Profilbild von Buecherhausen

Buecherhausen

Lesejury Star
offline

Buecherhausen ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Buecherhausen über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2016

Wie ein ominöser Wohltäter das Leben eines Suchtkranken wieder auf Kurs bringt.

Geschenkt
0

Daniel Glattauer habe ich durch seine E-Mail-Romane kennen gelernt. Mit Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen hatte er bei mir direkt ins Schwarze getroffen. Als ich dann den Klappentext von Geschenkt ...

Daniel Glattauer habe ich durch seine E-Mail-Romane kennen gelernt. Mit Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen hatte er bei mir direkt ins Schwarze getroffen. Als ich dann den Klappentext von Geschenkt gelesen habe, bin ich direkt neugierig gewesen und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Ein Vater, der sein Leben bereits aufgegeben hatte, bekommt durch seinen neu entdeckten Sohn wieder Antrieb und nimmt volle Fahrt auf.

Daniel Glattauer, geboren 1960 in Wien, ist Autor und Journalist. Bei der Tageszeitung Der Standard hatte er eine Kolumne, durch welche er bekannt wurde. Neben den bereits erwähnten Titel hat er noch weitere Werke verfasst, darunter Darum, Ewig Dein, Die Wunderübung und Theo. Einige seiner Werke sind auch in andere Sprachen übersetzt und als Hörspiele oder Theaterstücke adaptiert worden.

Geschenkt ist eine Vater-Sohn Geschichte. Der Hauptprotagonist Gerold Plassek ist Journalist einer Gratiszeitung und hat sein Leben nicht mehr im Griff. Sein Tagesablauf wird vom Alkohol bestimmt. Noch ist er nicht ganz abgestürzt, denn er kommt seiner ungeliebten Arbeit weiterhin nach. Eines Tages erfährt er, dass er neben seiner Tochter Florentina, die bei ihrer Mutter samt neuem Ehegatten lebt, auch noch einen Sohn aus einer alten gescheiterten Beziehung hat. Da dessen Mutter beruflich für einige Zeit im Ausland ist, fällt es Gerold zu, die Nachtmittagsbetreuung des 14-jährigen zu übernehmen. Als nach einer von ihm geschriebenen Kurzmitteilung in der Gratiszeitung bei einem Obdachlosenheim eine anonyme Spende eingeht, verändert sich Gerolds Leben drastisch. Auf einmal ist er erfolgreich und sein Sohn, der nicht weiß, dass Gerold sein Vater ist, beginnt zu ihm auf zu sehen. Die beiden beginnen, gemeinsam für neue Berichte zu Recherchieren und erarbeiten sich auch zusammen die Berichte, welche inzwischen in einer renommierteren Zeitung erscheinen. Sie lernen sich näher kennen und Gerold beginnt langsam, etwas an seinem Leben zu ändern. So bringt jeder weitere Bericht, den Gerold mit seinem Sohn Manuel schreibt, ihn wieder ein Stück mehr zurück in ein lebenswertes Leben. Zunächst will Gerold nur seinem Sohn gefallen, doch nach und nach findet er wieder Spaß an seiner Arbeit und sein Ehrgeiz entbrennt von Neuem.

Glattauer gelingt es, die Person des Gerold Plassek gekonnt in Szene zu setzen. Seine innere Gefühlswelt und die vielen Konflikte, die er immer wieder mit sich aus macht, werden nachvollziehbar. Der Konsum des Alkohols machte Gerold schlapp und antriebslos, sodass er sich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gehen ließ. Gerold ist kein Mensch, der Karriere machen will oder große Ziele im Leben hat. Er braucht stets Anreize, um tätig zu werden. Sei es durch seine Kinder Florentina und Manuel oder seiner neuen Liebe Rebecca. Er will gebraucht werden, weil er nur dann einen Sinn in seiner Existenz und seinem Leben sieht. Obwohl ein Mensch, der sich so gehen lässt wie Gerold, eigentlich abstoßend sein müsste, empfindet man als Leser eine gewisse Sympathie. Man fühlt mit ihm und erlebt, wie vielschichtig sein Inneres doch ist.

