Waffenschwestern von Mark Lawrence ist mein erstes Buch des Autors. Dementsprechend war ich gespannt auf den Auftakt der Trilogie, zumal mich der Verlag mit seinem Programm noch nie enttäuscht hatte.
Das Buch startet mit einem sehr spannenden Prolog, der einen ratlos zurücklässt, vor allem mit der Frage im Kopf, wie er sich in die Geschichte einfügen wird. In diesem Buch wird der Prolog vor dem zweiten Teil des Buches und als Epilog weitergeführt, bildet also einen tollen Rahmen zur Haupthandlung. Ich liebe es, wenn sich im Laufe des Buches der Sinn, der Zusammenhang und die zeitliche Einordnung eines Prologs ergeben. Das gelingt dem Autor hier sehr gut, er schafft es, mich total zu überrumpeln. Im Präsens verfasst, heben sich Prolog, Zwischenteil und Epilog deutlich von den eigentlichen Kapiteln im Präteritum ab.
Das Buch ist dabei aus Sicht eines unbeteiligten Dritten geschrieben. Diese Erzählperspektive wurde vom Autor laut eigener Aussage zum ersten Mal gewählt und ist gut gelungen. Der personale Erzähler schildert das Geschehen aus der Sicht der Protagonistin Nona. Dabei verzichtet der Autor jedoch auf einen linearen Aufbau, die Erlebnisse Nonas werden durch sie selbst erzählt oder als Erinnerung vermittelt. Das schafft einen ungestörten Lesefluss, man erfährt jedoch nur häppchenweise, was alles geschehen ist. Denn mit ihren acht Jahren hat Nona mehr erlebt und erlitten als man sich vorstellen kann. Wir erfahren von ihrer Zeit im Käfig eines Menschenhändlers, wie sie sich als Ringkämpferin in einer Kampfhalle durchschlägt und wie es zu dem Schlüsselereignis kommt, auf das der Klappentext hinweist: der begangene Mord. Schließlich, gerettet vor ihrem frühen Ende am Galgen, landet sie im Kloster zur süßen Gnade, in dem die dort aufgenommenen Schülerinnen, genannt Novizinnen, zu Nonnen ausgebildet werden. Wer hier allerdings an die klassische Nonne denkt, ist völlig fehl am Platz. Lawrence‘ Nonnen sind Kämpferinnen, Magierinnen, Giftmischerinnen. Neben dieser tollen Idee, schaffen auch der Aufbau der Welt und ihrer Magie, die Strukturen des Klosters, der Ablauf der Ausbildung der Novizinnen und die unterschiedlichen Stämme der Menschen eine unglaublich komplexe Szenerie, die sich erst im Laufe des Buches erschließt. Anfangs sind die Begrifflichkeiten etwas verwirrend, man erhält aber relativ schnell einen guten Durchblick, wobei das Glossar am Ende des Buches wirklich eine gute Hilfestellung leistet.
„Menschen lügen, Nona, sie stehlen, sie betrügen, sie sind treulos. Menschen verletzen dich, lassen dich im Stich. Sie verkaufen dich.“
Nona ist eine starke Protagonistin, die einerseits sehr naiv ist, sich aber andererseits für Ungerechtigkeiten einsetzt und für ihre Meinung einsteht. Dabei ist sie oft vorlaut und redet, ohne nachzudenken. Bei solchen Gelegenheiten merkt man, dass sie noch ein Kind ist. Denn genau das vergisst man beim Lesen schnell, auch wenn man aufgrund ihrer Unwissenheit, die definitiv dem Alter geschuldet ist, doch oft daran erinnert wird. Ich kann mich nicht entsinnen, je ein Buch mit einer so jungen Hauptfigur gelesen zu haben. Und mit einer derart interessanten und vielschichtigen Hauptfigur noch dazu, die eine große Entwicklung durchläuft und sich dem Leser nie vollkommen erschließt. Entrissen aus ihrem Zuhause, findet sie im Kloster Freunde, Verbündete, Feinde – und eine neue Heimat. Erst dort lernt sie, dass nicht alle Menschen so sind wie sie und selbst ihre Freundinnen ein Rätsel für sie bleiben. Selbst wenn sie dachte, sie zu kennen. Ja, Freundschaft, Loyalität und auch Verrat sind große Themen im ersten Buch des Ahnen, doch selbst Religion und Politik machen keinen Halt vor dem Kloster und stellen die Novizinnen und Nonnen vor große Herausforderungen.
Doch nicht nur Nona ist ein ungemein fesselnder Charakter, auch einige ihrer Mitschülerinnen und vor allem die Nonnen sind vom Autor außerordentlich reizvoll gezeichnet worden. Deshalb ist Waffenschwestern eines der besten Bücher, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Weil die Details so atemberaubend sind, so intensiv und in jede Figur so viel Arbeit gesteckt wurde, um sie dem Leser zu präsentieren. Weil die Welt einzigartig ist, die Geschichte spannend, brutal und düster. Anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Ich freue mich unglaublich auf den zweiten Teil Klingentänzer, der am 26. Juni 2019 erscheinen wird.
„Aber sei gewarnt, junge Nona: Ein Buch ist genauso gefährlich wie jede Reise, auf die du dich begibst. Die Person, die es nach der letzten Seite schließt, ist womöglich nicht mehr dieselbe, die es aufgeschlagen hat.“