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Veröffentlicht am 27.01.2019

"Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein." (Mahatma Ghandi)

Die Farben des Feuers
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1927 Paris. Als ihr Vater, der angesehene und berühmte französische Bankier Marcel Péricourt, stirbt, erbt Tochter Madeleine, deren Exmann im Gefängnis sitzt, das von ihm hinterlassene Bankenimperium. ...

1927 Paris. Als ihr Vater, der angesehene und berühmte französische Bankier Marcel Péricourt, stirbt, erbt Tochter Madeleine, deren Exmann im Gefängnis sitzt, das von ihm hinterlassene Bankenimperium. Während der Trauerzug, an dem die gesamte Elite der französischen Gesellschaft und sogar der Präsident der Republik teilnehmen, an der Villa der Péricourts vorbeizieht, fällt Madeleines siebenjähriger Sohn Paul aus dem oberen Stockwerk auf den Sarg seines Großvaters und ist fortan querschnittsgelähmt. Madeleine hat alle Hände voll zu tun, sich um ihren kleinen Sohn und dessen Betreuung kümmern, so dass andere die Möglichkeit haben, sich auf ihre Kosten zu bereichern und ihr Vermögen sowie das der Bank zu veruntreuen. Als Madeleine dahinter kommt, wer sie so schamlos hintergangen und die Bank in den Ruin getrieben hat, schmiedet sie einen Racheplan, den sie auch auszuführen gedenkt…
Pierre Lemaitre hat mit seinem Buch „Die Farben des Feuers“ einen besonders treffenden Titel für seinen Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund gewählt. Sein Erzählstil ist anspruchsvoll, detailreich und bildgewaltig, der Leser versinkt in einer Pariser Zeit zwischen zwei Weltkriegen, wo Frauen noch als nicht geschäftsfähig angesehen wurden und eine leichte Beute für Männer waren, die vor nichts zurückschreckten, um Macht und Geld durch Intrigen und Verschwörungen an sich zu bringen. Durch gekonnt wechselnde Perspektiven gibt Lemaitre dem Leser die Möglichkeit, die Geschichte von allen Seiten und durch viele Augen zu beleuchten, um ein vollständiges Bild zu erhalten und gleichzeitig die damalige Atmosphäre widerzuspiegeln. Dazu gehören auch die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergründe, die Lemaitre wunderbar recherchiert und mit seiner Handlung verwoben hat. Schöne Dialoge und auch eine gewisse Situationskomik machen die Geschichte lebhaft und reizvoll.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgestaltet, jeder mit einer eigenen Persönlichkeit und den benötigten Ecken und Kanten, die sie so individuell wie authentisch wirken lassen und dem Leser die nötige Spanne fürs Mitfiebern und Mitleiden geben. Madeleine ist mit Leib und Seele Mutter, ihrem Sohn gehört ihre ganze Aufmerksamkeit und Sorge. Das mag für viele naiv wirken, doch verkennt man sie da völlig. In einer der dunkelsten Stunden reißt sie sich zusammen und tritt mit einer Stärke und Intelligenz daraus hervor, dass einem angst und bange werden kann. Man möchte sie auf keinen Fall zum Feind haben. Andere unterschätzen sie völlig und sind drauf und dran, in ihre Falle zu tappen. Gustave Joubert ist ein Mann, der jahrelang im Hintergrund agierte und nun seine Stunde gekommen sieht. Er will auch mal an der Macht und dem Geld schnuppern, möchte auch jemand sein. Das wird ihm irgendwann zum Verhängnis. Vladi ist das polnische Kindermädchen, das zwar kein Wort Französisch spricht, aber für die Familie alles tut. Auch die weiteren Protagonisten sind schön gezeichnet und beleben die Handlung durch ihr Erscheinen.
„Die Farben des Feuers“ ist ein rundum gelungener wunderbarer Gesellschaftsroman vor historischem Hintergrund mit spannender Handlung und anspruchsvoller Sprache. Ein literarisches Meisterwerk, das jede erdenkliche Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 26.01.2019

Vergebung

Die Sünden aus der Vergangenheit
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Spät am Abend erwischt Park Ranger Griffin McGray, der früher als Scharfschütze bei einer polizeilichen Spezialeinheit war, zwei Männer bei dem Versuch, ein Grab auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Gettysburg ...