„es verursachte einen Schmerz, der länger anhalten sollte als mein Kater.“ (Seite 88)
Natürlich bringt der Roman auch noch eine gewisse Spannung mit sich. Denn als Leser möchte man schon erfahren, wer der ominöse Wohltäter ist, der immer wieder große Summen Geld spendet und immer sind Gerolds Sozialberichte der Auslöser. Die Presse wird dabei auch kritisiert, denn aus einer zunächst guten Sache wird schnell Skandalhascherei, weil natürlich von Schwarzgeld und kriminellen Machenschaften die Rede ist. Gleichzeitig stellt Glattauer auch die Frage, ob es überhaupt wichtig ist, zu erfahren, wer der Wohltäter ist. So sagte Gerolds Mutter folgende wirklich bedenkenswerte Sätze:

„Ich will aber auch nicht wissen, wer der Spender oder die Spenderin ist. […] Weil es doch viel schöner für uns alle ist [wenn der Spender im verborgenen bleibt] […] Dann kann es jeder sein. (Seite 205)
Erwähnenswert ist auch der Sprachstil in Glattauers Werk. Während man die Geschichte flüssig lesen kann, transportiert der Text aber auch das journalistische Können des Gerold Plassek durch seine Art zu sprechen. Obwohl er sich eigentlich nichts zutraut, so hat er immer die passenden Worte parat, wenn er einmal in Bedrängnis gerät. So stellt er sich zwar auch verbal oft in einem schlechten Licht dar, jedoch versucht er dadurch wohl einfach nur, sich selbst nicht zu hoch zu setzen.

„Irgendwie machte ich mir ernsthafte Sorgen über mich, weil ich plötzlich mittags offenbar keine drei Biere mehr vertrug.“ (Seite 275)
Geschenkt ist erfrischend tiefgängig. Mit Selbstironie und Sarkasmus versehen, steht Gerold Plassek zwar im Mittelpunkt der Erzählung, jedoch geht es hier nicht nur um Alkoholismus, sondern auch um Dinge des täglichen Lebens, die uns alle betreffen. So wird der Leser auch zum Nachdenken angeregt.

Veröffentlicht am 28.09.2016

Ein perfektes Spiel der Irreführungen

Beim Leben meiner Tochter
0

Beim Leben meiner Tochter ist ein spannungsgeladener und rasanter Kriminalroman. Er handelt von der Flucht eines Vaters mit seiner Tochter vor der Polizei. Die Verfolgungsjagd auf Seiten der Polizei kommt ...

Beim Leben meiner Tochter ist ein spannungsgeladener und rasanter Kriminalroman. Er handelt von der Flucht eines Vaters mit seiner Tochter vor der Polizei. Die Verfolgungsjagd auf Seiten der Polizei kommt dabei auch nicht zu kurz. Und immer steht die Frage im Mittelpunkt: Ist Martial Bellion wirklich der Mörder seiner eigenen Frau Liane?

Michel Bussi (geboren 1965) lebt und arbeitet in Frankreich. Er ist Autor, Politologe und Geograph. Michel Bussis Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und er gilt als internationaler Bestsellerautor. Weitere beim Aufbau Verlag erschienen Romane sind Das Mädchen mit den blauen Augen (2014) und Die Frau mit dem roten Schal (2015).

Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Flucht eines Vaters mit seiner Tochter, da dieser verdächtigt wird, seine Frau während des gemeinsamen Urlaubs ermordet zu haben. Martial Bellion, der Vater, lässt seine Tochter Sopha zu Beginn des Buches kurz am Pool alleine, um nach seine Frau Liane zu sehen. Als er auf dem Hotelzimmer ankommt, ist sie dort nicht zu finden, jedoch sind überall Blutspuren zu sehen. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und schnell wird Martial zum Hauptverdächtigten. Er schnappt sich seine Tochter und begibt sich auf die Flucht.

Der Leser wird sofort in die Geschichte gezogen und bleibt lange Zeit im Dunkeln, ob Martial schuldig ist oder nicht. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven in der dritten Person erzählt. Nur bei Sopha macht Bussi eine Ausnahme, sie beschreibt in der ersten Person ihre Erlebnisse und Gedanken. Auch sie ist hin und her gerissen zwischen Vertrauen und Misstrauen zum Vater. Fest steht, Martial hat eine schlimme Vergangenheit, die nach und nach zum Vorschein kommt. Er ist eine undurchsichtige Person mit ganz verschieden ausfallenden Gefühlsregungen. Er ist ein Meister der Täuschungen und Irreführungen, der der Polizei immer wieder entwischt aber sie dennoch scheinbar gekonnt hinter sich her lockt.
Michel Bussis Landschaftsbeschreibungen der Insel La Réunion runden das Bild der Erzählung ab und versetzen den Leser mitten hinein auf diese besondere Insel. Die Erzählung erscheint real und nicht gekünstelt.
Durch den direkten Einstieg in das Verbrechen wird die Spannung gleich zu Beginn schnell aufgebaut. Man ist von Anfang an mitten im Geschehen. Rückblicke und Hintergrunddetails führen den Leser zum Teil in die Irre, sorgen aber für eine schlüssige Geschichte.
Jeder Protagonist, welcher während des Verlaufs der Geschichte unter Verdacht steht, hat sein Geheimnis, welches er versucht zu hüten. In Martials Fall sorgt dies dafür, dass er noch stärker unter Verdacht gerät. Der Leser kommt bis zum Schluss aus dem Rätseln nicht heraus.

