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Veröffentlicht am 26.03.2019

Über die Wichtigkeit von Menschlichkeit in unserer globalisierten Welt

Der Wal und das Ende der Welt
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Der Wal und das Ende der Welt – John Ironmonger

Eine Geschichte, die fast so in der Bibel stehen könnte…
Die Wichtigkeit der Menschlichkeit gerade in der heutigen globalisierten Welt

Dieser Roman spielt ...

Der Wal und das Ende der Welt – John Ironmonger

Eine Geschichte, die fast so in der Bibel stehen könnte…
Die Wichtigkeit der Menschlichkeit gerade in der heutigen globalisierten Welt

Dieser Roman spielt zum allergrößten Teil in St. Piran, einem idyllischen Fischerdorf in Cornwall, beinahe abgeschnitten vom Rest der Welt. Ausgerechnet hier überschlagen sich eines Tages die Ereignisse. Ein junger Mann wird angeschwemmt und von den Bewohnern des Dorfes geborgen. Beinahe zeitgleich strandet ein riesiger Wal an der Küste. Mit vereinten Kräften wird er wieder zurück ins Meer befördert. Dennoch spielt dieser Wal eine große Rolle in der Geschichte. Er steht sowohl für das Ende der Welt als auch für das Gute im Menschen.
Der junge Mann heißt Joe und ist aus London geflohen, wo er als Börsenhändler einen Dominoeffekt in Gang gesetzt hat. Steht nun der Kollaps der gesamten Zivilisation bevor? Und was genau hat der Wal damit zu tun?

Es sind liebenswerte, skurrile Menschen, die Bewohner von St. Piran, die Joe so gastfreundlich aufnehmen. Auf jeden Fall sind sie sehr authentisch und passen perfekt in ihr Fischerdorf, wo die neue, hektische Zeit noch nicht angekommen ist. Die moderne Finanzwelt, aus der Joe kommt, wirkt dagegen wie ein anderes Universum. Dennoch könnten gerade diese „rückständigen“ Menschen, die Rettung der Welt bedeuten, die Politiker und Trader vor die Wand gefahren haben. An sehr vielen Stellen (nicht nur die Sache mit dem Wal) fühlte ich mich an verschiedene Bibelgeschichten erinnert.

Trotz des apokalyptischen Szenarios ist dies ein Wohlfühlroman, der Mut macht und an die Menschlichkeit appelliert. Ob das ein realistisches Szenario ist, nun ja, darüber könnte man diskutieren. Es werden viele grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Wie wird sich der Mensch in der Not verhalten, was passiert dann mit der Gesellschaft? Auch die komplexen (finanz-) politischen und Handelsbeziehungen unserer heutigen globalisierten Welt werden sehr gut dargestellt.

Ironmonger ließ sich laut Klappentext von der Bibel, sowie zwei Sachbuchautoren inspirieren. Jared Diamonds „Kollaps“ habe ich selbst gelesen und sehr gemocht. So hat mich die Ausgangsituation sehr interessiert und der Roman las sich süffig. Allerdings bin ich nach wie vor unschlüssig, ob mir die Auflösung dieses Dilemmas in dieser Geschichte nun gefällt oder nicht.

Eine klare Leseempfehlung für eine ganz besondere Geschichte!

Veröffentlicht am 25.03.2019

Auf der Suche nach der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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Das Echo der Wahrheit- Eugene Chirovici

"Irgendwo in einer großen Stadt, die funkelt wie ein Diamant, hatten sich drei Schicksale für immer miteinander verwoben. Ob in Liebe oder Leid, war nicht mehr ...

Das Echo der Wahrheit- Eugene Chirovici

"Irgendwo in einer großen Stadt, die funkelt wie ein Diamant, hatten sich drei Schicksale für immer miteinander verwoben. Ob in Liebe oder Leid, war nicht mehr wichtig. Allzu häufig bedeuten die beiden ein und dasselbe." (Zitat)

Laut Verlag handelt es sich hierbei um einen psychologischen Spannungsroman. Tatsächlich würde ich das Werk als eine Mischung aus anspruchsvollem Krimi und spannendem Roman einordnen.

Der Multimillionär Joshua Fleischer konsultiert den berühmten Psychiater Dr. James Cobb. Er will endlich wissen, was in jener verhängnisvollen Nacht in den siebziger Jahren tatsächlich passiert ist. Wer war schuld an der Tragödie, die sein Leben für immer verändert hat und ihn nun seit Jahrzehnten nicht mehr loslässt. Er ist todkrank und will nicht sterben ohne zu wissen, was sich hinter seinen bruchstückhaften Erinnerungen verbirgt. Ist er am Ende selbst ein Mörder?
Cobb betritt ein Labyrinth aus Erinnerung und Täuschung. Wessen Erinnerung ist die richtige? Eine einzige Nacht, die das Leben mehrerer Personen für immer verändert hat. Nur was ist eigentlich passiert? Denn jeder der Beteiligten erinnert sich an etwas anderes.