Spät am Abend erwischt Park Ranger Griffin McGray, der früher als Scharfschütze bei einer polizeilichen Spezialeinheit war, zwei Männer bei dem Versuch, ein Grab auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Gettysburg zu schänden. Dabei wird eine Leiche gefunden, die noch nicht so lange dort vergraben war. Deshalb kontaktiert Griffin die forensische Anthropologin Dr. Finley Scott, die die Tote untersucht und schnell eine Einschusswunde findet, die von einem Scharfschützen verursacht wurde. Griffin trommelt seine alten Freunde, den Gerichtsmediziner Parker Mitchell und den FBI-Agenten Declan Gray, zusammen, um mit ihm diesen Fall zu untersuchen und aufzuklären. Allerdings lässt sich auch Finley nicht davon abhalten, bei der Spurensuche dabei zu sein. Doch schnell wird allen klar, dass der Mörder noch in der Nähe ist und nun sie alle im Visier hat, denn er möchte nicht, dass seine Identität offenbart wird…
Dani Pettrey hat mit ihrem Buch „Die Sünden der Vergangenheit“ den ersten Roman ihrer neuen Baltimore-Serie vorgelegt. Mit flüssigem und fesselndem Erzählstil zieht die Autorin den Leser schnell in ihre Geschichte hinein, während die Seiten nur so dahinfliegen. Durch die ständigen Perspektivwechsel erhält der Leser die Möglichkeit, alle Protagonisten gut kennenzulernen und ihre Gefühle und Gedanken zu erfahren. Die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den Freunden sind genauso interessant wie das Entspinnen romantischer Bande zwischen einigen von ihnen, was wie eine gewisse Auflockerung zu den Ermittlungen erscheint. Das Besondere in dieser Geschichte ist allerdings auch, dass die Täterseite ebenfalls in kurzen Sequenzen zu Wort kommt, aber bis zum Ende für den Leser unsichtbar bleibt. Ebenso ist die Spurensuche über die Identität der Toten sowie die Beweggründe für den Mord eine interessante Angelegenheit. Erst nach und nach setzen sich die gefundenen Antworten wie ein Puzzle zusammen und ergeben ein Gesamtbild. Die Spannung ist von Beginn an auf hohem Niveau und schraubt sich im Verlauf der Handlung immer weiter in die Höhe.
Der christliche Glaube ist in diesem Buch ein großes Thema, denn zentral um Hoffnung und Vergebung. Die eingestreuten kleinen Gebete sind von alltäglicher Natur, spiegeln aber auch das Seelenleben des einzelnen wieder und kommen dem Leser doch bekannt vor aufgrund eigener Erlebnisse. Dass der Glaube und die Gebete auch verbinden können, zeigt sich in diesem Buch auf wunderschöne Weise.
Die Charaktere sind sehr lebensecht ausgearbeitet und bestehen aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften, die den Leser seine Sympathien gerecht verteilen lassen und ein Mitfiebern und Mitbangen möglich machen. Griff ist eine interessante Persönlichkeit, verschwiegen und fast schon unnahbar, dabei hat er sich nur einen Schutzwall aufgebaut, um nicht verletzt zu werden. Finley hat eine traumatische Erfahrung hinter sich, die ihr Leben immer noch stark beeinflusst. Declan wirkt zwar wie ein trockener FBi-Stratege, insgeheim besitzt er aber ein Herz und ist ein guter Freund. Parker ist der coole Teufelskerl, der immer einen Scherz auf den Lippen hat, derweil er innerlich noch immer unter dem Zerwürfnis mit seinem besten Freund leidet und sich selbst die Schuld gibt. Avery ist eine geheimnisvolle Frau, die tolle Fotos macht und doch nichts von sich preis gibt. Ebenso überzeugen die weiteren Protagonisten, von denen der eine oder andere sicherlich im weiteren Verlauf der Serie eine besondere Rolle einnehmen wird.
„Die Sünden der Vergangenheit“ ist ein spannender Kriminalroman, der auch Romantik und Freundschaft in sich vereint. Der Titel ist nicht nur für diese Handlung Programm, sondern trifft auch den Nagel auf den Kopf, was die Beziehungen der einzelnen untereinander betrifft. Ein toller Pageturner, der jede Leseminute wert ist!

Veröffentlicht am 26.01.2019

Ein Stück Zeitgeschichte hautnah miterleben

Wir nannten es Freiheit
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1916. Lene Lehmann wuchs allein bei ihrer liebevollen Mutter in Berlin-Schöneberg auf, die als Witwe gezwungen ist, sie beide mit harter Arbeit als Putzfrau bei einer gutbetuchten Adelsfamilie durchzubringen. ...

