Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.01.2019

Familie Strebel

Vergiss kein einziges Wort
0

Luischen Strebel ist das letzte Kind von Martha und Carl. Doch wie jedes Nesthäkchen ist sie etwas Besonderes speziell für ihre Mutter, die sich freut, aber keine weiteren Kinder mehr möchte. In der Paulstraße ...

Luischen Strebel ist das letzte Kind von Martha und Carl. Doch wie jedes Nesthäkchen ist sie etwas Besonderes speziell für ihre Mutter, die sich freut, aber keine weiteren Kinder mehr möchte. In der Paulstraße wohnen sie zwar etwas beengt aber gut und mit netten Nachbarn. Im Jahr 1921 geht es in Gleiwitz, Schlesien, wirtschaftlich nicht so gut. Doch die Stadt der Kohle strebt auf. Luise wächst recht behütet auf. Mit ihrer besten Freundin Magda zieht sie durch die Gassen, gerne geht sie zur Schule, wobei Mathematik ihr Lieblingsfach ist. Doch die politischen Entwicklungen gehen weder an der Familie noch an Luischen vorbei.

Anhand des Schicksals der Familienmitglieder der Strebels, derer Freunde, Verwandten und Bekannten berichtet die Autorin von der Geschichte der Stadt Gleiwitz, Gliwice in Oberschlesien. Eine Gegend, die immer schon eine Nähe zu Polen hatte, die geprägt von frühen Industriebetrieben auch einen Verkehrsknotenpunkt bildete. Hier lebt Carl Strebel als Bahnbeamter friedlich nachdem der große Krieg überstanden ist. Bald schon muss er sich jedoch damit auseinandersetzen, dass seine Söhne in Streit geraten. Während Konrad mit seiner polnisch-stämmigen Frau ein eher unpolitisches Leben führen möchte, strebt Heinrich schon früh nach einer Parteikarriere. Und wie schon mehrfach in der Gegend geht es in der Grenzstadt hin und her zwischen Polen und Deutschland.

Mit berührenden und ehrlichen Worten macht die Autorin das Leben der Menschen in Gleiwitz, Gliwice vom frühen 20. Jahrhundert bis in die heutige Zeit glaubhaft und lebendig. Fröhlichkeit und Mut stehen neben Leid, Trennung und Krieg. Welch extreme Gegensätze es innerhalb einer Familie geben konnte, wo sich wie so oft mäßigende Einflüsse nicht durchsetzen konnten. Tief taucht man ein in die Vorkriegs- und Kriegsjahre, erfährt hautnah, dass es zwar auch in grausamen Zeiten schöne Momente geben kann, dass das Leid, verursacht von fehlgeleiteten Machthabern, aber nie zu etwas Gutem führt. Nach dem Ende von Kriegen sind einfach zu viele Menschen gefoltert, getötet, ermordet. Überlebende Familien auseinander gerissen und Flüchtlinge nirgends gern gesehen. Wie hieß es nicht von Carl Sandburg „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“. Wenn die Menschen nur auf ihn hören würden. Was geschieht, wenn die Menschen sich verleiten lassen, ist sehr anschaulich im Anhang dieses Buches nachzulesen.

Veröffentlicht am 21.01.2019

Deutscher Krimipreis International 2019

64
0

Mikamis Tochter ist verschwunden, sie haderte mit ihrem Aussehen, das nach ihrem Vater kommt. Als Pressesprecher bei der Polizei setzt Mikami alles in Bewegung, um seine Tochter zu finden. Er ist überzeugt, ...

Mikamis Tochter ist verschwunden, sie haderte mit ihrem Aussehen, das nach ihrem Vater kommt. Als Pressesprecher bei der Polizei setzt Mikami alles in Bewegung, um seine Tochter zu finden. Er ist überzeugt, dass die drei Schweigeanrufe, die er und seine Frau bekommen haben, von ihr getätigt wurden. Die Suche nach der Tochter lenkt Mikami nicht von der Arbeit ab, als noch relativ neu eingesetzter Pressesprecher muss er bei den Presseleuten einige Schwierigkeiten überwinden. Und nun wird auch noch der Besuch eines hohen Beamten aus Tokio angekündigt, der den Vater eines Entführungsopfers aufsuchen will. Ein seit vierzehn Jahren ungelöster Fall, der von Verjährung bedroht ist.

