Wie die Karl-Marx-Allee gebaut wurde...
Allee unserer TräumeDieses Buch hatte mich neugierig gemacht: ich lese gern historische Romane über starke Frauen, habe mich auch schon mit der politischen Entwicklung der DDR beschäftigt, kenne die Karl-Marx-Allee von Besuchen ...
Dieses Buch hatte mich neugierig gemacht: ich lese gern historische Romane über starke Frauen, habe mich auch schon mit der politischen Entwicklung der DDR beschäftigt, kenne die Karl-Marx-Allee von Besuchen in Berlin, Architektur interessiert mich - kurz: es schien ein Buch wie für mich gemacht!
Doch leider wurden meine Erwartungen etwas enttäuscht (na gut, über die Höhe von Erwartungen lässt sich streiten...): ich wurde mit Ilse, „eine junge Architektin und ihr Traum von der größten Prachtstraße der DDR“ (hinterer Buchumschlag) nicht „warm“, phasenweise blieb sie mir fremd und zu distanziert von ihrem eigenen Leben. Erst in den letzten 150 Seiten sind Ilse und ich uns nähergekommen!
Ilse bekommt die Chance, am Wettbewerb für den Bau der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin teilzunehmen, ihr Entwurf wird akzeptiert und sie arbeitet als einzige Frau im Planungsstab mit. Ihr Wunsch ist es, für die Arbeiter des zerbombten Berlins und der noch jungen DDR helle lichtdurchflutete Wohnungen zu bauen, die bezahlbar sind UND über einen gewissen Komfort verfügen. Ihre männlichen Kollegen haben eher das Ziel, sich einen Namen als Architekten zu machen und ihre Karrieren zu fördern, bzw. zu verfestigen. Die Diskussionen waren mit ihren „Gockel-Allüren“ und den „Hahnenkämpfen“ für mich als Frau teilweise amüsant zu lesen, aber ab einem gewissen Punkt dachte ich: „nicht schon wieder“!
Ich habe mir zwischendurch immer mal wieder die Frage gestellt, warum ich keinen „Draht“ zu Ilse finden konnte. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die beiden Autoren viel indirekte Rede benutzt haben, als Beispiel: „Er improvisierte, dachte Ilse. Er weiß nicht weiter, und er ist zu betrunken, um einen Ausweg aus der Situation zu finden, in die er sich selbst gebracht hat...“ (S. 398) Dies ist aber nur ein kleiner Erklärungsversuch von mir...
Die Kapiteleinteilungen mit Ort und Jahreszahl haben mir gut gefallen, dadurch waren auch Rückblenden klar erkennbar. Jedoch stand bei jedem neuen Kapitel eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse, diese haben mich ziemlich gestört, weil sie mir keine überraschenden Momente erlaubten – ich habe mich letztendlich bemüht, sie zu „überlesen“…
Aber es gibt auch positives zu berichten: das Buch hat mir in der Tat durch seine fiktive Geschichte um Ilse (lt. Klappentext hat die Mutter des Autors an den Plänen um die Karl-Marx-Allee mitgewirkt) einige historische Ereignisse näher gebracht: der Wunsch der DDR–Führung nach einer Prachtstraße, der Leistungsdruck auf die Architekten, aber besonders auf die Arbeiter, deren Unmut über die Bedingungen ja bekanntlich im Aufstand vom 17.Juni 1953 mündeten und dessen Verlauf sehr beeindruckend geschildert wird - alles gut recherchiert und passend in die Geschichte eingebracht! Auch die letzten 150 Seiten haben mich wieder etwas versöhnt mit diesem Buch, hier konnte ich Ilses Handlungsweisen nachvollziehen, sie wurde für mich greifbarer, menschlicher und liebenswerter…