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Veröffentlicht am 03.03.2019

Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale

Herrlich wie am ersten Tag
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Goethes Umgang mit Sprache war meisterhaft und man kann vor dieser Wortgewalt oft nur bewundernd stehen und staunen. In diesem Buch sind nun 125 seiner Gedichte versammelt, zu jedem Gedicht gibt es Gedanken ...

Goethes Umgang mit Sprache war meisterhaft und man kann vor dieser Wortgewalt oft nur bewundernd stehen und staunen. In diesem Buch sind nun 125 seiner Gedichte versammelt, zu jedem Gedicht gibt es Gedanken und Interpretationen deutschsprachiger Autoren. Diese erschienen ab 1974 wöchentlich in der FAZ und wurden hier in einem Buch zusammengefaßt - eine sehr gute Idee. Wie bei allen insel Taschenbüchern ist die Aufmachung ansprechend.

Die Gedichte werden in mehr oder weniger chronologischer Reihenfolge präsentiert, so daß wir Goethe poetisch durch sein Leben begleiten können. Auf dies eine hervorragende Idee - viele der die Gedichte kommentierenden Texte gehen auf seine jeweilige biographische Situation ein, so daß wir hier auch eine Art Biographie haben. Zudem kann man durch diese Darbietung den sich verändernden Stil Goethes beobachten. Die sprudelnd enthuisiastische Lebensfreude der ersten Gedichte führt allmählich zu dem manchmal resignierten, manchmal gelassenen kontemplativen Stil der Altersgedichte.

Die Gedichte selbst sind eine gute Mischung aus bekannten und unbekannten Werken. Es sind Gedichte dabei, die mir den Atem nahmen und welche, bei denen ich etwas gleichgültig die Schultern zuckte. Auch der große Goethe hat nicht nur perfekte Gedichte verfaßt. Am besten war er meiner ganz persönlichen Meinung nach immer, wenn er über die Natur schrieb. Niemand sonst kann die vielfältige Schönheit der Natur so wundervoll einfangen, in solch atemberaubende Wortschöpfungen kleiden. Das "Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale" aus der Rezensionsüberschrift ist eine solche Gedichtzeile, die ich wieder und wieder las. Die meisten hier abgedruckten Gedichte sind ein wahres Vergnügen, die Auswahl gut getroffen.

Auch die begleitenden Texte bieten wechselndes Lesevergnügen und leider waren hier jene Texte,die ich nicht so gelungen fand, doch häufiger. Dies ist eine absolute Geschmackssache und das ist auch einer der Pluspunkte dieses Buches - über 75 Autoren haben ihre Interpretationen und Kommentare beigetragen, jeder hat seinen individuellen Stil und seine Sichtweise eingebracht, und so findet sich für jeden Leser viel Nützliches und Angenehmes, wenn es auch eben von Leser zu Leser differieren wird, welche der Kommentare als nützlich und angenehm empfunden werden. Viele verlieren sich für meinen Geschmack zu sehr in Versrhythmen und technischen Bemerkungen zu Jamben und dergleichen. Gabriele Wohmann schrieb lieber über sich selbst als über das jeweilige Gedicht. Klara Obermüller zwingt dem Gedicht "Das Veilchen" eine verkrampft-feministische Deutung auf; stellt selbst fest, daß diese eigentlich nicht paßt und preßt das Gedicht dann trotzdem in ein feministisches schwarz-weiß Weltbild. Marcel Reich-Ranicki empört sich wie ein beleidigter Junge über das satirisch-plumpe Gedicht "Rezensent" und unterstellt Volksverhetzung, Unterstützung der Todesstrafe und Gegnerschaft der Meinungsfreiheit. Falls er das nun auch satirisch gemeint hat, ist das seinem Text nicht anzumerken. Dafür trägt er mit seinem Kommentar zu "Alle Freuden, die unendlichen" dann wieder einen der schönsten Texte des Buches bei - ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Kommentare und Interpretationen. Einige mir bislang unbekannte Autoren haben so wundervolle Kommentare verfaßt, daß ich gleich nachsah, welche Bücher sie geschrieben haben, und so neue Autoren für mich entdeckte. Das Buch ist auf mehrfache Weise eine Fundgrube.