Michel Bussis Schreibstil ist gut verständlich, aber meines Erachtens eher durchschnittlich. Er schafft es mit seiner Liebe zum Detail ein rundes Bild zu erschaffen. Die Rolle des befreundeten Paares ist mir allerdings nicht wirklich klar geworden. Sie spielten keine große Rolle für die Geschichte und wurden auch nicht großartig zum Kreise der Verdächtigten gezählt, waren somit eher überflüssig. Das war aber auch das einzig Überflüssige. Vor allem der Charakter des Ermittlers Christos ist sehr gut gezeichnet und ich habe ihn schnell ins Herz geschlossen.

Alles in allem handelt es sich bei diesem Roman um einen gelungenen Krimi. Michel Bussi gelingt es eine bis zum Schluss spannende Geschichte zu erzählen, die den Leser gefangen nimmt und miträtseln lässt.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Ein Appell an die Menschlichkeit

Sklavin
0

Wer glaubt, Sklaverei in Europa gibt es heute nicht mehr, der sollte Mende Nazers Buch Sklavin zur Hand nehmen und sich eines Besseren belehren lassen.

Der Roman Sklavin ist eine chronologisch aufgebaute ...

Wer glaubt, Sklaverei in Europa gibt es heute nicht mehr, der sollte Mende Nazers Buch Sklavin zur Hand nehmen und sich eines Besseren belehren lassen.

Der Roman Sklavin ist eine chronologisch aufgebaute Autobiographie der aus den Nuba-Bergen des Sudans stammenden Autorin. Wer Interesse an afrikanischer Kultur und Tradition hat, dem sei dieses Buch empfohlen. Schon mit Waris Diries Bestseller Wüstenblume wurde auf bestehende Probleme in Afrika aufmerksam ge-macht. Sie selbst wird auf dem Buchrücken dieses Taschenbuchs zitiert: "Mit ihrer Geschichte hat Mende die Qualen unserer afrikanischen Schwestern sichtbar gemacht. Ich bete und hoffe das Beste für Mende!" Waris Dirie beschäftigt sich in ihren Werken allerdings zumeist mit ritueller Genitalverstümmelung und Polygamie. Das Thema der Beschneidung von Frauen wird in Sklavin zwar auch beschrieben, aber es steht eher am Rande der Erzählung. Der Missbrauch von Sklaven wird allerdings schonungslos veranschaulicht. Zusätzlich setzt sich Mende Nazer aber auch mit Missständen der westlichen Kultur auseinander. Wie kann ein Mensch Jahre lang mitten in London als Sklavin gefangen gehalten werden?

Mende Nazer (geb. um 1980) beschreibt ihr eigenes Schicksal. Als 12-jährige erlebt sie, wie arabische Milizen ihren Stamm überfallen, die Häuser des Dorfes niederbrennen, die Männer ermorden, Frauen und Kinder schänden und entführen. Sklavenhändler verkaufen Mende an eine wohlhabende arabische Familie, die sie quält und misshandelt. Dort, in der Hauptstadt Khartum, muss sie ein menschenunwürdiges Leben führen, als Sklavin die häuslichen Arbeiten verrichten und auf die Kinder aufpassen. Man nennt sie nicht bei ihrem Namen, sondern ruft sie lediglich "Yebit", was so viel heißt wie "Mädchen, das es nicht wert ist, einen Namen zu tragen". Viele Jahre verbringt Mende Nazer in Gefangenschaft und wird sogar nach London an die Schwester ihrer Herrin verliehen, deren Mann bei der Botschaft als Diplomat arbeitet und vom Verbot der Sklaverei in der westlichen Welt informiert ist. Dort muss sie weiterhin in Einsamkeit leben, darf das Haus aber ab und an für kurze Zeit verlassen, um Besorgungen zu erledigen. Zum ersten Mal nach vielen Jahren in der Sklaverei kann sie auf einen Markt gehen. 2000 findet sie schließlich einen Nuba, dieser und der Journalist Damien Lewis (späterer Co-Autor ihres Buches) verhelfen ihr zur Flucht.

