Da ich die „Selection“-Reihe nun erst lese, wo sie schon längst abgeschlossen ist, wusste ich natürlich, dass es nach dem Abschluss der Liebesgeschichte von America und Maxon noch mit ihrer Tochter Eadlyn weitergehen würde. Das hat mich zum einen sehr gefreut, weil ich es immer großartig finde, wenn man liebgewonnenen Charaktere auch Jahre später noch einmal wiederbegegnet, aber andererseits war ich besorgt, da ich doch viele Leserstimmen verfolgt habe, die mit Eadlyn nicht so viel anfangen konnten.
Ich persönlich habe mich aber wunderbar mit Eadlyn identifizieren können, weil ich selbst eher eine Persönlichkeit bin, der ihre Eigenständigkeit sehr wichtig ist und die doch sehr ängstlich ist, sich zu öffnen, weil man ja verletzt werden könnte. Normalerweise mag man ja anderen Leuten das nicht, was man auch an sich selbst nicht mag, aber ich fand ihr Gefühlsleben so authentisch dargestellt, dass ich mit ihr mitleiden konnte. Zudem fand ich es nicht richtig, dass sie oftmals als verwöhnt dargestellt wurde. Sie mag gerne Kleider tragen und sich chic machen und manchmal fehlt ihr vielleicht auch die Weitsicht für das Leben außerhalb des Palasts, aber das empfinde ich als den Umständen geschuldet, da sie ansonsten immer wieder Herz, Familiensinn und Intuition beweist. Es hat mir auch insgesamt gefallen, ihre Geschwister kennenzulernen und eben die Charaktere aus den ersten drei Bänden wiederzusehen. Es wirkte echt wie zuhause.
Schon in den ersten drei Bänden ist mir sehr stark aufgefallen, dass es nicht zu den Stärken von Kiera Cass gehört, dass sie Gesellschaftssysteme auf einem hohen Niveau kritisieren kann und daher eine sinnvolle Revolution und Umstürzgedanken in die Welt setzen kann. Das fällt in „Die Kronprinzession“ noch mehr auf, da diesmal jeder revolutionäre Gedanken außen vorgelassen wird. Nicht etwa, weil alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, nein, das Abschaffen der Kasten hat nicht auf ewig den Frieden gebracht, der erhofft war. Doch statt nach neuen Lösungen zu suchen, beschließen Maxon und America, dass ihre Tochter wie sie ein Casting erhält, um die Bevölkerung abzulenken. Das finde ich als Botschaft doch sehr erschreckend und passt in meinen Augen auch nicht zu dem, wofür America und Maxon für mich stehen. Daher habe ich das Fazit gezogen, dass ich das heftig kritisiere, aber ich konnte es dennoch ausblenden, da die Geschichte ja dennoch irgendwie funktioniert. Und es ist ja nicht so, als ob Cass das nicht zuvor schon bewiesen hat, dass sie es nicht wirklich kann.
Bei dem Casting selbst hat mir nun gefallen, dass es mit den Kandidaten wirklich so offen ist. Natürlich bin ich ein Fan von dieser einen wahren Liebesgeschichte, aber mir gefällt es trotzdem, dass hier alles so offen ist, dass es mehrere potenzielle Männer gibt, wo man sich denkt, ach, das wäre doch nett. Denn das sorgt für einen besonderen Reiz. Niemand kann sich sicher sein, alles kann passieren und so muss man den finalen Band einfach lesen. Zudem hat die Geschichte durch Eadlyns Wesen und die Unsicherheit, wer es wohl wird, auch einen ganz anderen Charakter als Maxon und America es hatten. Man hat nicht das Gefühl, noch einmal dasselbe zu lesen. Zudem ist es abwechslungsreich, dass man die Geschichte diesmal durch die Augen der Auswählenden und nicht der Auserwählten erzählt bekommt. Tatsächlich gefällt mir das dargestellte Casting so fast noch besser.
Fazit: Nach doch einigen skeptischen Einschätzungen bin ich überrascht, wie gut „Die Kronprinzessin“ mir gefallen hat. Weiterhin kann Cass vielleicht keine Gesellschaftskritik, aber ansonsten ist der ganze Castingprozess abwechslungsreich und sehr spannend inszeniert. Man kann nicht absehen, wer am Ende Eadlyns Herz erobern wird, vielleicht auch keiner und das macht für mich den größten Reiz aus.