Und so bekam ich hier einen tieferen Einblick in Goethes Lyrik und Leben, in die verschiedenen Sichtweisen der Kommentatoren, entdeckte manch mir unbekannte Gedichtperle und eben auch manch mir unbekannten Autor.

Veröffentlicht am 06.02.2019

Zusammenhänge und Hintergründe hervorragend erklärt

Die Besiegten
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Robert Gerwarth hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk geschaffen, daß auf eine oft etwas vernachlässigte historische Epoche blickt - die Jahre direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Er konzentriert sich ...

Robert Gerwarth hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk geschaffen, daß auf eine oft etwas vernachlässigte historische Epoche blickt - die Jahre direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Er konzentriert sich auf die Situation den Ländern, die den Krieg verloren haben und unbeschreibliche Umwälzungen, verbunden mit einer erschreckenden Gewaltwelle, durchleben mußten.

Während mir die Situation in Russland relativ bekannt war, ebenso wie natürlich die Lage in Deutschland, wußte ich bislang sehr wenig über die Nachkriegsjahre in der Türkei, Bulgarien, Ungarn, Polen oder selbst Österreich. Insofern konnte ich hier viel lernen, auch wenn mich nicht alle Länder gleichermaßen interessiert haben. Dies ist aber natürlich nicht dem Buch anzulasten. Auch die Geschichte der russischen Revolution habe ich selten so gut erklärt gelesen. Robert Gerwarth gelingt es nämlich ausgezeichnet, Zusammenhänge und Hintergründe klar zu erklären. So bekommt man teilweise einen ganz neuen Blick auf viele Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Jahre und Jahrzehnte hinaus - teils bis heute.

Der differenzierte Blick der Autors hat mir sehr gut gefallen. Es hilft dabei, viele Geschehnisse besser einzuordnen und ebenfalls die "andere" Seite zu sehen, zu verstehen. Gerwarth scheut auch nicht davor zurück, vorgebliche Motive und Doppelmoral darzustellen. Präsident Wilson, der das nationale Selbstbestimmungsrecht und moralische Werte publikumswirksam hochhielt, aber dies nur für Weiße relevant hielt und gleichzeitig im eigenen Land Segregation kräftig unterstützte und die ehemaligen Kolonialvölker für unfähig hielt, sich selbst zu verwalten, ist ein gutes Beispiel.

Das spezielle Klima nach dem Krieg, welches der "Gewaltlogik" die Wege ebnete und in einer unvorstellbaren Ausartung von Gewalt mündete, wird ebenfalls gut beschrieben. Es ist immer wieder erschreckend zu lesen, wie beide extremistische Richtungen Gewalt und Terror gegen Andersdenkende (und auch völlig Unbeteiligte) als legitim ansahen. Ebenfalls interessant, wie Mussolinis Taktik der von ihm initiierten Gewalt auf den Straßen, verbunden mit dem Versprechen, daß unter seiner Regierung wieder Ordnung herrschen würde, aufging und von Faschisten anderer Länder - leider erfolgreich - kopiert wurde. Dies alles wußte ich so ungefähr, es wird aber in diesem Buch klar und gut erklärt.

Manchmal waren die Schilderungen etwas zu detailverliebt für meinen Geschmack, gerade auch, wenn Gerwarth die Geschehnisse Land für Land betrachtet. Letztlich ähneln sich die Vorgänge in vielen Ländern sehr, und so liest man für jedes Land ausführlich Ähnliches, was etwas anstrengend ist. Da Gerwarth die Vorgänge thematisch sortiert, springt er zeitlich in den einzelnen Kapiteln manchmal etwas hin und her. Wenn man mit der Geschichte eines Landes nicht so vertraut ist, ist es etwas irritierend, wenn man eben erst ausführlich von den Geschehnissen bis Sommer 1919 liest, und im nächsten Kapitel plötzlich in den Herbst 1918 zurückgeworfen wird. Es gibt keine Zeitleiste, die die Einordnung vereinfacht hätte. So war trotz der an sich klaren Erzählweise das Lesen manchmal etwas mühsam.