Wer jetzt meint, damit hätte die Geschichte schon ein gutes Ende genommen, der irrt. Mende Nazer stellt einen Antrag auf Asyl, der allerdings nach zwei Jahren abgelehnt wird, da die britischen Behörden der Meinung sind, ein Sklave werde nicht politisch verfolgt und habe daher kein Anrecht auf Asyl. Sie sei eine illegale Einwandererin. Die Abschiebung stand ihr bevor. Diese Vorkommnisse bewegen Mende Nazer 2002 dazu, ihren Roman zu schreiben, der zunächst nur in Deutschland erschien und somit von den britischen Behörden nicht wahrgenommen wurde. Durch den Protest von Medien und Lesern, sowie der Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen, wird die Abschiebung abgewendet und die Autorin als Flüchtling anerkannt. 2006 bekam sie die britische Staatsbürgerschaft.

Die hier rezensierte Taschenbuchausgabe von 2006 enthält nach Damien Lewis Epilog über seine Sicht von Mende Nazers Fall und einem angefügten Fernsehinterview der beiden noch ein Nachwort des Selben. In diesem Nachwort beschreibt er die Arbeit an diesem Buch. Auch von Mende Nazer wurde ein Nachwort hinzugefügt, in dem sie über ihren Streit um Asyl, sowieso die Zeit nach ihrer Flucht berichtet.

Das Buch ist eher umgangssprachlich verfasst, die Sprache ist sehr einfach gehalten, was sicherlich auch mit Mende Nazers mangelnder Kenntnis der englischen Sprache zusammen hängt. Aus diesem Grund nahm sie auch die Unterstützung des Journalisten Damien Lewis an, der ihr half dieses Buch zu schreiben und zu veröffentlichen. Das Buch lässt sich somit leicht und schnell lesen und ist auf jeden Fall als Lektüre für zwischendurch geeignet. Der Beginn des Werkes, also die Erzählung über Mende Nazers Kindheit, fällt leider etwas lang und somit zäh aus, worüber man aber durch die später geschilderte Handlung hinwegsehen kann. Die subjektive Sichtweise, in der dieses Buch verfasst ist, soll die breite Öffentlichkeit ansprechen und informieren. Es handelt sich hierbei also um einen Appell an die Menschlichkeit. Mende Nazers Buch ist sehr bewegend und lebt durch die Beschreibung ihrer schockierenden Erfahrungen, keineswegs aber wegen eines wirkungsvollen Schreibstils. Dieser sorgt eher dafür, dass das Werk authentisch und aufrichtig wirkt. Waris Diries Werk ist literarisch gesehen also dem Mende Nazers um einiges voraus. Doch wer gefallen an ihren Büchern hatte, der sollte Sklavin auch zur Hand nehmen, da in diesem Buch einen neuer Aspekt afrikanischer Probleme dargestellt wird und hier ist Europa zunächst nicht die Lösung aller Probleme.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Ein eindrucksvolles Bild jener Zeit

Die Feuerbraut
0

Der historische Roman "Die Feuerbraut" des Münchner Autorenehepaars, welches unter dem Namen Iny Lorentz publiziert, thematisiert eine Zeit voller Schrecken während des Dreißigjährigen Kriegs. Genauer ...

Der historische Roman "Die Feuerbraut" des Münchner Autorenehepaars, welches unter dem Namen Iny Lorentz publiziert, thematisiert eine Zeit voller Schrecken während des Dreißigjährigen Kriegs. Genauer gesagt, werden die Erlebnisse der Hauptfigur Irmela von Hochberg mit Beginn des Schwedischen Kriegs (1630-1635) dargestellt. Während der Flucht vor den Schweden fallen sie und ihre Mitreisenden denselben in die Hände. Nur durch Irmelas gutes Gehör gelingt es ihr, ein paar der Reisegefährten vor den Schweden zu warnen. So kommt es dazu, dass die Mitreisenden, die den Schweden zum Opfer gefallen sind aber dennoch überlebt haben, ihr unterstellen, sie sei eine Hexe. Da Irmela die Alleinerbin eines großen Vermögens ist, entspinnt sich ein Netz voller Intrigen, welches selbst von Kirchenmitgliedern unterstützt wird.

Wie schon in den letzten Werken ist aber auch hier zu bemerken, dass die entstehenden Paarkonstellationen meist schon von Beginn der Geschichte absehbar sind. Die Umwege zu diesen Paarbildungen sind in dem Werk "Die Feuerbraut" aber dennoch unvorhersehbar und somit bleibt die Geschichte von Anfang an voller Spannung.

