Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.02.2019

Herz und vor allem Schmerz

Das Haus der Verlassenen
0

kommen in diesem Roman nicht zu kurz, denn es ist ein ernstes, ja tragisches Thema, das dieses Buch behandelt: nämlich ungewollt und vor allem ungeplant schwanger gewordene junge Frauen in den 1950er Jahren, ...

kommen in diesem Roman nicht zu kurz, denn es ist ein ernstes, ja tragisches Thema, das dieses Buch behandelt: nämlich ungewollt und vor allem ungeplant schwanger gewordene junge Frauen in den 1950er Jahren, die mit ihrem Schicksal vollkommen allein gelassen werden. Nicht zuletzt vom werdenen Vater, der mit der Situation nur zu oft nichts mehr zu tun haben will.

Viel wurde über irische Verhältnisse geschrieben, diesmal geht es um englische: die junge Ivy, 1956 von einem vielversprechenden Talent des lokalen Fußballvereins geschwängert, findet weder bei diesem noch bei ihrer Familie Unterstützung und landet in einem katholischen Heim, in dem sie ausgebeutet wird und ihr Kind nicht behalten darf. Auf tragische Weise lässt sie ihr Leben, nicht jedoch, ohne eine für die Zukunft entscheidende Bekanntschaft geschlossen zu haben.

Doch wie passt das alles zu Sam, die im Jahre 2017 als Journalistin tätig ist und es als alleinerziehende Mutter nicht leicht hat. Sie gerät durch Zufall an die Story, die sie nicht mehr loslässt. Doch dann...

Nein, mehr erfahren Sie von mir nicht, außer dass es mannigfaltige Wendungen und überraschende - teilweise etwas zu konstruierte - Entwicklungen gibt, die den Leser - oder eher die Leserin, denn dieses ist ein typischer Frauenroman bis zum Schluss am Ball bleiben lassen. So auch mich, obwohl ich das ein oder andere Mal die Augen verdreht habe. Aber trotzdem wollte ich erfahren, wie es weitergeht.

Autorin Emily Gunnis schreibt mit viel Herz und ein bisschen Schmalz über ein trauriges Thema und schont hier wirklich niemanden. Schade, dass sie darüber vergisst, die ein oder andere Wendung weiter zu verfolgen oder abzuschließen. Doch insgesamt habe ich diesen Roman, der streckenweise sogar etwas von einem Krimi hat, zum Ende hin jedoch getrost mindestens als Spannungsroman bezeichnet werden kann, gerne gelesen, auch wenn er mir langfristig sicher nur bruchstückhaft in Erinnerung bleiben wird. Etwas für lange und dunkle Winterabende - doch sehen Sie zu, dass sie nicht alleine in ihrer Wohnung oder zumindest im Haus sind!

Veröffentlicht am 28.01.2019

Vor dem Ruhestand

Agathe
0

Ein Psychiater blickt sehnsuchtsvoll auf seinen baldigen Ruhestand, den er sich mit 72 Jahren ja auch verdient hat. Die letzten fünf Monate - soviel Zeit gibt er sich noch - plant er mehr oder weniger ...

Ein Psychiater blickt sehnsuchtsvoll auf seinen baldigen Ruhestand, den er sich mit 72 Jahren ja auch verdient hat. Die letzten fünf Monate - soviel Zeit gibt er sich noch - plant er mehr oder weniger "abzufrühstücken", die Termine mit den Patienten nur abzusitzen.

Doch dann passiert so einiges - aus heiterem Himmel muss er für eine unvorhersehbare Zeitspanne ohne seine Sekretärin, die die Praxis quasi "schmeisst" auskommen. Vor ihrem Weggang drückt sie ihm jedoch entgegen der klaren Absprache noch eine neue Patientin aufs Auge - eben Agathe. Sie ist anders als alle bisher dagewesenen und durch sie beginnt er seine Arbeit und auch sich selbst in einem anderen Licht zu sehen.

Man schreibt das Jahr 1948 und der Protagonist ist über 35 Jahre in seiner Praxis in Paris tätig. Ich habe mich gefragt, wie er darin quasi unbeschadet zwei Weltkriege und mehrere Regierungen, von denen vor allem eine ziemlich extrem war, überstehen konnte.

Die dänische Autorin Anne Cathrine Bomann schreibt sehr fokussiert, sie klammert das Umfeld, sämtliche Entwicklungen, die für ihre Geschichte aus ihrer Sicht nebensächlich sind, komplett aus. Mich als Historikerin hat das bei der Lektüre sehr gestört, denn dadurch wurden gewisse Entwicklungen für mich kaum nachvollziehbar, ja eigentlich unlogisch.

Ich weiß, als Leser sollte man sich nicht auf derartige Nebenschauplätze versteifen, aber der Leser ist ja ebenso wie der Autor ein Individuum, das von zahlreichen Einflüssen geprägt ist und somit auch - bewusst oder unbewusst - unzählige Erwartungen mit sich bringt. In diesem Falle passte die Ausführung der Autorin definitiv nicht zu den Erwartungen der Leserin!