Mikami ist wie zerrissen, eigentlich möchte er sich nur um die Suche nach seiner Tochter kümmern. Immerhin hat er hier seine gesamte Kollegenschaft hinter sich. Doch auch die Arbeit fordert seine volle Aufmerksamkeit. Besonders den Besuch gilt es vorzubereiten. Der Vater des vor Jahren entführten und zu Tode gekommenen Mädchens scheint allerdings kein großes Interesse haben, den Polizeioberen zu empfangen. Er scheint das Vertrauen in die Polizei verloren zu haben. Die Überzeugungsarbeit, die Mikami leistet, fruchtet nur in geringem Maß. Misstrauisch geworden, beginnt Mikami zu untersuchen, weshalb der alte Mann so reagiert. Er ahnt nicht, was er damit lostritt.

Gerade beendet, schon bekommt dieser Roman den deutschen Krimipreis 2019 in der Sparte International verliehen. Eine Ehrung, die diesem umfangreichen Werk wohl zusteht. Der japanische Autor entführt einen in den Moloch der japanischen Polizeiverwaltung. Wie kann das spannend sein, könnte man sich fragen. Nun, nach der Lektüre wird es keinen Zweifel mehr geben, dass sich hinter einer eher trockenen Thematik eine fesselnde Geschichte verbergen kann. Die Verwaltungsstrukturen, die inneren Zwänge, das Hadern Mikamis damit, seine Sorge um die Tochter, die ihn so Manches ertragen lässt, was er unter anderen Umständen wohl verweigern würde. An die Art, wie die Ränkespielchen innerhalb der Verwaltung dargelegt werden, mag einem zunächst etwas sperrig vorkommen, doch schon nach wenigen Kapiteln ist man gefangen genommen und die fast 800 Seiten sind wie im Flug gelesen.

Veröffentlicht am 16.01.2019

Klapperlatschen

Mittagsstunde
0

Mit ihren Klapperlatschen klappert sie durch Brinkebüll und kündet vom nahenden Untergang, deshalb wird sie im Dorf nur Marret Ünnergang genannt. Jahre später kehrt der auch nicht mehr ganz junge Ingwer ...

Mit ihren Klapperlatschen klappert sie durch Brinkebüll und kündet vom nahenden Untergang, deshalb wird sie im Dorf nur Marret Ünnergang genannt. Jahre später kehrt der auch nicht mehr ganz junge Ingwer Feddersen in sein Dorf zurück. Der Archäologe hat sich ein Jahr Auszeit an der Uni Kiel genommen, wo er als Hochschullehrer tätig ist. Ein Jahr, dass er seinen Großeltern schenken möchte, die inzwischen beide über 90 etwas Hilfe benötigen. Seine Großmutter Ella ist noch rüstig, allerdings der Geist will nicht mehr. Beim Großvater Sönke ist es gerade umgekehrt, der Geist ist klar, der Körper klapprig. Für Ingwer beginnt eine Zeit der Hingabe, aber auch der Erinnerung und Besinnung auf das, was er eigentlich will.

Zwischen Gegenwart und Vergangenheit mäandert dieser gehaltvolle Roman hin und her. Man erlebt die Zeit des langsamen Niedergangs eines norddeutschen Dorfes. Von der Flurbereinigung in den 1960ern an bis in die Gegenwart wird in anrührenden Episoden berichtet, wie es mit dem Dorf und seinen skurrilen Charakteren immer weniger wird. Da werden scheinbar nicht nur Wiesen und Felder begradigt, auch die knorrigen Dorfbewohner scheinen in jeder Generation eine Runderneuerung zu erleiden. Schließlich ist Sönke noch eines der wenigen verbliebenen Originale auch Dörpsmensch genannt. Immer noch betreibt er seinen Dorfkrug, der fast genauso vereinsamt ist wie das Dorf und seine Bewohner.