1916. Lene Lehmann wuchs allein bei ihrer liebevollen Mutter in Berlin-Schöneberg auf, die als Witwe gezwungen ist, sie beide mit harter Arbeit als Putzfrau bei einer gutbetuchten Adelsfamilie durchzubringen. Gerade diese Familie gibt Lene die Chance, ein Gymnasium zu besuchen und sich danach als Lehrerin für die Fächer Zeichnen, Deutsch und Handarbeiten ausbilden zu lassen. Da viele Lehrer während des Krieges gefallen sind oder noch an der Front dienen und an allen Ecken und Enden Lehrkräfte fehlen, bekommt Lene die Möglichkeit, als Lehrerin an einer Volksschule für Mädchen Unterricht zu geben. Gleichzeitig bekommt Lenes Verlobter Paul Kruse seine Einberufung für den Frontdient. Bei seiner Rückkehr wollen die beiden heiraten, doch Paul wird nicht nur verwundet, sondern ist durch die Erfahrungen an der Front ein anderer geworden. Gedanken an die geplante Heirat plagen Lene, denn Frauen dürfen nach der Hochzeit nicht mehr als Lehrerin arbeiten. So will es das sogenannte Lehrerinnenzölibat. Aber Lene liebt ihre Arbeit und möchte unbedingt weiter unterrichten. Da sie aber auch heiraten möchte, sieht sie sich gezwungen, sich mit anderen Frauen zusammenzutun, denen es ebenso geht wie ihr und gegen das Lehrerinnenzölibat aufzubegehren…
Silke Schütze hat mit ihrem Buch „Wir nannten es Freiheit“ einen sehr tiefgründigen und packenden historischen Roman vorgelegt, der die gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensanschauungen des vergangenen Jahrhunderts sehr genau veranschaulicht und dem Leser das Gefühl gibt, während der Lektüre alles hautnah mitzuerleben. Die Autorin ist mit ihrem sehr eingängigen Schreibstil am Puls der Zeit und gibt einen guten Abriss über die Rolle der Frau vor 100 Jahren. Die beinhaltete Heirat, Kinder und Familienleben oder aber alleinstehend und berufstätig. Beides gemeinsam wurde Frauen zur damaligen Zeit nicht zugetraut, ebenso waren sie nicht mündig, sondern oftmals abhängig von den Entscheidungen ihrer Ehemänner oder ihrer Väter. Dazu kam, dass Frauen für die gleiche Arbeit viel weniger Lohn bekamen als die Männer, was zum großen Teil leider heutzutage ja auch noch gilt. Zudem zeigt die Autorin auf, wie schwer die einfache Bevölkerung es während des Krieges hatte, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen bzw. sich die rationierten Lebensmittel kaufen zu können. Einzig der wohlhabende Teil der Bevölkerung war in der Lage, sich alles leisten zu können. Sehr engagiert und ausführlich lässt die Autorin den Leser teilhaben an dem Zusammenschluss der Frauen und ihren Kampf für Gleichberechtigung, Aufhebung des Lehrerinnenzölibats sowie das Frauenwahlrecht. Die engstirnige Sicht des Schulleiters Frambosius wird ebenso dargelegt und lässt einen als Leser nur den Kopf schütteln über die damals herrschenden Ansichten.
Die Charaktere sind außerordentlich gut ausgeformt, die meisten nehmen den Leser schnell für sich ein, denn sie besitzen individuelle Eigenschaften und vor allem wirken sie lebendig, was ein Mitfühlen und Mitfiebern leicht macht. Lene ist eine Frau, die allein von ihrer Mutter fürsorglich erzogen wurde. Mit ihrer guten Ausbildung hat sie sich auch Selbstbewusstsein angeeignet, denn sie weiß, was sie kann und auch, was sie will. Lene ist nicht auf den Mund gefallen und sagt, was sie denkt. Sie will sich die von der Gesellschaft auferlegten Auflagen nicht gefallen lassen und wehrt sich gegen Ungerechtigkeit. Paul ist Lenes Verlobter, der sich durch seinen Kriegseinsatz allerdings sehr verändert hat. Trotzdem hält Lene aus Liebe an ihm fest. Ferdinand von dem Hofe stammt aus reicher Familie und eröffnet Lene eine völlig andere Welt. Frambosius ist ein egoistischer und selbstgefälliger Mann seiner Zeit, der sich dem Fortschritt verschließt und Frauen lieben als Menschen zweiter Klasse sieht. Alexander Dominicus war einst Oberbürgermeister in Schöneberg und ist mit seinen Gedanken der damaligen Gesellschaft weit voraus, da er sich für die Frauen und ihre Belange einsetzt.
„Wir nannten es Freiheit“ ist ein wunderbares Abbild über die Zustände, die 1916 in Berlin herrschten. Nicht nur die gesellschaftliche und politische Lage wird thematisiert, sondern gibt einen guten Rundumblick über das alltägliche Leben der Bevölkerung. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frauen gelegt, die damals aufgestanden sind, um für ihre Rechte zu kämpfen. Einfach ein tolles Stück Zeitgeschichte und jede Leseminute wert!