Auch mit dem Stil hatte ich durchaus meine Probleme, wenn ich auch stellenweise die unterhaltsamen, ja humorvollen Einsprengsel durchaus genießen konnte. Doch leider erschien mir der Roman trotz seiner Kürze zu häufig als zu langatmig und als zu belanglos in seinen Schilderungen - die Botschaften der Autorin, so scheint es, gingen häufig an mir vorbei - um ihn uneingeschränkt genießen zu können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Geschichte
  • Gefühl
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 27.01.2019

Friedrichshain, du meine Hoffnung

Allee unserer Träume
0

So wie heute die coolen Berliner auf Friedrichshain, das angesagteste Viertel überhaupt, ihre Hoffnung, nein: vielmehr ihre Zukunft setzen, so setzten in den frühen Jahren der DDR auch manche ...

So wie heute die coolen Berliner auf Friedrichshain, das angesagteste Viertel überhaupt, ihre Hoffnung, nein: vielmehr ihre Zukunft setzen, so setzten in den frühen Jahren der DDR auch manche derer, die damals an diese Staatsform glaubten - und auch einige, die dies nicht taten, alles, was möglich war, darauf. Besonders auf die Karl-Marx-Allee, die zunächst Stalinallee hieß und etwas ganz Großes werden sollte - aus dem Schutt und Staub, zu dem Berlin auch in diesem Stadtteil im Zweiten Weltkrieg geworden war, sollten neue Gebäude, wahre Prachtbauten, wie Phönix aus der Asche aufsteigen. Kurzum: hier sollte die neue Prachtallee der DDR entstehen, die bis ins Herz der Stadt, nach Mitte also, führen sollte.

Die Autoren Ulrike Gerold und Wolfram Hänel beschreiben in ihrem Roman "Allee unserer Träume" das Schicksal der Architektin Ilse, die Teil des Teams ist, das diese Allee plant und zu errichten beginnt - auch über Ilses Leben vor und nach dieser Zeit. Ilse war eine von denen, die eher in die Sache hineingerieten - von der Staatsform als solcher war sie nicht überzeugt: was für sie wichtig war, war die Realisierung ihrer Ideale in ihrem Spezialbereich, der Architektur.

Fiktive Schicksale sind es, die die Autoren schildern, doch hinter allem steckt ein Körnchen Wahrheit - wenn auch Lichtgestalten der DDR-Architektur wie Hans Scharoun nicht im Roman vorkommen, haben er und seine Kollegen doch jeweils ein Pendant im Roman. Eines, das zwar nicht unbedingt 1:1 an das jeweilige "Vorbild" angelehnt ist, aber sich in das Team fügt, zu dem Besonderen, was daraus und aus der Arbeit wird, beiträgt.

Ilse ist die einzige Frau des Teams und auch, wenn sie als Architektinnicht wie heute ihren Weg gehen kann, steht sie ihren Mann - auf eine sehr eigene, verwegene Art und Weise.

Ilses Schicksal hat - wie man sich denken kann - Höhen und Tiefen, ebenso wie die Beschreibung ihrer Person. Manche Ausführungen werden zu sehr in die Länge gezogen, dagegen werden andere Stationen ihres Lebens, die möglicherweise wichtig gewesen wären, nur nebensächlich abgehandelt. Die Zeit der Nationalsozialisten kommt fast gar nicht zur Sprache. Und so kann sich der Leser ein nur unvollständiges Bild davon machen, was Ilse und die andere Figuren bewegte, was sie prägte und was sie abstieß.

Ein unglaublich spannendes Thema "verbraten" die beiden Autoren in diesem Roman, doch leider, leider vermögen sie - zumindest aus meiner Sicht - nicht durchgehend, es vollkommen auszufüllen, ihm Leben einzuhauchen, den Leser zu bewegen, ihn ins (Ost)Berlin der 1950 Jahre zu versetzen. Dabei hätten einige wenige Sätze an der ein oder anderen Stelle, auch das Weglassen manch anderer Ausführungen genügt, um dies zu ändern.

Eine spannende Zeit, über die hier ein nicht ganz so spannender Roman geschrieben wurde! Dennoch - es sollte jeder Leser entscheiden, ob ihm das alles reicht, oder ob ihm zu viel fehlt. Für mich ist dies ein vielversprechender Roman, aus dem wesentlich mehr hätte werden können!

Veröffentlicht am 19.01.2019

Auf der Suche nach einer Romanfigur

Ein gewisser Monsieur Piekielny
0

Die litauische Hauptstadt Vilnius sowie ein rätselhafter Mann, eben Monsieur Piekielny, weckten mein Interesse für diesen Roman, der sich schließlich in einer Suche nach einem Autor aus vergangenen Zeiten, ...

Die litauische Hauptstadt Vilnius sowie ein rätselhafter Mann, eben Monsieur Piekielny, weckten mein Interesse für diesen Roman, der sich schließlich in einer Suche nach einem Autor aus vergangenen Zeiten, nämlich Romain Gary verlor.