Sehr einfühlsam beschreibt Dörte Hansen das Schicksal des fiktiven Brinkebüll, das sie zwar in Norddeutschland verortet hat, das aber vermutlich auch in jeder ländlichen Gegend gewachsen sein könnte. Urige Dörfchen mit Klein- und Großbauern, einer Gastwirtschaft, ein Tante Emma Laden, vielleicht eine Bäckerei, ein Schlachter und eine Werkstatt. Viele Leser kennen es wahrscheinlich. Was es einmal gab und was noch da ist. Wenn Felder und Wiesen wegen der Flurbereinigung getauscht werden sollten, die Straßen gemacht wurden, und ein Gewerbe nach dem anderen verschwand. Doch in jedem Verschwinden liegt auch eine Erneuerung. Die heimelige, aber auch stichelige Stimmung verschwindet. Doch eine Dorfgemeinschaft kann sich auch neu finden. Und so ist dieser Roman von Melancholie, Wind und Abschied geprägt, auch von Aufbruch, Humor und Liebe zum Land.

Ein zweites Buch kann es mitunter schwer haben, wenn es mit dem ersten verglichen wird. Dieses aber braucht den Vergleich nicht zu scheuen, es ist anders zwar, aber eher im Sinne einer Weiterentwicklung und Perfektionierung. Einfach klasse geschrieben, ein Fest für solche, die vom Lande kommen und vielleicht auch für solche, die eine Entdeckung machen wollen.

Veröffentlicht am 11.01.2019

Vierter Strike

Weißer Tod
0

Noch während ihrer Hochzeitsfeier entdeckt Robin Ellacott, dass Matthew ihr Handy manipuliert hat.

Ein Jahr später sind Robin und Matthew immer noch verheiratet und gerade dabei, ihr neues Mietwohnheim ...

Noch während ihrer Hochzeitsfeier entdeckt Robin Ellacott, dass Matthew ihr Handy manipuliert hat.

Ein Jahr später sind Robin und Matthew immer noch verheiratet und gerade dabei, ihr neues Mietwohnheim einzurichten. Robin hat sich durchgesetzt und ihre Stelle in Cormoran Strikes Detektei behalten. Und obwohl sie reichlich zu tun haben, kann Strike sich nicht weigern, den Fall von Billy zu übernehmen. Der verzweifelte junge Mann behauptet, als Kind habe er einen Mord beobachtet. Gleichzeitig tritt der Politiker Jasper Chiswell an ihn heran, er wird erpresst und will, dass dem Erpresser das Handwerk gelegt wird.

Mehrgleisig zu fahren, ist für Strike nicht ganz einfach. Nachdem er durch seine Fälle einige Berühmtheit erlangt hat, wird er mitunter auf der Straße erkannt. Es ist ihm also nicht so leicht, eine Observierung durchzuführen, wenn er immer damit rechnen muss, angesprochen zu werden. Neben Robin hat er deshalb zwei weitere freie Mitarbeiter angestellt, was wiederum dazu führt, dass Strikes finanzielle Situation trotz relativer Berühmtheit nicht überragend ist. Ein Grund mehr sich sowohl um Billy, was ihm ein inneres Bedürfnis ist, als auch um Chiswell, was eher wegen des Geldes passiert, zu kümmern. Chiswell macht keinen sehr sympathischen Eindruck, doch sollte er tatsächlich erpresst werden, hat auch er ein Recht auf die Wahrheit und ein Ende der Erpressung.

In ihrem vierten Fall müssen Cormoran Strike und Robin Ellacott sich mit etlichen privaten Problemen herumplagen, die zum Glück meist nicht ihre berufliche Zusammenarbeit berühren. Beide Fälle erweisen sich als knifflig. Wegen Billys psychischer Erkrankung, kann nicht gesagt werden, inwieweit seine Erinnerung stimmt. Doch mit seiner Zerrissenheit stimmt er Strike ihm gegenüber wohlgesinnt und Strike möchte dieser verlorenen Seele einfach helfen. Jasper Chiswell dagegen, will nicht einmal verraten, weshalb er erpresst wird, und er erwartet doch, dass der Erpresser gestellt und einer Strafe zugeführt wird.