Veröffentlicht am 19.01.2019

Die WG der Gestrandeten

Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende
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Ihren untreuen Ehemann mag Julia nicht mehr ertragen, packt kurzerhand ihre Sachen und verlässt ihn. Aber sie muss irgendwo unterkommen, doch die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, deshalb nimmt sie ...

Ihren untreuen Ehemann mag Julia nicht mehr ertragen, packt kurzerhand ihre Sachen und verlässt ihn. Aber sie muss irgendwo unterkommen, doch die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, deshalb nimmt sie ein ungewöhnliches Angebot ein. Sie darf in einem großen herrschaftlichen Haus residieren, dafür ist es ihre Aufgabe, sich jeden Tag um die Komapatientin Frau Smit zu kümmern, die in einem Krankenhaus liegt und diese pflegen und bewegen. Der Haken an der Sache entpuppt sich schnell in Form der skurrilen Bewohner, die das von ihr bewohnte Haus frequentieren bzw. ebenfalls darin wohnen. Während eine Friseurin ihr Handwerk schwarz dort ausübt, gibt es auch noch einen schwermütigen Gärtner und einen Händler für den besonderen Konsum, von dem die alte Frau Smit immer ihren Tee bezogen hat. Aber auch ein junges Mädchen erweckt Julias Aufmerksamkeit, und sie nimmt sich ihrer an. Schnell entwickelt sich eine ungewöhnliche WG, die gemeinsam einige Höhen und Tiefen erlebt…
Mirjam Oldenhave hat mit ihrem Buch „Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende“ einen sehr unterhaltsamen und gleichzeitig gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser sowohl mit einem wunderbaren Erzählstil als auch mit einem schönen Sinn für Humor von der ersten Seite an verzaubert. Feinsinnig und mit einer guten Beobachtungsgabe lässt die Autorin den Leser auf ihre Protagonisten treffen, die sich durch ihre vielfältigen Eigenheiten schnell sein Herz erobern und sich als unsichtbarer Beobachter und Teil dieser kleinen ungewöhnlichen Gemeinschaft fühlen lassen. Interessant sind die einzelnen Schicksale, die wunderbar geschildert und immer mit einem kleinen Augenzwinkern versehen sind, wobei man die Ernsthaftigkeit der Themen wie Misshandlung, Krankheit, Altwerden, Pflege sowie Betrug nicht außer Acht lässt. Durch geschickte Wendungen baut die Autorin Spannung auf und lässt ihre Protagonisten eine Achterbahn der Gefühle erleben, die auch beim Leser ankommt.
Liebevoll ausgestaltete Charaktere sprühen voller Leben und geben dem Leser den Eindruck, als würden sie gleich nebenan wohnen. Die wunderbar zusammengewürfelte Gemeinschaft ist bunt und vielfältig in ihren Eigenschaften, alle sehr individuell und gleichzeitig realitätsnah, der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, mit ihnen fühlen, leiden, hoffen und bangen. Hauptsächlich geht es um Julia, die der Leser auf Schritt und Tritt verfolgt. Julia ist eine Frau, die endlich genug hat von ihrem Ehemann. Bisher ist es ihr nicht gelungen, sich völlig von ihm zu lösen, denn der weiß genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken muss, um sie wieder umzustimmen. Sie verordnet sich Stärke und Mut, um den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Julia ist hilfsbereit, mitfühlend und gutmütig. Sie setzt sich für andere ein und hat am Ende auf einmal ganz neue Freunde, die sie sich ehrlicherweise „in einem anderen Leben“ wahrscheinlich nicht ausgesucht hätte. Doch gerade diese Freunde werden ihre neue kleine Familie, mit denen sie sich wohlfühlt und die füreinander einstehen. Ob der Gärtner, das junge Mädchen oder auch die Friseurin oder der Dealer – alle sind einzigartig und machen die Geschichte zu einem wahren Genuss.
„Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende“ ist ein wunderschöner Roman über eine zufällige Zweckgemeinschaft, die am Ende wie eine Familie zusammenwächst, um sich den Widrigkeiten entgegen zu stellen. Toll erzählt und mit einem feinen Sinn für Humor, so dass die Lesezeit leider wie im Flug vergeht! Bitte mehr davon! Absolute Leseempfehlung für eine echte Entdeckung!

