Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.01.2019

Qualitätsjournalismus gegen Fake-News

Reporter
0

Seymour M. Hersh ist DER amerikanische Enthüllungsjournalist. Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, „Es gab noch nie einen Präsidenten, der mich leiden konnte. Ich nehme das als Kompliment.“

Nun ...

Seymour M. Hersh ist DER amerikanische Enthüllungsjournalist. Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, „Es gab noch nie einen Präsidenten, der mich leiden konnte. Ich nehme das als Kompliment.“

Nun hat er mit diesem Buch eine Art Memoiren vorgelegt, in dem er seinen Werdegang als Sohn einer jüdischen Familie zu eben jenem Journalisten erzählt, vor dem eine Menge Leute zittern mussten. Dabei geht er mit vielen Präsidenten Amerikas hart ins Gericht. Er berichtet aus dem reichen Schatz an Reportagen über verlogene, gefälschte und verschwiegene Machenschaften aus und im Weißen Haus. Er erzählt über seine Arbeitsweise und gibt tiefe Einblicke in seine großen Reportagen: über Kissinger, die Mafia-Connections der Kennedys bis zu den Hintergründen der Massaker von Vietnam. Von Militärs, die tausende Soldaten im Vietnamkrieg opfern und Untersuchungen behindern.

Hersh gilt als unbestechlicher Journalist, der sich nichts und niemandem beugt. Nicht alles, was er erfahren hat und weiß, gibt er preis. Er schützt seine Informanten. Damit vermasselt er sich einige Male eine Karriere bei diversen Zeitungen. Allerdings nimmt er dies in Kauf, um weiter als Enthüllungsjournalist arbeiten zu können.

Hersh macht sich auch Gedanken, wohin sich der Journalismus entwickelt. In Zeiten der Rund-um-die-Uhr-Nachrichten werden Berichte und Stories häufig nur mehr oberflächlich oder gar nicht geprüft. Es scheint al wären die „goldenen Zeiten“ des Enthüllungsjournalismus vorbei. Redaktionen scheuen die Kosten für ordentliche Recherchen und fürchten juristische Schritte.

Meine Meinung:

Mit seinem ungeheuren Wissen über die Zusammenhänge in der großen Weltpolitik und der etwas kleineren des Journalismus, bringt uns der Autor die Zahlen, Daten und Fakten der Reportagen näher. Hersh verkörpert wie kein anderer die „vierte Macht im Staat“. Seine kritischen Fragen haben reihenweise Politiker ins Schwitzen gebracht und manche vor den Kadi.

Wir erhalten in diesem Buch viele persönliche Einblicke in Leben und Arbeit des berühmten Investigativ-Journalisten und spannende Hintergrundinformationen und pointierte Anekdoten. Seymour Hersh gibt mit diesem Buch, das eine Pflichtlektüre für alle Journalismus-Studenten und angehende Reporter sein muss, ein glühendes Bekenntnis zur Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus.

„Ich war immer der Ansicht, einer Zeitung ginge es darum, die Wahrheit herauszufinden, und nicht lediglich über die Diskussionen darüber zu berichten.“

Fazit:

Ein Buch, das man vor allem in Zeiten wie diesen, unbedingt lesen muss „Qualitäts-Journalismus im Kampf gegen Fake News und Populismus“. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 24.01.2019

Müßiggang ist nicht Faulheit

Die Welt des Dr. Hohenadl
0

Dr. Hohenadl ist einer von drei Brüdern, die aufgrund des familiären Reichtums finanziell unabhängig sind und dem Müßiggang frönen können. Doch so richtig glücklich ist er nicht, im Gegenteil, er wird ...

Dr. Hohenadl ist einer von drei Brüdern, die aufgrund des familiären Reichtums finanziell unabhängig sind und dem Müßiggang frönen können. Doch so richtig glücklich ist er nicht, im Gegenteil, er wird von Existenzängsten geplagt. Er dreht jeden Euro mehrmals um, bevor er ihn ausgibt, lebt sparsam um nicht zu sagen geizig. Neben diesen Überlegungen ist Dr. Hohenadl noch zusätzlich im Korsett der Konventionen gefangen. Mit Frauen hat er kein Glück, kreisen doch seine Gedanken doch immer wieder darum, wie verschwenderisch eine Partnerin sein könnte.

