Ungewöhnlich, aber auch unentschlossen und etwas halbherzig
Die LeuchtturmwärterinDie Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich ...
Die Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich gar nichts weiß. Natürlich wird auf dem Klappentext noch ein "Geheimnis" angekündigt - ohne Geheimnis scheint es bei historischen Romanen kaum noch zu gehen.
Es läßt sich alles recht vielversprechend an - die Protagonistin Trudy berichtet als Ich-Erzählerin und das in einem flotten Schreibstil, durch den immer wieder mal intelligenter, gut beobachtender Humor durchblitzt. Man merkt schnell, Trudy ist ein helles Köpfchen, offen für Ungewöhnliches. In der ersten Hälfte des Buches erfahren wir abwechselnd von Trudys neuem Leben auf dem Leuchtturm und in Rückblenden von ihrem Hintergrund als Tochter aus gutem Hause. Das ist abwechslungsreich und der stetige Wechsel ist gut gemacht und liest sich angenehm. Wie diese aufgeweckte aber behütete junge Frau sich mit ihrem neuen Ehemann auf dieser einsamen Leuchttuminsel und mit den dort wohnenden Kollegen zurechtfindet, ist interessant, auch die Lebensumstände sind gut erklärt. Bei Trudys Rückblicken auf ihr früheres Leben merkt man dann aber schon das, was letztlich das Lesevergnügen immer mehr beeinträchtigt: die Geschichte plätschert ein wenig unentschlossen vor sich hin. Man liest ein wenig über Trudys Collegedasein, ein wenig über das Leben mit ihren Eltern, ein wenig über ihre Pläne, aber alles kommt nicht richtig in Gang, nirgendwo wird wirkliches Interesse geweckt. Was sie genau möchte, was sie antreibt, erfahren wir eigentlich nicht. In einer Szene möchte sie ganz dringend lernen, wie man ein Schiff fährt - warum sie das möchte, erfährt oder spürt man nicht. Als sie auf dem Schiff ist, langweilt es sie eigentlich und man fragt sich während der ganzen Szene, welchen Sinn diese nun eigentlich hat (abgesehen von dem, daß man erfährt, daß Trudy eine gute Beobachtungsgabe hat).
Trudy hat einen Verlobten, aber man weiß schon aus den Leuchtturmkapiteln, daß sie diesen letztlich nicht geheiratet hat. Nun sind aber sowohl ihr Verlobter als auch der Mann, den sie letztlich heiratet so blaß gestaltet, daß man weder sieht, warum sie den einen verläßt, noch warum sie sich zu dem anderen hingezogen fühlt. Den Charaktern fehlt das Leben, sie sind halbherzig gestaltet. Auch der Wechsel von einem Mann zum andren geschieht nebenbei - vorher wird zwar angedeutet, was für einen furchtbaren Skandal Trudy damit ausgelöst hat, aber beim Lesen merkt man davon nichts.
Weitere Erlebnisse Trudys auf dem Weg zum Leuchtturm, wo ihr Ehemann arbeiten wird, werden zwar ausführlich erzählt, eine lange Zugfahrt, einig Tage Aufenthalt in San Francisco, aber auch hier geschieht letztlich nicht viel, alles plätschert vor sich hin und trägt auch zur eigentlichen Geschichte sehr wenig bei.
In der zweiten Hälfte des Buches findet die Handlung nur noch auf der Leuchttuminsel statt. Hier sind nun aber die neuen Lebensumstände auch schon hinreichend geschildert und es schleicht sich auch hier dieses Halbherzige, Unentschlossene ein. Trudys Ehemann bleibt blaß, ihre Beziehung zueinander ebenfalls. Trudy macht ein wenig hiervon, ein wenig davon. Sie beginnt, sich für die Meereslebewesen zu interessieren, was eine große Leidenschaft von ihr werden soll, aber auch hier merkt man diese Leidenschaft überhaupt nicht. Sie erleidet eine Fehlgeburt, auch dies eigentlich nebenbei. Dann wird allmählich das so groß angekündigte Geheimnis aufgedeckt und auch hier liest man und denkt "Aha. Und nun? Das ist jetzt das Geheimnis?" Der blasse Ehemann ist plötzlich Feuer und Flamme und zeigt im letzten Viertel des Buches endlich etwas Profil, aber auch hier kann man seine plötzliche Leidenschaft für ein Thema nicht wirklich nachempfinden. Man bekommt mitgeteilt, welche Emotionen die Charaktere haben, aber man fühlt sie nicht. Ganz zum Ende kommt tatsächlich dann mal für einige Seiten ein wenig Spannung auf, aber so richtig fühlt man auch da nicht mit. Wenn man das Buch schließt, denkt man nur, daß hier eine Geschichte mit Potential so halbherzig erzählt wurde, daß die Möglichkeit verschenkt ist. Das ist besonders schade, da der Schreibstil zeigt, daß hier eigentlich mehr möglich gewesen wäre.