Reizvoll und anspruchsvoll finde ich die Kombination aus verschiedenen, sich im Laufe der Zeit verändernden Erinnerungen und der offensichtlichen Geisteskrankheit eines der Protagonisten. Ist nicht ein schizophrener Beteiligter automatisch verdächtig?
Chirovici schreibt fesselnd und klug, in schöner Sprache, der man dennoch sehr gut folgen kann. Gerade die psychologischen Aspekte machen seine Geschichten so interessant.

Wie schon im "Buch der Spiegel" konstruiert der Autor kompliziert verschlungene Handlungsstränge, ein regelrechtes Labyrinth. Am Ende ist nichts so wie es scheint, man wird immer wieder überrascht.
Tatsächlich hat mir „Das Echo der Wahrheit“ noch besser gefallen. Ich fand es spannender, wenn es natürlich auch gewisse Parallelen in der Erzählweise gibt.
Einzig Cobbs Geschichte fand ich sehr dünn und konstruiert als Grund für die anhaltenden Nachforschungen.

Klare Leseempfehlung für alle, die das Besondere mögen und sich gerne auf psychologische Gedankenspiele einlassen!


Veröffentlicht am 01.03.2019

Ein empfehlenswerter Krimi mit blindem Protagonisten

Blind
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Blind - Christine Brand

Dieser Krimi überzeugt gleich durch zwei grundlegende Aspekte. Zum einen ist dies ein ungewöhnliches, aber authentisch-sympathisches Ermittlerduo aus Polizist und Journalistin. ...

Blind - Christine Brand

Dieser Krimi überzeugt gleich durch zwei grundlegende Aspekte. Zum einen ist dies ein ungewöhnliches, aber authentisch-sympathisches Ermittlerduo aus Polizist und Journalistin. Zum anderen der blinde Protagonist Nathaniel, der den Leser ganz unkompliziert in die Welt eines Blinden einführt und für daraus resultierende Schwierigkeiten sensibilisiert.

Nathaniel will wissen, welches der drei Hemden vor ihm blau ist. Dafür nutzt er eine spezielle App für Blinde, be-my-eyes, mit deren Hilfe er Kontakt zu einem zufällig und anonym ausgewählten, hilfsbereiten Sehenden erhält. Doch die Verbindung wird plötzlich unterbrochen, kurz zuvor hört Nathaniel noch einen Hilfeschrei der Frau am anderen Ende der Leitung. Er ist überzeugt, dass ihr etwas zugestoßen ist und schlägt sofort Alarm. Doch wer glaubt einem Blinden, der selbst noch mit den Folgen eines schweren Kindheitstraumas kämpft?

Die meisten Kapitel beschäftigen sich mit Nathaniel und dem Ermittlerduo. Immer mal wieder ist aber ein kürzeres Kapitel eingeschoben, in dem man erfährt, wie es dem (hochschwangeren) Opfer inzwischen ergeht.
Zum Inhalt möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr verraten. Die Schweizer Autorin hat hier einen besonderen Protagonisten geschaffen und stellt ihn und seine Probleme in der sehenden Welt sehr glaubwürdig dar. Auch das ein oder andere Vorurteil Behinderten gegenüber wird thematisiert. Schon lange konnte mich inhaltlich kein Krimi mehr derart fesseln und überzeugen.

Der Handlungsablauf und letztendlich die Auflösung des Falls sind komplex und wirklich geschickt konstruiert. Nicht nur einmal wird der Leser auf eine komplett falsche Fährte geschickt. Der Krimi bleibt durchgehend spannend und ist immer wieder für eine Überraschung gut. Lediglich den Einstieg fand ich leider etwas holprig, aber bei dem Thema (gynäkologische Untersuchung einer Schwangeren) bin ich wohl sehr kritisch (habe selbst drei Kinder). Sprachlich gesehen fielen mir gerade in dem Bereich ein paar Ausdrücke auf, die mich gestört haben. Nach den ersten paar Seiten ist das aber komplett verschwunden.

Insgesamt eine klare Leseempfehlung für Krimifans!

Veröffentlicht am 31.01.2019

Melancholisch und feinsinnig

Agathe
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Ein kleines, feines Büchlein. Ein vielversprechendes Debüt.

Ein 72-jähriger, ausgebrannter Psychiater und seine allerletzte Patientin, Agathe, die sich einfach nicht abwimmeln lassen will. Agathe scheint ...

Ein kleines, feines Büchlein. Ein vielversprechendes Debüt.

