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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.02.2019

Hamburg vor 100 Jahren

Die Villa an der Elbchaussee
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Selten, aber manchmal eben doch lese ich auch mal was historisches. Vor allem interessiert es mich, wie das Leben der Leute damals war. Dieses Buch spielt zwar vordergründig in der gehobenen Gesellschaftsschicht, ...

Selten, aber manchmal eben doch lese ich auch mal was historisches. Vor allem interessiert es mich, wie das Leben der Leute damals war. Dieses Buch spielt zwar vordergründig in der gehobenen Gesellschaftsschicht, aber auch diese hat so ihre Probleme, z.B. die Repressalien nach dem Weltkrieg oder die Inflation. Sehr interessant fand ich die Thematik der posttraumatischen Belastungsstörungen bei Kriegsheimkehrern, die damals ja gar nicht als solche diagnostiziert und behandelt wurden. Die Kerle sollten sich gefälligst zusammenreißen. Keep calm and carry on.

Der Leser begleitet hauptsächlich Frieda, wie sie durch Hamburg wandert (und dabei auch kleine, aber wirklich nur sehr kleine Einblicke in das Leben der armen Leute erhascht) und sich immer neue Schokoladenkompositionen ausdenkt. Ihr Vater ist für damalige Verhältnisse sehr liberal eingestellt und lässt ihr in ihrer Experimentierküche völlig freie Hand, was Frieda unendlich glücklich macht. Denn vor 100 Jahren fielen den feinen Damen lediglich Repräsentations- und Reproduktionsaufgaben zu. Für alles andere gab es Personal. Frieda hat allerdings ihren eigenen Kopf und will den durchsetzen. Auch als es darum geht, einen Ehemann für sie zu suchen.

Der Titel des Buches klingt sehr herrschaftlich, passt aber gar nicht zu diesem Buch, da die Familie erst ganz am Ende dorthin umzieht und die Villa auch überhaupt keine Bedeutung für die Geschichte hat.
Das Ende war für mich irgendwie unbefriedigend, zu abrupt. Aber eine kurze Recherche bestätigte meine Vermutungen: es gibt bald schon einen 2. Teil. Vielleicht wird da Friedas kleine Schokoladen-Manufaktur dann auch zur 'Dynastie', von dem im Titel schon so vollmundig die Rede ist.

Veröffentlicht am 07.02.2019

Frauenroman mit ernsteren Themen

Neues Glück in Willow Cottage
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Das Cover sieht nach einem netten Frauenroman auf dem Lande aus. Die Kurzbeschreibung bringt dazu den romantischen Faktor ins Spiel. Und all die Dinge, die versprochen werden, werden im Buch auch eingehalten. ...

Das Cover sieht nach einem netten Frauenroman auf dem Lande aus. Die Kurzbeschreibung bringt dazu den romantischen Faktor ins Spiel. Und all die Dinge, die versprochen werden, werden im Buch auch eingehalten. Aber das Buch ist auch noch so viel mehr. Ein Drama über häusliche Gewalt. Die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter. Ein 'Fixer Upper' Roman. Ein Buch über Freundschaft und Hilfsbereitschaft, und auch über vorschnelle Urteile und Mißverständnisse. Und wie die Beziehung zu einem liebenswerten aber etwas planlosen tauben Computerspiele-Nerd aussehen könnte erfährt man obendrauf auch noch.

Klingt nach ein bißchen viel - und ich muss zugeben dass mich der zweite Handlungsstrang um Carly und Fergus in der ersten Hälfte des Buches nicht so sehr interessiert hat wie der um Beth - aber die Autorin schafft es, all das zu einem großen Ganzen zu verweben, und jedem Aspekt auch die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ganz besonders gut fand ich, wie hier verschiedene Symptome für eine Mißbrauchs-Beziehung aufgezeigt werden, die neben der Körperverletzung alle auftreten und als Warnsignal dienen können. Das ist ein sehr wichtiges Thema, und es wurde hier gut umgesetzt. Doch auch andere Themen, wie zB der Hausumbau, wurde mit diversen schönen Szenen gut beschrieben.

