Vielversprechende Idee, leider nicht durchweg gelungen umgesetzt
Lass sie nicht in dein HausDer Klappentext des Buches macht neugierig. Zwei Frauen, Melanie und Abi, ehemals beste Freunde, seit 17 Jahren ohne Kontakt. Nun meldet sich Abi, sucht den Kontakt und tut dies anscheinend mit sinistren ...
Der Klappentext des Buches macht neugierig. Zwei Frauen, Melanie und Abi, ehemals beste Freunde, seit 17 Jahren ohne Kontakt. Nun meldet sich Abi, sucht den Kontakt und tut dies anscheinend mit sinistren Motiven. Ich habe mir daraufhin einen raffinierten Psychothriller erwartet.
Es läßt sich recht gut an, die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, mal berichtet Melanie, mal Abi, später kommen auch andere Charaktere zu Wort. Melanie und Abi könnten gegensätzlicher nicht sein. Melanies Leben stellt sich für mich recht trostlos da - mit Mann und drei Kindern lebt sie in einer Siedlung, in der alle Häuser gleich aussehen; des Tagesablauf ist bestimmt von den Bedürfnissen der zwei kleineren Kinder, das Haus ein wenig ramponiert und unordentlich, Melanie ohne Zeit und Muße, sich um sich und ihre Beziehung zu kümmern. Abi dagegen hat es zur mittleren Fernsehprominenten in den USA geschafft, hat einen reichen Mann, kennt Berühmtheiten, ist gepflegt und attraktiv. Beides für mich kein erstrebenswerter Lebensstil, aber Abi wirkt auf viele schillernd und kommt mit einem ganz anderen Selbstbewußtsein daher als Melanie. Diese Gegensätze, das Aufeinandertreffen der beiden früheren Freundinnen und das allmähliche Einnisten von Abi in Melanies Leben werden auf etwa 200 Seiten recht ausführlich und gemächlich beschrieben. Kleine Andeutungen weisen darauf hin, daß in der Vergangenheit etwas vorgefallen ist und man merkt schnell, daß Abi nicht mit positiven Motiven agiert, weiß aber noch nicht genau, was sie vorhat. Mir hat dieser Teil des Buches ausgezeichnet gefallen und mir fehlte die Spannung nicht, denn es gab genügend Entwicklungen und wir erfuhren allmählich immer neue Facetten der beiden Hauptpersonen.
Störend fand ich allerdings hier schon, was im Laufe des Buches immer stärker wird: die Autorin scheint noch nie von „show, don’t tell“ gehört zu haben. Sie vermittelt nur sehr selten etwas durch Handlung und Dialoge, sondern erklärt es dem Leser ausführlich. Gedanken, Motive, Persönlichkeiten werden uns oft recht plump auf dem Tablett serviert. Wenn etwas dann doch mal gezeigt wird, wird es zur Sicherheit oft noch zusätzlich erklärt. Das ist überflüssig und ärgerlich. Manche Dinge werden uns gleich mehrfach erklärt, noch ärgerlicher. Man hätte hier vieles so herrlich raffiniert darstellen können, diese Möglichkeit wurde fast komplett verschenkt und das Lesevergnügen dadurch beeinträchtigt.
Auch sonst gibt es leider viele Längen. Erinnerungen der Charaktere sind viel zu detailreich, Tagesabläufe werden enervierend ausführlich beschrieben, jeder Schritt erläutert. Man hätte meines Erachtens um die 100 Seiten ersatzlos streichen können.
Die Charaktere reagieren oft nicht plausibel und nicht ihrem Charakter entsprechend. An manchen Stellen hatte ich beim Lesen das Gefühl, daß die gesamte Charakterentwicklung über den Haufen geworfen wurde, um die Geschichte in die gewünschte Richtung zu erzählen. Einige der Motivationen waren ebenfalls für meinen Geschmack zu weit hergeholt, zu unlogisch oder zumindest übertrieben. Abis Plan enthüllt sich uns zu Ende, er ist aber auf so viele unsichere Komponenten aufgebaut, daß es mir nicht plausibel erschien, daß eine intelligente Frau auf einen solchen Plan verfällt. Das Ende selbst ist leider auch ein wenig antiklimaktisch. ich brauche keinen langgezogenen gewalttätigen Showdown, im Gegenteil, aber hier verpufft alles irgendwie und ließ mich ein wenig enttäuscht zurück.
Nun gab es aber auch durchaus Gutes in dem Buch. Die Grundidee gefällt mir. Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Lebensstile und Persönlichkeiten von Abi und Melanie fand ich gelungen und interessant, ebenso wie die Gedanken und Gefühle, mit der beide Frauen auf das Leben der jeweils anderen blicken. In manchen Rezensionen zum Buch wird Vorhersehbarkeit bemängelt - ich fand das Buch nicht zu vorhersehbar. Es gab für meinen Geschmack mehrere gute und überraschende Wendungen. Das Erzähltempo per se fand ich nicht übel, denn ich mag diese allmählichen Entwicklungen, wenn sie gut dargestellt sind. An der Darstellung haperte es aus o.e Gründen eben leider, aber im Großen und Ganzen ließ sich das Buch recht gut lesen. Aber für den erwarteten raffinierten Psychothriller reichte es leider nicht.