Ein 72-jähriger, ausgebrannter Psychiater und seine allerletzte Patientin, Agathe, die sich einfach nicht abwimmeln lassen will. Agathe scheint erst eine Patientin wie jede andere, doch bald verändert sich etwas in der Beziehung zwischen den beiden.
Im Vordergrund der Geschichte steht in erster Linie jedoch nicht die Patientin, wie es der Titel vermuten lassen würde, sondern der Psychiater selbst, von dem wir keinen Namen erfahren. Dieser ist in höchstem Maße einsam. Hat weder Familie noch Freunde, eigentlich überhaupt keinen Kontakt zu Menschen außerhalb seiner Praxis, zumindest erfahren wir nichts desto gleich. Und auch bei seiner Arbeit ist er zunehmend überfordert und geradezu genervt von den Problemen seiner Patienten. So zählt er beständig die noch verbleibenden Termine bis zum baldigen Ruhestand. Doch was kommt eigentlich danach?

Die Geschichte spielt in einem Pariser Vorort, 1948. Etwas seltsam mutet es daher an, dass der Krieg und seine Auswirkungen mit keinem Wort erwähnt werden und scheinbar überhaupt keine Rolle spielen. Die Autorin konzentriert sich offensichtlich voll und ganz auf das Seelenleben ihrer Protagonisten. Die Handlung wirkt somit zeitlos und würde in jedem beliebigem Rahmen gleich verlaufen. Vollkommen losgelöst von allen möglichen äußeren Umständen. Auch viele wichtige Hintergrundinformationen, zum Leben des Psychiaters etwa, fehlen komplett.

Sprachlich hat mir das Büchlein hervorragend gefallen. Locker zu lesen, dabei aber verspielt und tiefsinniger als auf den ersten Blick vermutet, trifft die Autorin Lebensweisheiten auf den Punkt. Mit wenigen Worten vermag sie viel zu sagen. Eine nachdenkliche, melancholische Grundstimmung bleibt zurück.

Insgesamt ungewöhnlich, aber durchaus empfehlenswert!


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Veröffentlicht am 29.12.2018

In den Wäldern Minnesotas

Eine Geschichte der Wölfe
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Eine Geschichte der Wölfe - Emily Fridlund

In den tiefen Wäldern Minnesotas: Lindas Familie ist ein Übrigbleibsel einer längst aufgelösten, in alle Himmelsrichtungen verstreuten Kommune. Geblieben sind ...

Eine Geschichte der Wölfe - Emily Fridlund

In den tiefen Wäldern Minnesotas: Lindas Familie ist ein Übrigbleibsel einer längst aufgelösten, in alle Himmelsrichtungen verstreuten Kommune. Geblieben sind Armut und Sprachlosigkeit, der Stempel des Außenseitertums und das Gefühl, nicht dazu zu gehören. So ist die 14-jährige ein sehr einsames, auch seltsames Mädchen, das in einer kargen Hütte mitten im Wald aufwächst. Als eines Tages eine junge Familie mit ihrem vierjährigen Sohn Paul ans gegenüberliegende Ufer des Sees zieht, ist Linda sehr empfänglich für neue Kontakte und es dauert nicht lange, bis sie für den Jungen als Babysitterin engagiert wird.

Eigentlich müsste Linda schon recht früh auffallen, dass mit der Familie irgendetwas nicht stimmt. Anzeichen dafür gibt es genug. Doch auf der einen Seite entstammt Linda selbst keinem "gewöhnlichen" Elternhaus, wie sollte sie dies also beurteilen, andererseits sucht sie so sehr nach freundschaftlichen Beziehungen, dass sie kaum etwas hinterfragt. So gehört sie bald beinahe zur Familie von Paul und seiner Mutter Patra. Als Pauls Vater nach längerer Abwesenheit wieder auftaucht, häufen sich die Warnhinweise, doch nun ist Linda schon viel zu abhängig, um Alarm zu schlagen. Von einem verunsicherten Mädchen in der Pubertät ist auch kaum zu erwarten, dass sie sich ihren Eltern hier anvertraut.

Dies ist das Debüt von Emiliy Fridlund und als solches sehr beachtenswert, wie ich finde. Denn dieser Roman ist handwerklich wirklich sehr sehr gut und raffiniert konstruiert. Auch eine durchgehend düstere, beunruhigende Grundstimmung gelingt ihr hervorragend. So entsteht ein Sog, dem sich der Leser kaum entziehen kann, zumal die Sprache sehr leicht zugänglich ist.

Die Protagonisten fand ich allesamt faszinierend, wenn auch seltsam. Die Autorin beschreibt hier eine Lebenswelt, die mir absolut fremd ist. Zwischen dem Freigeist einer (wenn auch bereits aufgelösten) Kommune und der Engstirnigkeit einer religiösen Sekte, versucht Linda ihren Weg zu finden.
Dabei fand ich auch sehr interessant, dass sowohl Rückblicke in ihre Kindheit gewährt werden, als auch Aussichten in ihre Zukunft als Erwachsene. Es wird sehr deutlich, wie stark Erlebnisse in Kindheit und Jugend prägend sein können.

Absolut empfehlenswert! Ein tolles Debüt!