Plötzlich nimmt die Geschichte rund um Dr. Hohenadl einen unvorhersehbaren Verlauf …

Meine Meinung:

Das Buch ist schwer einzuordnen. Ist es ein Roman oder eine Satire?

Müßiggang – wer kann sich dem in unserer heutigen hektischen Welt noch hingeben? Aber Achtung! Müßiggang ist nicht mit Faulheit zu verwechseln. Denn Dr. Hohenadl liegt nicht tatenlos auf dem Diwan, sondern ersinnt Erfindungen. Den Gang zum Patentamt scheut er allerdings, da dies erstens mit persönlichem Aufwand und zweitens mit (hohen) Kosten verbunden ist.

Herrlich sind die Bemühungen des Dr. Hohenadls möglichst preiswert durchs Leben zu kommen, beschrieben. So kauft er für Fahrten mit den Bundesbahnen nur Tickets für Teilstrecken und stellt sich schlafend. Interessant, dass er damit durchkommt.
Einige seiner Marotten sind liebenswürdig, dass er einer möglichen zukünftigen Partnerin einen Kaktus schenkt, weil der am billigsten ist, ist allerdings echt schräg.

Sprachlich ist das Buch ein Hochgenuss, denn Autor Werner Thuswaldner ist Kulturjournalist bei den „Salzburger Nachrichten“ und hat uns schon mit dem Buch „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ erfreut.

Fazit:

Ein unterhaltsamer Einblick in eine österreichische Seele, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 24.01.2019

Gut recherchiert

Land der Skandale
0

Wenn man dieses Buch liest, könnte man den Eindruck haben, eine Auswahl an Drehbüchern von Thrillern vor sich zu haben. Weit gefehlt! Alles echt - nichts erfunden. Autor Wolfgang Fürweger breitet die zehn ...

Wenn man dieses Buch liest, könnte man den Eindruck haben, eine Auswahl an Drehbüchern von Thrillern vor sich zu haben. Weit gefehlt! Alles echt - nichts erfunden. Autor Wolfgang Fürweger breitet die zehn skandalösten Ereignisse vor seiner seinen Lesern aus:

• Der Fall Lucona
• Der AKH-Skandal
• Die Intertrading-Affäre
• Der Noricum Skandal
• Die Waldheim-Affäre
• Die Todesengel von Lainz
• die Konsum-Pleite
• Die BAWAG-Pleite
• Die BUWAOG-Affäre
• Die Pleite der Hypo Alpe Adria

Viele davon sind durch das verhängnisvolle Zusammenspiel von Geld, Macht und Politik zu dem geworden, was sie sind.

Selbst die Mordserie im Pflegeheim Lainz ist als grobes Versäumnis der Politik einzustufen. So hat man völlig überlastetem und kaum ausgebildetem Hilfspersonal die Betreuung von alten und kranken Menschen anvertraut. Immerhin daraus hat man eine Lehre gezogen.

Der aktuelle Skandal rund um das Krankenhaus Nord erinnert in vielen Facetten dem des AKH-Skandals. In beiden Fällen glaubte die Stadtregierung auf einen Generalunternehmer und Spitalsbauprofi verzichten zu können. Horrende Mehrkosten und mehrfache Verschiebung der Inbetriebnahme damals wie heute.

Fazit:

Ein gut recherchiertes Buch, das die Verstrickung von Politik und Geld offenlegt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 17.01.2019

Ein empfehlenswertes Jugendbuch wider das Vergessen

Paul und der Krieg
0

Dieses Buch ist die Geschichte von Paul Haentjes, der im Februar 1943 als Fünfzehnjähriger gemeinsam mit seinen Mitschülern aus der Oberschule in Köln als Luftwaffenhelfer zur Flak eingezogen wird.

Zu ...

Dieses Buch ist die Geschichte von Paul Haentjes, der im Februar 1943 als Fünfzehnjähriger gemeinsam mit seinen Mitschülern aus der Oberschule in Köln als Luftwaffenhelfer zur Flak eingezogen wird.

Zu Beginn scheint es für die Burschen abenteuerlich, die Heimat – wie es die NS-Propaganda fordert – den Feinden gegenüber zu verteidigen. Wobei natürlich geflissentlich verschwiegen wird, dass ja Nazi-Deutschland den Krieg vom Zaun gebrochen hat. Recht bald wird aus dem vermeintlichen Abenteuer grausame Wirklichkeit, der niemand entkommt.

