Hat mich nicht restlos überzeugt
Die ZeugenDie Handlung ist während des Jugoslawienkrieges 1992 in Split angesiedelt. Zum einen begleiten wir eine Gruppe Männer in den Kampf, bei dem einer getötet und ein anderer, Kreso, sein Bein verliert, als ...
Die Handlung ist während des Jugoslawienkrieges 1992 in Split angesiedelt. Zum einen begleiten wir eine Gruppe Männer in den Kampf, bei dem einer getötet und ein anderer, Kreso, sein Bein verliert, als sie auf eine Mine treten, die pikanterweise Kreso selbst gelegt hat. Aufgrund dieser Ereignisse sind die Männer völlig verroht und gleiten ins kriminelle Milieu ab. Sie erschießen den reichen serbischen Unternehmer als er sie beim Einbruch in seine Villa ertappt. Doch damit nicht genug, ist die zwölfjährige Tochter anwesend. Obwohl Zeugin des Mordes an ihrem Vater, wird das Mädchen zunächst nicht ermordet, sondern versteckt. Ein letzter Funken von Menschlichkeit? Oder ein perfider Plan?
Meine Meinung:
Ich persönlich halte dieses Buch nicht für einen Krimi oder Thriller. Das erste Drittel des Buchs beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem Geschehen an der Front. Erst dann beginnt langsam die Handlung rund um den Kriminalfall.
Daher ist das Buch für mich eher das Psychogramm einer verlorenen Generation. In einen Bürgerkrieg hineingestoßen, weiß kaum jemand mit der Situation umzugehen. Die Männer werden zu Kampfmaschinen, zu staatlich sanktionierten Mördern. Eine Woche Kampf, eine Woche frei – ein seltsamer Rhythmus, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.
Sehr gut ist die Dominanz der Familienbande geschildert, die quasi über dem staatlichen Gesetz steht. Die ethnische Zugehörigkeit entscheidet über Leben und Tod. Es scheint opportun zu sein, Serben ohne größere Gewissensbisse zu töten, wenn man selbst Kroate oder Bosnier ist (und umgekehrt). In Zeiten wie diesen, treten die latent vorhandenen Abgründe der Menschen deutlich zu Tage. Dass die Täter ein wenig Menschlichkeit zeigen und das Mädchen nicht töten, ist fast schon ein kleines Wunder.
Mit den Protagonisten bin ich nicht recht warm geworden. Vermutlich ist das auch nicht das Ziel von Jurica Pavlicic. Einige Charaktere sind trotz ihrer gewalttätigen Präsenz ein wenig flach. Das entführte Mädchen erscheint als vernachlässigte Randfigur, aus der einiges herauszuholen gewesen wäre.
Gut herausgearbeitet ist das Leben der Soldaten. Solange andere (Feinde) sterben, ist alles kein Problem. Erst als es einen aus der eigenen Gruppe trifft, können sie mit diesem Verlust nur schwer umgehen. Wir erfahren von Rachegefühlen, von Angst und Schmerzen. Die Männer sind sowohl Täter als auch Opfer. Der zerfallende Staat trägt wenig zur Deeskalation bei.
Das Leben der Zivilisten in den betroffenen Gebieten ist düster und von Korruption überschattet. Ohne das übliche Kuvert ist weder eine adäquate medizinische Behandlung noch sonst etwas zu bekommen.
Fazit:
Eher ein Sittenbild als Krimi oder Thriller, daher kann ich nur 3 Sterne vergeben.