Im Ganzen aber überzeugt der Stil, die Informationen sind wertvoll, die Zusammenhänge beeindruckend erklärt. Ein sehr gelungenes Buch.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Fein beobachtet, wundervoll geschildert

Effi Briest
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Effi Briest lese ich immer wieder gerne. Theodor Fontane hatte einen ungemein angenehmen Schreibstil: die genauen Beobachtungen, die lebendigen Charaktere und der feine Humor. Die Geschichte fließt in ...

Effi Briest lese ich immer wieder gerne. Theodor Fontane hatte einen ungemein angenehmen Schreibstil: die genauen Beobachtungen, die lebendigen Charaktere und der feine Humor. Die Geschichte fließt in seinen Büchern immer recht gemächlich dahin, Effi Briest hat sogar noch ein verhältnismäßig flottes Tempo (für Fontane-Verhältnisse!). Es geht auch vorwiegend um die Schilderungen der Gesellschaft, der Menschen, ihrer Intentionen und Gefühle. Hier ist dies eingebettet in eine zum Ende hin durchaus dramatische Geschichte, die aber doch sehr ruhig erzählt wird, was sicher nicht jedermanns Sache ist.

Effi Briest liest sich angenehm, man ist gleich mitten in dieser preußisch-kaiserlichen Welt, die Fontane immer so exzellent zum Leben erwecken kann. Die Schilderungen der jeweiligen Orte sind detailverliebt, unterbrechen für mich aber den Erzählfluß nie. Zwischendurch gibt es einige für meinen Geschmack zu lange Exkurse zu politischen oä Themen, dies aber zum Glück weniger intensiv als zB bei Fontanes "Irrungen, Wirrungen". Die Charaktere sind auf typische Fontane-Art hervorragend geschildert.

Eine weitere Stärke Fontanes ist, daß er einige Dinge bewußt im Unklaren läßt (so zB die Ursache des Spuks) und dem Leser somit auch über das Lesen hinaus Gedankenstoff mitgibt. So gibt es zu dem Buch auch zahlreiche Diskussionen über den Spuk und natürlich die Schuldfrage(n), wenn es um Ehe, Ehebruch und den Umgang damit geht. Fontane stellt, ohne zu urteilen, die Motivationen und Gedanken mehrerer Parteien dar. Genau das ist die Stärke dieses Buches und sicher ein Grund dafür, daß es sein bekanntestes Werk ist. (Es ist auch etwas, was Hermine Huntgeburth in ihrer ausgesprochen einseitigen, von der Vorlage übel abweichenden Buchverfilmung von 2009 entweder nicht erkannt oder bewußt mißachtet hat - schade, daß hier der im Buch durchaus vielschichtige Innstetten platt zum Bösewicht und Effi eindimensional zum Opfer gemacht wurde.).

Diese vielseitigen Charaktere machen das Buch echt. Effi ist keineswegs das unschuldige übervorteilte Mädchen, auch wenn man Mitleid mit ihr empfindet. Sie ist egozentrisch, manipulativ und voller Dünkel. Andererseits aber eben auch eine Frau, die viel zu früh von ihrer Mutter in eine unpassende Ehe gedrängt und von den Gesellschaftsnormen zerbrochen wurde. Innstetten ist nicht der rücksichts- und gefühllose Mistkerl, der seine Frau schlecht behandelt, auch wenn dies gerne so gesehen wird. Fontane ermöglicht es dem Leser, sich ein genaueres Bild zu machen, wenn man richtig liest und bietet eben keine einfachen "gut-und-böse"-Lösungen an.

Die Kritik an der Gesellschaft ist hervorragend gestaltet - sie ist nie direkt, zeigt sich aber unmittelbar in den Reden und Aktionen der Charaktere, bis hin zu Nebenfiguren. Das ganze Buch ist ein großes Gesellschaftspanorama mit wundervollen Details. Es wird gut aufgezeigt, wie schwer es war, sich gegen diese Normen aufzulehnen, daß es aber doch durchaus möglich war. Genau diese Vielschichtigkeit macht das Buch so interessant und lesenswert.