Meine Meinung:

Die Autorin ist die Tochter Pauls, der den Krieg mit viel Glück körperlich unbeschadet überlebt hat. Obwohl seine Heimatstadt Köln und sein Wohnhaus im Bombenhagel versinken, kann er in einer gewagten Nacht- und Nebelaktion Fotoalben, Briefe und Dokumente retten, die in diesem Buch abgebildet sind. Daneben sind in Erklärungen und zeitgeschichtliche Hinweise angebracht, sodass der Leser einen guten Abriss der Ereignisse erhält.

Die Briefe aus Pauls Nachlass geben seine Gedanken wieder. Zuerst natürlich durch die pausenlose Propaganda indoktriniert, ändert sich im Laufe der Zeit als Soldat seine Meinung. Dazu hat auch das katholische Elternhaus beigetragen, obwohl sich weder die katholische noch die evangelische Kirche während der NS-Zeit mit Ruhm bekleckert haben.

Das Buch ist ein hervorragender Behelf für den Unterricht in den Schulen. Anhand Pauls Schicksals wird jene Zeit den Schülern gut nähergebracht. Unter Millionen Toten kann sich kaum jemand etwas vorstellen, da solche Zahlen viel zu monströs sind, aber ein Einzelschicksal bestens dokumentiert durch Fotos, Briefe und Dokumente wie Wehrdienstbuch u.ä. tragen dazu bei, sich davon quasi ein Bild aus erster Hand zu machen. Die Zeitzeugen werden ja immer weniger.

Fazit:

Ein bewegendes Buch, das unbedingt in Schulen gelesen werden sollte. Ich gebe hier eine ausdrückliche Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.01.2019

ein fesselnder Roman um Verrat, Intrige und Rache

Die Farben des Feuers
0

Pierre Lemaitre entführt uns in das Frankreich der Zwischenkriegszeit. Die Armen sind nach wie vor arm und die Reichen werden immer reicher. Die Privatbank Péricourt gehört ebenfalls zu den Gewinnern. ...

Pierre Lemaitre entführt uns in das Frankreich der Zwischenkriegszeit. Die Armen sind nach wie vor arm und die Reichen werden immer reicher. Die Privatbank Péricourt gehört ebenfalls zu den Gewinnern. Doch mit dem Tod des Patriarchen 1927 wendet sich das Blatt, zumal sich, während der Trauerzug am Palais Péricourt vorbeizieht, die persönliche Tragödie seiner Tochter Madelaine ereignet: Ihr siebenjähriger Sohn Paul stürzt aus einem der oberen Stockwerke und bleibt schwer verletzt auf dem Sarg seines Großvaters liegen. Paul überlebt, ist aber querschnittgelähmt. Madeleine muss all ihre Kraft in die Betreuung ihres Kindes stecken und ahnt nicht, dass ihre Vertrauten sie schändlich hintergehen.

Letztendlich ist das Vermögen aufgrund einer gewagten Spekulation ihres Bankvorstandes genauso verloren wie das Palais und die Bank. Einzig die polnisch sprechende Pflegerin hält noch zu Madelaine und ihrem Sohn.

Als Madelaine hinter die Drahtzieher dieser Machenschaften kommt, begibt sie sich auf einen subtilen Rachefeldzug.

Meine Meinung:

„Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.“

Mit dieser Redewendung kann Madelaines Wandlung von der behüteten Tochter zur starken, überlegten Frau bestens umschreiben. Es dauert eine Weile bis Madelaine ihre Widersacher und deren wunde Punkte ausfindig gemacht hat. Auch der Grund, warum Paul damals aus dem Fenster gestürzt ist, offenbart sich. Alles, was die ehemaligen Vertrauten, Familienmitglieder und Angestellten Madelaine und Paul angetan haben, kommt, um im Bankenjargon zu bleiben, mit Zins und Zinseszins zurück.

Lemaitres Schreibstil ist gewaltig, anspruchsvoll und fordert einige Konzentration, da immer wieder auch die Weltgeschichte eine feste Größe in diesem Roman ist. Die häufigen Perspektivenwechsel machen dieses Buch zu einer fesselnden Lektüre.
Die Charaktere sind ausgefeilt und neigen, wie Madelaine und Paul, zu überraschenden Entwicklungen, die man so nicht für möglich gehalten hat.

Fazit :

Ein großartiges Werk, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.