Ein authentisches Bild jener Zeit
Syrie James ist Roman- und Drehbuchautorin. Der vorliegende Roman The Secret Diaries of Charlotte Brontë ist ihr zweites veröffentlichtes Werk. Syrie James wurde in New York geboren und verbrachte ihr ...
Syrie James ist Roman- und Drehbuchautorin. Der vorliegende Roman The Secret Diaries of Charlotte Brontë ist ihr zweites veröffentlichtes Werk. Syrie James wurde in New York geboren und verbrachte ihr ganzes Leben in Kalifornien, bis auf zwei Jahren in Paris. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern. Schon als Kind wollte Syrie James Autorin werden und so machte sie Jahre später ihren B.A. in Englisch und Kommunikationswissenschaft. Für ihre Recherche an diesem Roman las Syrie James einige Biographien (unter anderem auch die der Zeitgenossin und guten Bekannten Mrs. Gaskell) über die Brontë Schwestern, sowie deren Dichtungen und Romane. Wie auch schon bei ihrem ersten Werk über Jane Austen, unternahm die Autorin eine Reise durch England und folgte den Spuren der Brontë Schwestern. Ihre Vorliebe für Charlottes Roman Jane Eyre brachte sie dazu, hinter das Werk und auf das Leben der Autorin zu schauen. Während ihrer Recherchen stellte sie fest, dass Jane Eyre einige Passagen aus dem Leben der Autorin in sich birgt. Charlotte Brontë ließ sich also beim Schreiben von eigenen Erfahrungen inspirieren. Dies lässt sich anhand der vielen Briefe zwischen ihr und Ellen Nussey sowie den Briefen an ihren Verleger rekonstruieren und belegen.
Bei den Geschwistern Brontë handelt es sich um drei Schriftstellerinnen aus dem England des 19. Jahrhunderts. Nachdem die Geschwister zunächst heimlich, ohne das Wissen der anderen Familienmitglieder Gedichte und Romane geschrieben hatten, begannen sie sich später auszutauschen und schafften es alle, ihre Werke bei Verlegern publizieren zu lassen. Dies taten sie allerdings unter männlichen Pseudonymen, da sie hofften damit zum Einen unerkannt zu bleiben und zum Anderen ernster genommen zu werden. Charlotte Brontë (1816-1855) veröffentlichte unter dem Pseudonym Currer Bell. Sie steht als älteste Schwester im Mittelpunkt des Romans. Emily Brontë (1818-1848) nahm den Künsternamen Ellis Bell an, Anne Brontë (1820-1849) publizierte unter dem Namen Acton Bell. Die Geschwister hatten noch einen Bruder, der schwer alkohol- und drogensüchtig war. Ihre Mutter verloren sie recht früh, sowie auch zwei ältere Schwestern. Der Vater war Geistlicher in einer Pfarrei.
Vor den Beginn der eigentlichen Handlung ist ein Vorwort der Autorin gestellt. Hier führt Syrie James in die Idee ihres Buches ein. Nämlich, dass die Möglichkeit besteht, dass einmal die Tagebücher der Schriftstellerin Charlotte Brontë gefunden werden. Vor diesem Hintergrund erschafft Syrie James ihre Geschichte. Sie erzählt die wichtigsten Jahre der ältesten Brontë Schwester, die Entstehung ihrer Werke, und wie es dazu kam, dass sie Mr. Nicholls nach mehr als sieben Jahren Bekanntschaft lieben lernte und heiratete.