Die Autorin ist dafür bekannt, die Handlung ihrer Strike/Ellacott Reihe langsam zu entwickeln, was im dritten Band vielleicht etwas zu langsam geraten ist. Und so befürchtet man zu Beginn dieses Bandes, die Lektüre könnte sich dahin ziehen. Positiv überrascht ist man jedoch, dass hier die Mischung zwischen spannenden, emotionalen und akribisch beschreibenden Passagen durchaus gelungen ist. Wie die Handlungsstränge verknüpft sind und wie man als Leser in emotionale Wallung gebracht wird, ob einiger durchaus unsympathischer Zeitgenossen und -genossinnen, ist durch die Autorin schon ziemlich gut bereitet. Allein schon der im englischen Original perfekt gewählte Titel, der eine Art stehender Begriff zu sein scheint, so dass es keine eigentliche Übersetzung gibt, regt dazu an, die Bedeutung zu erforschen und den Zusammenhang mit dem Geschehen zu hinterfragen. Gleichzeitig wird vieles bis kurz vor Schluss so in der Schwebe gehalten, dass nur wenige erahnen werden, welche Lösung sich findet, bevor es von der Autorin so gewünscht wird. Ein wenig spielt die Autorin mit ihren Akteuren und auch ihren Lesern, wobei das größere Vergnügen sicherlich auf Seiten der Letzteren ist.

Dieser vierte Band der Reihe um die sich umtanzenden Cormoran Strike und Robin Ellacott garantiert spannende Unterhaltung.

Veröffentlicht am 03.12.2018

Verschwunden

Der große Plan
0

Die junge Mitarbeiterin des Berliner Außenministeriums Anna Hartmann ist verschwunden. Der Privatdetektiv Georg Dengler erhält den Auftrag, nach ihr zu suchen. Ein Fall, der zunächst eher unspektakulär ...

Die junge Mitarbeiterin des Berliner Außenministeriums Anna Hartmann ist verschwunden. Der Privatdetektiv Georg Dengler erhält den Auftrag, nach ihr zu suchen. Ein Fall, der zunächst eher unspektakulär erscheint. Als jedoch eine Aufzeichnung einer Handykamera nahelegt, dass Hartmann möglicherweise entführt wurde, gewinnt die Suche an Brisanz. Dengler beginnt sich mit Annas Arbeit zu beschäftigen. Sie war für die Troika tätig, die die Griechenlandhilfen verteilen und kontrollieren sollte. Hat Anna etwa begonnen, an ihrer Arbeit zu zweifeln? Was hat sie über die Wege des Geldes herausgefunden, dass eigentlich die griechische Wirtschaft stützen sollte oder auch den Griechen zugute kommen sollte.

In seinem neunten Fall kommt der Privatdetektiv und ehemalige Polizist Georg Dengler mit einem Vorgang in Berührung, der sich ganz anders entwickelt als zuerst vermutet. Soll er auftragsgemäß nur das Verbleiben einer Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes aufklären? Wieso überhaupt kommt der Auftrag nicht aus der Familie? Hat sich die junge Frau mit der Durchführung ihrer Aufträge etwa Feinde gemacht? Es herrscht Stille, eine Lösegeldforderung geht zunächst nicht ein. Dengler beginnt, tiefer zu graben. Könnte das Ganze tatsächlich mit den Griechenlandhilfen zusammenhängen? Doch so groß war die Bedeutung von Hartmanns Tätigkeit eigentlich nicht.

Natürlich könnte man sich über Denglers neue und erste Mitarbeiterin Petra Wolf amüsieren, die ihn in die Tiefen oder Untiefen einer ordentlichen Kalkulation einweiht und gleich die entsprechenden Rechnungen schreibt. Doch das Amüsement vergeht einem bald, wenn man die die Ausführungen zur Griechenlandkrise liest. Auch dies ist eine Sichtweise, die mehr als nur eine gewisse Plausibilität beinhaltet. Und man sollte ob dieser möglichen Sichtweise mal wieder in sich gehen und überlegen, ob so manche unbedachte Äußerung nicht doch fehl am Platze sein könnte. Schließlich geht es wie so oft um Menschen, die der Raffgier der Mächtigen geopfert werden. Wie man es von dem Autor schon gewohnt ist, öffnet er einen anderen Blickwinkel auf ein bekanntes Thema und regt damit zum Nachdenken an, ob das, was einem so vorgegaukelt wird, einer Überprüfung standhalten würde. Einige der literarisch verarbeiteten Ideen und Recherchen sind jedenfalls erschreckend plausibel und logisch. Vielleicht sollten sich einige doch bescheiden und mal eine ehrliche Rechnung aufmachen.