leser wird alleine in einer ihm völlig fremden Welt zurück gelassen und darf sich alles erklären und zusammen reimen.
Dennoch hat es mich neugierig auf Band 2 gemacht und ich gebe der Reihe noch eine zweite Chance.
Ansonsten rate ich jedem von dem Buch ab, der hier auf den Klappentext vertraut. Es gibt nicht einmal halb so viele Spannungen, Intrigen und Liebesszenen wie der nämlich verspricht.
„Die Schatten von Valoria – Spiel der Macht“ von Marie Rutkoski bekommt daher von mir lieb gemeinte 2 von 5 Sternen und damit eine eingeschränkte Leseempfehlung.