Der Ich-Erzähler: das ist wirklich der Autor dieses Romans, der junge Francois-Henry Désérable. Als Leser weiß man aber nie, ob er auch Wahres berichtet, denn er hat seine Ausführungen hinter der Klassifizierung "Roman" verschanzt.

Ich in meiner Naivität habe mir, als ich zu diesem Buch griff, nicht bewusst gemacht, dass hier eigentlich dem Autor und Träger des Prix Goncourt Romain Gary nachgespürt wird, der mich - wie viele andere Träger dieses durchaus anerkannten Preises - nicht die Bohne interessiert. Dabei kannte ich ihn bereits seit meiner Kindheit, war ich doch begeisterte Leserin des Bertelsmann-Bandes "Autoren in Wort und BIld", den meine Eltern als einen Quartalskauf besorgt hatten und den ich mindestens einmal in der Woche zur Hand nahm.

Inzwischen weiß ich etwas mehr: jüdischer Abstammung aus Litauen, ein Zeitgenosse und Freund von Albert Camus, Autor einiger bekannter Romane, vor allem von " Frühes Versprechen", Schullektüre in Frankreich, das hier nicht nur einmal zur Sprache kommt. Eine dort erwähnte Figur, nämlich dieser Monsieur Piekielny, ist es, der den Spürsinn des Autors Désérable weckt, als er in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, zufällig vor das ehemalige Wohnhaus von Romain Gary gerät.

Auch wenn eine Eloge die nächste jagt - mich konnte das Buch nicht begeistern. Ich muss vielmehr ständig an das Prinzen-Lied "Alles nur geklaut" denken und das nicht nur deswegen, weil mich Stil und Art der Auseinandersetzung des Autors mit dem Thema nicht nur einmal an Modianos "Ein junger Hund" erinnert. Ausgerechnet Modiano, den Désérable nicht nur einmal erwähnt und trotz des errungenen Nobelpreises nicht gerade mit Lorbeeren umkränzt.

Nun ja, meine Meinung ist eine überaus subjektive - vielleicht werden Sie ja den vielen Lesern folgen können, die ein begeistertes Loblied singen.

Veröffentlicht am 08.01.2019

Eisige Winde

Die Schneetoten
0

wehen durch das Wintercamp, das die ehemalige Entwicklungshelferin Amanda Doucette gemeinsam mit einigen Helfern für junge Leute, die es nicht einfach haben, organisiert: es sind zumeist Flüchtlinge, vor ...

wehen durch das Wintercamp, das die ehemalige Entwicklungshelferin Amanda Doucette gemeinsam mit einigen Helfern für junge Leute, die es nicht einfach haben, organisiert: es sind zumeist Flüchtlinge, vor allem aus dem Nahen Osten, genauer gesagt ist nur ein echter Kanadier, nämlich Luc, dabei. Und der verscherzt es sich alsbald mit allen anderen "Kollegen", wobei er nicht der Einzige ist, der Animositäten weckt.

Und dann ist er auch noch weg! Nicht ganz spurlos verschwunden - denn Amanda und auch ihr Team kennen sich in der kanadischen Wildnis bestens aus und sind somit unter anderem geübte Fährtenleser.

Dennoch - Luc ist schlicht unauffindbar. Und dann verschwindet eine Zweite, nämlich Yasmina, die mit ihrer Familie - die Eltern sind Wissenschaftler- aus dem Irak geflohen ist. Ist es tatsächlich möglich, dass gerade sie sich radikalisiert hat? Darauf deuten nämlich verschiedene Hinweise. Und was ist mit Luc? Auf welcher Seite steht er? Die Blicke, die Yasmina und er sich im Camp zugeworfen hatten, sprachen nämlich Bände...

Ein Krimi, in dem es durchaus auch mal härter zugeht und Blut fließt. Und das nicht zu knapp! Aber eben nur stellenweise, ansonsten sind es eher politische und soziale Fragestellungen, die hier eine Rolle spielen. Und eben Kanada mit seinen schneebedeckten Weiten und den charismatischen Städten. Kanada, das sich so offen gegenüber Flüchtlingen verhält, ist sozusagen einer der maßgeblichen Helden dieses Bandes - man könnte sogar sagen, dass das Land Kanada Amandas engster Unterstützer ist. Und manchmal auch - aber eher selten - ihr größter Feind.

Beim Einbringen eines so gewaltigen Naturschauspiels in den Krimi, ist es aus meiner Sicht nicht allzu verwunderlich, dass Längen in der Handlung entstehen, gerade auch bei langwierigen Szenen in der schneebedeckten Landschaft, die einen nicht geringen Teil der Handlung bestimmen.

Leider kein Buch wie ein Orkan, sondern stellenweise fast ein bisschen dröge. Wenn auch die Themen sehr interessant und vor allem auch aktuell sind, in jeder Hinsicht. Ein Krimi, den man mal gut im Urlaub lesen kann, aber nicht im Strandkorb. Das ist was für den Winterurlaub, zwischen Après Ski und Nachtruhe auf der Hüttn!