Veröffentlicht am 13.01.2019

Friedas Lebensträume

Die Villa an der Elbchaussee
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1919 Hamburg. Die 17-jährige Frieda Hannemann lebt mit ihrer wohlbetuchten Familie in der Hansestadt, wo diese das Handelskontor Hannemann & Tietz für Kakao führt. Der Erste Weltkrieg ist gerade erst beendet, ...

1919 Hamburg. Die 17-jährige Frieda Hannemann lebt mit ihrer wohlbetuchten Familie in der Hansestadt, wo diese das Handelskontor Hannemann & Tietz für Kakao führt. Der Erste Weltkrieg ist gerade erst beendet, und Deutschland leidet noch immer unter den Folgen, es gibt kaum etwas zu kaufen und die politische Lage ist noch immer nicht stabil, das bekommt auch das Kontor Hannemann zu spüren. Friedas Bruder Hans hat den Krieg zwar überlebt, ist aber nicht mehr er selbst, so dass es fraglich ist, ob er jemals das Kontor übernehmen kann. Frieda dagegen würde liebend gern das elterliche Unternehmen übernehmen und hat schon einige Ideen, den Betrieb voran zu bringen und auszubauen. Allerdings denken ihre Eltern eher daran, sie reich zu verheiraten, damit die finanzielle Lage des Kontors gesichert ist. Doch Frieda steht nicht der Sinn nach Ehe und Kindern mit einem Mann, den sie nicht liebt, sondern eher nach Unternehmergeist und Erfüllung ihrer Träume…
Lena Johannson hat mit ihrem Buch „Die Villa an der Elbchaussee“ einen wunderbaren und gefühlvollen historischen Grundstein für eine Buchreihe um eine Schokoladen-Dynastie vorgelegt, der den Leser neugierig zurück und auf die weiteren Bände hoffen lässt. Der Schreibstil ist flüssig, bildreich und gefühlvoll, der Leser wird regelrecht in die Seiten hineingesaugt und kann sich von dem Buch nur sehr schwer lösen. Sehr gekonnt werden die einzelnen Charaktere von der Autorin vorgestellt und in Beziehung miteinander gesetzt, was dem Leser erst einmal einiges an Aufmerksamkeit abverlangt, aber lohnenswert ist. Die Beschreibungen der Örtlichkeiten um die historische Hamburger Speicherstadt sind sehr detailliert, so dass sich der Leser während der Lektüre alles wunderbar vorstellen kann, sofern er Hamburg noch nicht kennt, andernfalls fühlt er sich wie auf einem Stadtrundgang um ein Jahrhundert zurückversetzt. Auch die damaligen gesellschaftlichen Strukturen sowie die Rolle der Frau werden thematisiert und geben dem Leser einen Einblick, wie sehr das Leben der Frauen von jeher durch die Eltern vorbestimmt war und sie meist keine Möglichkeit hatten, deren Wünschen zu entkommen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet, ihnen wurde regelrecht Leben eingehaucht. Sie alle besitzen Ecken und Kanten und wirken aufgrund deren Individualität sehr authentisch und lebendig. Der Leser kann seine Sympathien gleichmäßig verteilen und mit ihnen fiebern, denn die Emotionen kommen hier ebenfalls nicht zu kurz. Frieda jedoch überstrahlt alle, sie ist zwar noch eine sehr junge Frau, doch sie besticht durch ihre Liebe zum Familienbetrieb und ihren Ideenreichtum. Sie wirkt ausgesprochen kraftvoll und strahlt eine Stärke aus, die man bei einer so jungen Frau nicht vermutet. Frieda möchte sich ihre Träume erfüllen und scheut nicht davor zurück, sich nicht nur dem elterlichen Willen zu widersetzen, sondern auch der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Sie ist willensstark und eine Kämpferin, was bei ihrem Vorhaben unbedingt erforderlich ist. Aber auch sie muss einiges an Schicksalsschlägen ertragen, wobei man als Leser hofft, dass ihr Optimismus dabei nicht auf der Strecke bleibt.
„Die Villa an der Elbchaussee“ ist ein wirklich gelungener Auftaktroman, der sowohl eine interessante Familiengeschichte in sich birgt als auch den Kampf einer jungen Frau für die Erfüllung ihrer Träume. Eine wunderbare Lektüre, dessen Fortsetzung hoffentlich nicht so lange auf sich warten lässt. Absolut verdiente Leseempfehlung!