~~Ob wohl Takis Würger einkalkuliert hat, dass sein zweiter Roman „Stella“ einen solchen Sturm in der Literaturszene auslösen würde. Selbst Menschen, die den Roman gar nicht auf dem Schirm hatten, werden ...
~~Ob wohl Takis Würger einkalkuliert hat, dass sein zweiter Roman „Stella“ einen solchen Sturm in der Literaturszene auslösen würde. Selbst Menschen, die den Roman gar nicht auf dem Schirm hatten, werden jetzt aufmerksam, wenn TAZ und FAZ und Spiegel Rezensionen schreiben, in denen teilweise mit der wirklich großen Rezensentenkeule auf dieses sehr dünne und äußerlich eher unscheinbare Büchlein eingedroschen wird. Das Thema Nationalsozialismus und Judenverfolgung sind in den letzten Jahren sehr en vogue geworden im Belletristikbereich und werden auf jede nur erdenkliche Art und Weise in Romanen verwurschtet.
Die Frau, die seinem Buch den Namen Stella gibt, hat es wirklich gegeben. Sie war Jüdin und gleichzeitig eine der größten Denunziantinnen im Dritten Reich. Dafür wurde sie im realen Leben auch verurteilt und sie nahm sich das Leben. In Würgers fiktiven Buch – auf das Wort Fiktion muss man hier speziell nochmal hinweisen – verliebt sich ein junger Schweizer in eine Frau namens Kristin, von der er erst später erfährt, dass sie Jüdin ist und Stella heißt. Und auch, wie sie ihr Überleben in einer Diktatur sichern will, die jeden Juden vernichtet, dessen sie habhaft wird.
Wie gesagt, die Geschichte ist schmal und schnell erzählt. Würger findet treffende Worte, spart sich Ausschmückungen und Schönfärberei. Sein Held ist ein naiver Kerl, der lange vor Liebe blind ist und dem nicht mal auffällt, dass er einen bekennenden Nazi als Freund hat. Er bewegt sich wie ein Traumwandler in diesem NS-Deutschland und erst am Schluss ringt er sich durch, Farbe zu bekennen und Stellung zu beziehen.
Viele Rezensionen der Literaturkritiker bemängeln, dass Thema und reale Person der Stella hier in einem fiktiven Roman spielen. Mir hat gefallen, wie Würger das Leben dieser Frau aufgreift, die polarisiert und deren Schicksal doch nicht vergessen werden sollte. Man redet sich im Nachhinein leicht, dass man den Nazis Stand gehalten hätte, dass man so eine Geschichte nicht so scheinbar trivial erzählen darf. Aber ist nicht das Leben trivial? Ist Takis Würger nicht in Wirklichkeit erschreckend nah dran an den Menschen? Und darf nur große gewichtige vielseitige Literatur sich solch eines Themas annehmen?
Ich vergebe 5 Sterne für den Mut, für den Schreibstil, für die Anregung sich mit der Geschichte dieser Frau zu beschäftigen.