Zunächst beginnen die Tagebucheintragungen 1953. Charlotte Brontë hat das dringende Bedürfnis die Geschehnisse der vergangenen Jahre in einem Tagebuch aufzuschreiben. Zwei Monate zuvor hatte sie einen Heiratsantrag gemacht bekommen und dieses Ereignis veranlasst sie, ihre Geschichte festzuhalten. Sie schreibt um ihre Seele zu befreien und um die Wahrheit zu berichten. Damit ihr dies gelingt muss sie einige Jahre zurück gehen. Zu dem Tag, an dem Mr. Nicholls seinen Dienst in der Pfarrei antritt. Charlotte Brontë mag Mr. Nicholls von Beginn an nicht, als er sie dann auch noch als ‚ugly old maid‘ (ein Missverständnis, wie sich später herausstellt) bezeichnet, werden ihre Vorurteile bestätigt und sie hält an ihrer Meinung über diesen Mann fest. Auch einige nicht gerade frauenfreundliche Aussagen und sein Hang jegliche Regeln zu befolgen, auch wenn dies anderen Menschen großes Unglück bringt, sorgen für weiteres Nähren ihrer Vorurteile. Die Geschehnisse nehmen ihren Lauf. Zunächst stehen die Geschwister im Mittelpunkt. Die Passion für das Geschichtenerzählen hält sie zusammen. Doch all dies ändert sich, als der Bruder mehr und mehr in seine Alkohol- und Drogensucht versinkt.
Als Charlottes Vater sich aufgrund von Blindheit einer Augen Operation unterzieht, beginnt Charlotte mit dem Schreiben an ihrem Roman Jane Eyre.
In einem Nachwort erzählt Syrie James kurz, wie Charlottes Leben weiter ging. Sie lebte nicht mehr lange. Im folgenden Jahr starb sie, wahrscheinlich an einer schwangerschaftsbedingten Stoffwechselstörung. Mr. Nicholls ging nach dem Tod von Charlottes Vater, um den er sich bis dahin gekümmert hatte, wieder nach Irland zurück. Dort heiratete er seine Cousine, mit welcher er eine glückliche aber kinderlose Ehe führte. Es war wohl eher eine Freundschaft, denn Mr. Nicholls hielt zeitlebens an seiner Liebe für Charlotte fest.
Es handelt sich bei dem vorliegenden Exemplar um die Originalausgabe in englischer Sprache. Die Sprache ist leicht verständlich. Schwierigkeiten könnte man lediglich mit den verschiedenen Akzenten haben. So sprechen die Angestellten sowie die Gemeindemitglieder einen Yorkshire Akzent, Mr. Nicholls Verwandte und er selbst teilweise einen leichten Irischen Akzent, der allerdings hier eher beschrieben als ausgeführt wird. Ansonsten gibt es lediglich hier und da einige veraltete Begriffe. Der Schreibstil hat sich in Syrie James zweiten Werk noch weiter verbessert. Ihre Beschreibungen gehen mehr ins Detail, was man schon am Umfang feststellen kann. Die langen Gespräche und wortreichen Monologe der Protagonisten sind unterhaltend und gerade die langen Dialoge sind sehr emotional beschrieben. Die Rückblenden sorgen für Abwechslung und vertiefen die Handlung. Anhand von Fußnoten und der Erwähnung bekannter Personen aus jener Zeit, wie Alexander Walker (das Prinzip „man governs, woman obeys“), Mrs. Gaskell und weitere zeitgenössischer Autoren lassen vermuten, dass das Buch gut recherchiert ist.
Interessierte für das 19. Jahrhundert, Brontë Fans sowie Liebhaber historischer (Liebes-)Romane werden Freude an dem Buch haben. Das Zeitalter wird authentisch und klar dargestellt, man kann sich wunderbar in die Protagonisten hineinversetzen und oft fiel es schwer das Buch beiseite zu legen. Die Situation der Frau (vgl. Suffragette-Movement), aber auch die des Mannes in jener Zeit werden nachvollziehbar dargestellt und ermöglichen einen Einblick in jene Zeit. Syrie James ist es wiedereinmal gelungen ein authentisches Bild dieser Zeit zu schaffen. Die Handlung beruht fast ausschließlich auf Fakten, lediglich einige Nebenrollen aus Charlotte Brontës Heimatort wurden erfunden, um die Geschichte lebhafter zu gestalten. Das Lesen dieses Romans wird den ein oder anderen Leser sicherlich dazu verleiten die Originalwerke der Brontë Schwestern – ganz besonders Charlottes Jane Eyre – zu lesen.