Ich habe erst zum Schluss gesehen, dass dieses Buch im Original in 4 einzelnen Teilen veröffentlicht wurde. Davon ist hier nichts mehr zu merken, es liest sich wie ein (zugegeben langer) Roman aus einem Guss, ohne dass man mittendrin unnötige Wiederholungen hätte (für Leser die einen Teil ausgelassen haben). Also entweder wurde da im Lektorat nochmal sehr gut nachgearbeitet, oder es gab diese Einführungsszenen erst gar nicht. Und der Schreibstil ist wirklich gut gelungen, so dass das Buch trotz seines Umfangs keine wirklichen Längen für mich hatte.

Veröffentlicht am 30.01.2019

Spannendes Rittermärchen mit anspruchsvollem Schreibstil

Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe
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Die ersten drei Kapitel wurden noch von Michael Ende geschrieben, die folgenden 13 dann von Wieland Freund. Ich finde durchaus, dass sich der Schreibstil ändert, denn Wieland Freund versuchte natürlich ...

Die ersten drei Kapitel wurden noch von Michael Ende geschrieben, die folgenden 13 dann von Wieland Freund. Ich finde durchaus, dass sich der Schreibstil ändert, denn Wieland Freund versuchte natürlich die ausschweifend beschreibende Sprache von Michael Ende zu kopieren, doch schoss damit ein bißchen über das Ziel hinaus. Denn rausgekommen ist zwar eine literarisch sehr wertvolle Geschichte, aber für Kinder in der Zielgruppe 6-8 Jahre ist es sehr anstrengend wenn fast in jedem Satz ein eingeschobener Nebensatz vorkommt (der meist auch nur sehr Nebensächliches beinhaltet). So wurde ein Satz nicht selten auch mal bis zu 8 Zeilen lang. Zudem hat Freund die Angewohnheit, Dinge aus vorangegangenen Sätzen, oder sogar demselben Satz, gleich zu wiederholen. Ein Beispiel (doch es geht auch wesentlich länger und verschachtelter) "Unvorstellbar, dass ein Raubritter sich von Mama Dick in einen Waschzuber stecken lassen würde, wie sich Knirps in einen Waschzuber hatte stecken lassen, bevor er unter die Raubritter gegangen war." Beim Vorlesen habe ich solche Einschubsätze oder Wiederholungen teilweise weggelassen, sofern mir das so spontan möglich war. Ebenso wie ich zahlreiche Wörter, die entweder schon sehr veraltet sind und/oder im normalen Sprachgebrauch von Kindern niemals vorkommen, ausgetauscht oder zumindest für sie übersetzt habe.

Trotz kleinerer Kürzungen brauchten wir für das Vorlesen eines Kapitels 20-25 Minuten, das sollte man einplanen wenn es so wie bei uns die "Gute-Nacht-Geschichte" ist. Wir mussten immer rechtzeitig anfangen, damit wir zumindest 2 Kapitel pro Abend schafften, denn natürlich waren die Jungs immer sehr gespannt wie es weitergeht (auch wenn sich die Geschichte manchmal echt hinzieht, und es z.B. über 3 Seiten beschrieben wird wie sich Rodrigo Raubein versucht seiner Rüstung zu entledigen; oder Sokrates, der Papagei, über den möglichen Verlauf der Geschichte sinniert. Jüngere Kinder sind da eher ungeduldig und wollen lieber wissen wie es denn nun tatsächlich mit Knirps und Flip und Rodrigo Raubein weitergeht.

Meinen Jungs gefielen am besten die Erlebnisse von Knirps, vor allem seit dem Zeitpunkt wo er auf Prinzessin Flip stößt. Doch folgen wir nicht ausschließlich dem kleinen Jungen und seiner neuen Freundin, sondern die Geschichte wechselt hin und her zwischen bis zu 4 Erzählsträngen, die nach und nach zusammen kommen. Denn da gibt es noch die Familie Dick, die verzweifelt ihren Sohn sucht. Den melancholischen König Kilian, der sich um seine verschwundene Thronfolgerin sorgt. Und den fiese Zauberer mit seinem nachtschwarzen Drachen Wak, der selbst die Krone haben will.

Doch trotz der recht anspruchsvollen Erzählweise mit den verschiedenen Plots, ist die Geschichte an sich für Kinder ab 6 Jahren bestens geeignet. Mein jüngerer Sohn sagte, als wir etwa bei Kapitel 10 waren, "Mama, zuerst fand ich die Geschichte ja langweilig, aber jetzt finde ich sie total spannend." Ein größeres Kompliment gibt es fast nicht, wenn ein Buch es schafft, die Meinung seiner Leserschaft noch so 'herumzureißen'.
Den sehr künstlerischen Schreibstil hingegen wissen aber wohl eher ältere Kinder (ab 11 Jahren?) und Erwachsene zu schätzen.
Ich hätte 3,5 Sterne vergeben, die Jungs 4,5. Wir haben uns in der Mitte getroffen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Mary Poppins für Senioren

Unter uns nur Wolken
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Die Geschichte dieses Buches wird abwechselnd erzählt aus der Sicht von Ani - einer jungen Frau ohne Job, Arbeit, Wohnung oder Geld - und Tom - einem jungen Mann, der händeringend jemanden sucht, der sich ...