Veröffentlicht am 28.01.2019

Sehr originell und ohne Effektheischerei richtig spannend

Elbspiel
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Bei Elbspiel, dem dritten Buch um Kommissar Philip Goldbergs und seine Kollegen aus der norddeutschen Kleinstadt Kophusen, fällt das gelungene Titelbild sofort ins Auge. Ein Skelett an Schnüren, das hat ...

Bei Elbspiel, dem dritten Buch um Kommissar Philip Goldbergs und seine Kollegen aus der norddeutschen Kleinstadt Kophusen, fällt das gelungene Titelbild sofort ins Auge. Ein Skelett an Schnüren, das hat was Makabres und trotzdem was Amüsantes, was wohl auch daran liegt, daß der Skelettkopf eher freundlich als furchteinflößend wirkt. Diese Mischung paßt sehr gut zum Buch.

Es beginnt bereits mit einem spannenden Prolog, der dann, wie das Titelbild, gut die Stimmung setzt, denn das Buch bleibt bis zum Ende hin spannend. Das ohne Effekthascherei, es fließt kein Blut, es gibt keine dramatischen Verfolgungsjagden, die Spannung speist sich alleine aus einer raffiniert ausgedachten Geschichte mit vielen Ansatzpunkten und Wendungen. Das kann nicht jeder schreiben und alleine dafür schon mal ein Kompliment an die Autorin.

Der Schreibstil ist generell „nordisch reserviert“, was ich sehr angenehm finde. Größtenteils konzentrieren sich die Szenen auf’s Wesentliche, die eingestreuten Blicke ins Kophusener Leben sind unaufdringlich und meistens ohnehin mit dem Kriminalfall verknüpft. So bekommt der Leser eine guten Eindruck dieser kleinen Stadt, ohne daß die Handlung durch langatmige Beschreibungen unterbrochen wird. Das einzig störende Element für mich war dann die unglückliche Liebe des einen Kollegen Hauke. Seine Verliebtheit wird gerade im ersten Kapitel sowohl mehrfach durch die Handlung gezeigt als auch mehrfach kommentiert. Das war generell und auch im Vergleich mit dem sonstigen zurückhaltenden Schreibstil viel zu viel, und auch im weiteren Verlauf des Buches ist dieser Handlungsstrang eher enervierend. Er trägt in gewisser Weise auch ein wenig zur Spannung des Falles bei, aber ohne ihn hätte das Buch nicht gelitten – mir hätte es sogar besser gefallen.

Normalerweise lese ich keine Krimiserien, weil meistens das Privatleben der Ermittler den Kriminalfall zu sehr überlagert. Das war hier aber nicht der Fall. Man kann gut einsteigen, ohne die Vorgängerbände gelesen zu haben. Es gibt immer wieder mal Verweise auf Personen oder Geschehnisse, die man nicht versteht, dies sind aber nur eingestreute Sätze, bei einer Serie zu erwarten, und sie stören den Lesegenuß für den Neueinsteiger nicht. Alle drei Polizisten haben ihr Päckchen zu tragen, insbesondere Goldberg, der Furchtbares durchlebt hat. Dies wird für den Neueinsteiger verständlich vermittelt. Gelungen ist es, daß Goldberg an diesen Geschehnissen verständlicherweise leidet und dies sich auch durch das Buch zieht, allerdings ebenfalls angenehm zurückhaltend und ohne die Handlung zu unterbrechen. Es sind wieder eingestreute Sätze, kurze Szenen und das gefiel mir gut. Man sieht, daß er traumatisiert ist, aber es nimmt nicht so überhand, daß der aktuelle Fall in den Hintergrund gerät. Auch beim Kollegen Peter ist die Einbringung seiner privaten Situation auf diese gelungene Art gemacht. Bei einer solch angenehmen Art lese dann auch ich eine Serie gerne.