Die Hauptfigur Komtesse Irmela von Hochberg ist, im Unterschied zu den Charakteren in den bisherigen Romanen von Iny Lorentz, ein unsicheres, schüchternes, nicht gerade hübsches junges Mädchen, welches im Laufe der Geschehnisse zunehmend selbstsicherer wird und versucht ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.
Neu in diesem Werk ist somit die Darstellung der Protagonisten. Oft wurde bei den vorherigen Werken Iny Lorentz' bemängelt, dass sie immer wieder perfekte Charaktere beschreibt, welche eher realitätsfern erscheinen. Nicht so in diesem Werk. Sie deckt hier nicht nur mit der Hauptfigur, sondern auch mit den anderen Protagonisten Schwächen, Fehler und Abgründe der menschlichen Seele auf und beschreibt sie gnadenlos. Außerdem macht Iny Lorentz nicht Halt davor, Gewalt, Folterung, Verstümmelung, magische Hexenrituale und Kindesmord detailliert darzustellen. Schwache Nerven sind hier fehl am Platz. Aber dies hat Iny Lorentz schließlich schon in der Vergewaltigungsszene in ihrem Werk "Die Wanderhure" unter Beweis gestellt. Auch die finsteren Machenschaften des Adels werden offen dargestellt.

Wer schon Gefallen an den bisherigen Lorentz-Romanen hatte, sollte dieses Werk unbedingt lesen. Es behält den Stil des Autorenehepaar bei, hat sich aber frühergehende Kritik zu Herzen genommen und schafft somit ein eindrucksvolles Bild jener Zeit.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Auf den Spuren der Zukunft.

Wir sind Cyborgs
0

Alexander Krützfeldt ist Autor und Journalist. Er arbeitet unter anderem für Krautreporter, einem unabhängigen Online Magazin, welches ohne Werbung (dafür mit Mitgliederspenden) und ohne Verlagsbindung ...

Alexander Krützfeldt ist Autor und Journalist. Er arbeitet unter anderem für Krautreporter, einem unabhängigen Online Magazin, welches ohne Werbung (dafür mit Mitgliederspenden) und ohne Verlagsbindung agiert. Sein Buch Deep Web. Die dunkle Seite des Internets erschien 2014 unter einem Pseudonym. Sein neues Buch Wir sind Cyborgs erschien 2015.

In seinem Buch "Wir sind Cyborgs" beschreibt Andreas Krützfeldt seine Recherche zum Thema Cyborgs. Er trifft einige Menschen aus dieser Szene und schreibt die Gespräche mit ihnen nieder. Hierbei kommt immer wieder die Frage auf, ab wann ein Mensch ein Cyborg ist. Ist er dies schon, weil er ohne sein Smartphone nicht mehr zurecht kommt, oder ist er es erst, wenn er Technik in oder an seinem Körper verbaut hat? Eine Antwort auf seine Frage gibt es nicht. Es gibt verschiedene Definitionen von Cyborgs. Gleichzeitig geht es in seinem Werk auch um die Frage der Ethik. Was bedeutet es, dass die Technik immer weiter voran schreitet. Technik kann uns helfen, indem Krankheiten oder Benachteiligungen behoben bzw. ausgeglichen werden. Kann der Fortschritt aber auch dazu führen, dass wir, als Menschen, in der Zukunft gezwungen sein werden, uns beispielsweise Technik implantieren zu lassen, um selbst nicht benachteiligt zu sein?

Andreas Krützfeldt schlägt einen leicht verständlichen Ton an. Das Buch lässt sich flüssig und rasch lesen. Es gibt einen guten Einstieg zum Thema Cyborgs und regt hier und da zum Nachdenken an. Ein wissenschaftlich fundiertes Werk ist es allerdings nicht. In verständlichen Worten bringt Andreas Krützfeldt dem Leser die Thematik näher, seine Reisebeschreibung lässt das Buch nicht zu einem trockenen Sachbuch werden, sondern sorgt für Abwechslung. Das Buch unterhält, bietet aber keinen großen Spannungsbogen. An den passenden Stellen fügt Krützfeldt weiteres Hintergrundwissen an, ohne dabei zu wissenschaftlich zu werden. Hin und wieder wiederholen sich Aspekte, wie zum Beispiel der Chip zur Öffnung des Autos.

Ich habe mich bisher nicht mit dieser Thematik befasst, habe somit also neue Informationen gewinnen können. Jedoch bleibt das Buch an der Oberfläche und ich hätte mir mehr Tiefgang erhofft. Bei diesem Buch handelt es sich also um ein unterhaltsames Sachbuch, welches einem die Grundthematik der Cyborgs näher bringt.