Die Geschichte dieses Buches wird abwechselnd erzählt aus der Sicht von Ani - einer jungen Frau ohne Job, Arbeit, Wohnung oder Geld - und Tom - einem jungen Mann, der händeringend jemanden sucht, der sich um seinen demenzkranken Opa Florian kümmert.
Ich finde, dass es diese Erzählform hier gar nicht gebraucht hätte, das hätte genauso wunderbar nur aus einer Sichtweise und gerne auch mittels eines personalen Erzählers geschrieben werden können. Gespannt verfolgt habe ich nur die Kapitel von Ani, für mich war Tom keine gleichwertige Hauptperson in diesem Buch - wenn dann war das eher Florian. Dessen Perspektive hingegen wäre sehr interessant gewesen!

Ich habe Ani sehr bewundert, wie tapfer sie bei diesem Job geblieben ist, der wahrlich kein leichter ist. Gut, sie hatte kaum Alternativen. Aber ständig diesen Boshaftigkeiten von Florian ausgesetzt zu sein hätte ich nicht lange durchgestanden. Denn der alte Mann war ja ziemlich ausdauernd mit seinen Schikanen. Aber Ani hat sich zum Glück nicht den Kräuteraufstrich vom Brot nehmen lassen.

Ich habe lange Zeit gerätselt, wieso das Buch diesen Titel hat. Gegen Ende hin wird es dann klar. Allerdings bin ich mir gar nicht so sicher, ob dieser Titel für die gesamte Geschichte so gut passt. Denn es geht im Buch sehr viel weniger um Florian und seine Greta, wie es uns die Kurzbeschreibung + nun auch Titel glauben machen will.
Die Cover-Illustration, finde ich optisch sehr ansprechend, aber sie hatte eigentlich auch eine ganz andere Erwartung an die Art der Geschichte in mir geweckt. Im Rückblick deute ich Ani nun als eine Art Mary Poppins für Florian.

Doch das sind alles nur Details am Rande und keine wirklichen Kritikpunkte, denn ich habe die Geschichte um Ani und Florian, und auch Tom, wirklich sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 15.01.2019

Auch für Young Adult Leser geeignet

Du bist mein Licht
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Dem Klappentext zufolge vermutete ich eine Liebesgeschichte mit vielleicht tragischem Ausgang, aber zumindest dramatisch. Und ja, es gibt auch eine Liebesgeschichte. Doch das wahre Drama wird in der Familie ...

Dem Klappentext zufolge vermutete ich eine Liebesgeschichte mit vielleicht tragischem Ausgang, aber zumindest dramatisch. Und ja, es gibt auch eine Liebesgeschichte. Doch das wahre Drama wird in der Familie von June offenbahrt. Was ich ehrlich gesagt auch sehr viel interessanter fand. Liebesgeschichten habe ich schon zuhauf gelesen, so etwas wie die Geschichte von Junes Familie nicht.

Die vielen Sprünge in der Zeit störten mich gar nicht, durch die klaren Zeitangaben zu Beginn des jeweiligen Abschnittes konnte man leicht folgen. Der Schreibstil ist wundervoll, was es mir leicht machte das Buch fast in einem Rutsch zu lesen. Nur zum Ende hin wurde es mir etwas zu spirituell.
Am bewegendsten fand ich ehrlich gesagt das Schlusswort der Autorin, das zwar nichts mehr mit dem Roman per se zu tun hat aber Sarah Kleck spricht hier ein sehr wichtiges und ganz reales Thema sehr eindringlich an und bringt ihre Botschaft ganz klar rüber. Vielen Dank dafür!

Das Buch ist wohl dem Genre der Frauenliteratur zugeordnet, aber ich finde das Thema des Buches bietet sich durchaus auch für Young Adult LeserInnen (ab ca. 16 Jahren) an (keine Sorge, alle Szenen sind jugendfrei!).