Komplexer historischer Krimi a la Babylon Berlin
Seitdem ich von Alex Beer "Der zweite Reiter" und die Serie "Babylon Berlin" gesehen habe, die auf dem Roman von Volker Kutscher basiert, liebe ich historische Krimis, die zwischen den 20-iger und 30-iger ...
Seitdem ich von Alex Beer "Der zweite Reiter" und die Serie "Babylon Berlin" gesehen habe, die auf dem Roman von Volker Kutscher basiert, liebe ich historische Krimis, die zwischen den 20-iger und 30-iger Jahre des letzten Jahrhunderts spielen. Egal, ob Wien, Berlin oder (wie in "Herbststurm" von Angelika Felenda) München der Handlungsort ist, die historischen Begebenheiten sind natürlich ähnlich. Und so habe ich mich ohne Vorwissen der ersten beiden Bände in den dritten Fall von Kommissar Reitmayer gestürzt...
Man kann diesen Krimi auch als Stand alone lesen, jedoch fehlte mir manchmal doch ein bisschen das Wissen der Vorgänger, vorallem aus dem privaten Bereich. Punkto Kriminalfall war es aber egal. Auch dieser historische Krimi lebt von der Atmosphäre der Zwanziger Jahre.
Die Inflation lässt Rechtsanwalt Sepp Leitner einen eher ungewöhnlichen Fall annehmen. Eine russische Emigrantin beauftragt ihn ihre verschwundene Tochter zu finden. Die Anzahlung in Dollar kann Sepp wirklich brauchen, denn die Mark verliert täglich an Wert. Als Anwalt sind ihm zwar mehr oder weniger die Hände gebunden, deswegen engagiert er einen Detektiv, der kurze Zeit später tot aufgefunden wird.
Im zweiten Handlungsstrang ermittelt Kommissar Reitmayer und sein junger Assistent Rattler am Mord zweier junger Männer. Beide waren einst Mitglieder eines Freikorps und wurden mit einer russischen Kriegswaffe erschossen. Die Ermittlungen gestalten sich deswegen relativ schwierig. Die Beziehungen des rechten Bundes "Treu-Oberland" geht bis in die höchsten politischen Etagen. Auch Reitmeyer verspürt einen rechten Druck bei der politischen Polizei und fühlt sich oftmals bei seinen Ermittlungen behindert. Doch er bleibt seinen Idealen treu. Sein Assistent Korbinian Rattler lernt hingegen im Laufe der Ermittlungen eine geheimnisvolle Baltin kennen, die ihm den Kopf verdreht. Dadurch steht er Reitmeyer nicht immer zu 100% zur Verfügung. Schon bald merken Leitner und Reitmayer, dass sie im selben Umkreis ermitteln.....
Der Auftrag, die verschwundene Russin zu finden, gerät im Laufe des Buches immer mehr in den Hintergrund. Auch andere eher lose Handlungsstränge werden nur kurz angerissen oder verlaufen wieder im Sand. Das fand ich schade, denn dadurch entstand etwas Verwirrung und die Geschichte wurde künstlich etwas in die Länge gezogen. Auf der anderen Seite hat die Autorin den Leser damit ganz schön oft aufs Glatteis geführt und man rätselte bis zum Ende mit, wer und was eigentlich hinter diesen Mordfällen stecken könnte.
Jedoch gelingt es Angelika Felenda perfekt die Atmosphäre dieser Zeit widerzuspiegeln. Die steigende Arbeitslosigkeit und der große Unterschied zwischen Arm und Reich, sowie die Not der Kriegsheimkehrer, die an den Folgen des großen Krieges leiden, lassen die Menschen nach Neuorientierungen suchen. Rechte Bünde werden immer populärer und selbst beim Lesen hat man Schwierigkeiten alle Bünde richtig zuzuordnen. Das Chaos und die Orientierungslosigkeit zwischen den beiden Weltkriegen wird sehr gut spürbar. Man muss hier doch sehr konzentriert lesen, doch der geschichtliche Hintergrund ist wirklich gelungen. Das Ende ist stimmig und alle offenen Fragen wurden geklärt.
Schreibstil:
Angelika Felendas Schreibstil ist intensiv, detailverliebt und sehr bildhaft. Die geschichtlichen Hintergründe sind hervorragend in den Krimi miteingewoben und die Atmosphäre wird wunderbar vermittelt.
Die Figuren sind bis zum letzten Nebencharakter sehr gut gezeichnet. Die Handlung selbst ist sehr komplex und hat mehrere Handlungsstränge.
Fazit:
Ein sehr komplexer Krimi, der die politische Atmosphäre und das Leben der Menschen in den 1922er Jahren großartig einfängt. Einige Dinge waren mir allerdings zu detailliert und einige Handlungsfäden verliefen im Sand. Trotzalledem mochte ich die Stimmung im Buch und kann ihn an Liebhaber historischer Krimis weiterempfehlen.