Der Fall selbst ist originell und das auf vielerlei Weise. Solche Dinge müssen einem erst mal einfallen! Das ist einfach mal etwas anderes. Die Ermittlungsarbeit ist solide, neue Erkenntnisse werden nachvollziehbar gewonnen, nur einmal kam ein für mich doch etwas zu bequemer Zufall ins Spiel. Es gibt viele Fährten, alle plausibel, und so bleibt man lange im Dunkeln. Auch wenn ich irgendwann eine Ahnung zu Täter und Motiv hatte, war dann der ganze Umfang der Auflösung doch so vielfältig, daß reichlich unerwartete Elemente vorkamen. Ein Teil der Auflösung war mir im Hinblick des Verhältnisses von Motiv und Tat zu wenig plausibel, aber im Großen und Ganzen war alles gut und raffiniert durchdacht.

Angesichts meiner beiden Kritikpunkte – der Hauke-Liebesgeschichte und der teils nicht so plausiblen Auflösung – hatte ich überlegt, ob es trotzdem fünf Sterne sind, oder eher vier. Nun machen aber die gelungenen Aspekte – der angenehme Schreibstil, die Originalität, die Spannung und auch das liebenswerte Kophusen und seine interessanten Bewohner – das Buch zu einem wirklichen Lesevergnügen. Die beiden ersten Bände werde ich mir auch besorgen, mir gefällt diese Welt, die Nicole Wollschläger geschaffen hat und so lesenswert beschreibt.

Veröffentlicht am 24.01.2019

Ein mitreißendes Lesevergnügen

Heimaterde
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Ich habe dieses Buch meinem in Galizien geborenen und aufgewachsenen Großvater zum 95. Geburtstag geschenk und auch gleich ein Exemplar für mich gekauft. Ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen und ...

Ich habe dieses Buch meinem in Galizien geborenen und aufgewachsenen Großvater zum 95. Geburtstag geschenk und auch gleich ein Exemplar für mich gekauft. Ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen und meinem (sehr kritischen!) Großvater ging es genauso, er meinte, er hätte mit dem Lesen gar nicht aufhören wollen, so akkurat und lebhaft wurde alles geschildert. Er hat sich förmlich in seine Jugend zurückversetzt gefühlt.

Das Buch beginnt vor der Auswanderung der Familie nach Galizien und zeigt die damalige Situation der Auswanderer, ihre Wünsche, Sorgen und die durchgemachten Strapazen auf der Reise, ganz hervorragend auf. Der historische Hintergrund ist sehr gut recherchiert und durch die Charaktere zum Leben erweckt.

Die Jugenderinnerungen des Hauptperson im frühen 20. Jahrhundert sind angenehm zu lesen und auch hier fand ich Vieles wieder, was ich von meinem Großvater gehört und in anderen Lebenserinnerungen aus Galizien gelesen habe. Die galizische Welt vor dem zweite Weltkrieg ist gelungen eingefangen.

Die Erzählung über die Aussiedlung, Kriegs- und Nachkriegszeit hat mich emotional sehr berührt, einfach weil ich weiß, daß es meinen Vorfahren auch so ergangen ist. Hier ist ebenfalls der historische Hintergrund gut recherchiert. In einer Rezension zum Buch werden diese Berichte als langweilig eingestuft - das kann ich persönlich in keiner Weise nachempfinden. Ich habe beim Lesen mitgefühlt, mitgefiebert und hatte an manchen der traurigen Stellen einen Kloß im Hals.

Zwei kleine Dinge, die mir nicht so gut gefielen: von der Auswanderung springt die Geschichte gleich zum 20. Jahrhundert. Mich hätte das Familienschicksal auch in der Zwischenzeit sehr interessiert, selbst wenn es nur in kleineren Episoden gewesen wären. So fand ich den Sprung etwas abrupt und fand es auch schade, daß dieser Teil völlig ausgelassen wurde.
Die Geschehnisse der Nachkriegszeit in Polen fand ich manchmal ein wenig verwirrend, auch bzgl. der jeweils vergangenen Zeit und der mir manchmal fehlenden Hintergrundinformationen.

Die sind aber nur kleinere Abstricht, die das Lesevergnügen nicht merklich beeinträchtigt haben. So kann ich sagen - sowohl mein Großvater, der auf eigene Erinnerungen zurückgreifen kann, wie auch ich haben dieses Buch sehr genossen!