Rheinbach 1668: Die Tuchhändlertochter Madlen Thynen ist Peter von Werdt versprochen, mit Lucas Cuchenheim verbindet sie eine lange Freundschaft, die sich beweist, als Lucas unter einem schweren Vorwurf inhaftiert wird. Fünf Jahre später steht Madlen kurz vor ihrer Heirat mit Peter, der erst kürzlich nach seinem Militärdienst wieder nach Hause gekommen ist. Und auch Lucas kehrt zurück und löst in Madlen sonderbare Gefühle aus.
Neben Madlens persönlichen Problemen macht sie sich auch Gedanken um ihren Heimatort. Dass im Land Krieg herrscht, hat sie schon daran bemerkt, dass benötigte Waren ausblieben, doch nun naht sich der Feind Rheinbach, und im Ort soll es auch noch einen Verräter geben.
Eine Frau zwischen zwei Männern – dahinter könnte sich eine kitschige Liebesgeschichte verbergen – tut es hier aber nicht, denn Petra Schier hat ein Händchen für nachvollziehbare und authentische Geschichten dieser Art. Sie schafft es schnell, dass auch der Leser, ähnlich der Protagonistin, nicht mehr weiß, welcher der beiden Männer der richtige sein könnte. War ich z. B. zunächst absolut dafür, dass Madlen Peter heiratet, ergaben sich nach und nach auch Argumente dafür, dass Lucas der Richtige für sie sein könnte. Hatte ich zunächst noch gehofft, dass Lucas Madlen nicht umstimmen könnte, dass sie treu zu Peter halten würde, war ich mir irgendwann gar nicht mehr sicher, dass sie das sollte, genau wie es auch Madlen fühlte. Dass Petra Schier das alles ohne jeglichen Kitsch gelungen ist, ist eine Kunst für sich.
Viel dazu bei tragen die gelungenen Charaktere, allen voran Madlen, die, seitdem ihr Vater einen schweren Unfall hatte, diesem im Kontor hilft und den Tuchhandel nahezu alleine managt. Das tut sie ausgesprochen gut, ihr scheint das Händlergen in die Wiege gelegt worden zu sein. Auch sonst ist sie patent, klug und mutig. Auch die beiden jungen Männer in ihrem Leben sind der Autorin gut gelungen, beide sind ambivalent gezeichnet, mit guten, aber auch weniger guten Seiten, die den Leser auch einmal an ihnen zweifeln lassen. Einer meiner Lieblingscharaktere ist aber Madlens Vater, der seiner Zeit voraus, vor allem an das Lebensglück seiner Tochter denkt, und sie daher ihre Entscheidungen alleine treffen lässt – ein wunderbarer Charakter, um den ich gegen Ende des Romans fast am meisten gebangt habe.
Gegen Ende wird der Roman nämlich sehr spannend, und entwickelt sich spätestens dann zum Pageturner. Durch Petra Schiers flüssigem Erzählstil lässt er sich aber schon vorher nur schwer aus der Hand legen. Die Autorin zieht einen sehr schnell in ihre Geschichte hinein, so dass man fast das Gefühl hat, die Charakter persönlich zu kennen, und selbst dabei zu sein. Am Ende verlässt man sie ungern, weswegen ich es gut finde, dass man noch einen kleinen Einblichk in die Zukunft erhält, im Epilog, der 2 Jahre nach den letzten Ereignissen spielt, erfährt man, wie es mit Peter, Madlen und Lucas weiterging und ob sie glücklich wurden.
Sehr gelungen ist die Verquickung der individuellen Lebensgeschichten mit den tatsächlichen historischen Ereignissen, über die historischen Hintergründe berichtet die Autorin im Nachwort mehr, dort erzählt sie auch, warum sie diesen Roman geschrieben hat. Wer übrigens Petra Schiers anderen Rheinbach-Roman kennt, wird in „Flammen und Seide“ einen bekannten Namen lesen, ich finde es schön, wenn Romane so eine kleine Verbindung untereinander erhalten. Weitere Boni sind eine Karte und eine Zeichnung Rheinbachs sowie ein Personenverzeichnis und ein Glossar zum Brauchtum in Rheinbach (es vor der Lektüre des Romans zu lesen, würde ich empfehlen, dann muss man sich nicht den Kopf zerbrechen, was mit „Reih“ oder „Schlutgehen“ gemeint ist).
Petra Schier ist wieder ein sehr lesenswerter historischer Roman gelungen, der gut recherchiert und unterhaltsam eine spannende Geschichte erzählt, bei der der Leser emotional mit eingebunden wird. Volle Punktzahl und eine Leseempfehlung!