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Veröffentlicht am 07.03.2019

Plädoyer für das Miteinander und den bewussten Umgang mit Sprache

Das Land, in dem die Wörter wohnen
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“Ein Bild sagt mehr als tausend Worte”; “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”; “Taten sagen mehr als Worte”; es gibt endlose Listen mit Redewendungen und Sprichwörtern über Worte und in manchen davon ...

“Ein Bild sagt mehr als tausend Worte”; “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”; “Taten sagen mehr als Worte”; es gibt endlose Listen mit Redewendungen und Sprichwörtern über Worte und in manchen davon kommen sie gar nicht so gut weg.

Dass das Reden und dass die Wörter, dass unsere Sprache aber durchaus zentrale Bedeutung haben und auch so behandelt werden sollten, unterstreicht “Das Land, in dem die Wörter wohnen”.

Auch wenn dieses Buch nicht unendlich, sondern schmal und kompakt ist, hat dieses “Märchen für Erwachsene” auch etwas von der großen unendlichen Geschichte von Michael Ende. Erzählt wird diese Geschichte hier von Günther, einem jungen Buben, der mit seinen beiden Schwestern ausreitet um der Welt die Wörter wiederzubringen.

Sie werden nämlich von Lügen und falscher Verwendung der Sprache zunehmend verdrängt und haben sich aus der Welt zurückgezogen. Ein Alltag ohne Sprache, ohne Dialog? Unvorstellbar! Dieser Roman ist daher ein klares Plädoyer für einen achtsameren Umgang mit Wörtern und miteinander.

Es fängt den viel zitierten “Zeitgeist” ein und wirft ein paar ziemlich pointierte Seitenblicke Richtung Politik. Aber alles in allem ist es dennoch ein Büchlein zum Wohlfühlen, das nebenbei mit viel Liebe gestaltet wurde. Jedes Kapitel hat eine eigene erste Seite mit einem Hügel voll Wörter (dem Cover nachempfunden), aus denen Schlüsselbegriffe für den kommenden Abschnitt herausstechen. Das gelbe Lesebändchen und die mit kleinen Krönchen unterlegten Seitenzahlen sind ebenso hübsche wie stimmige Details.

“Das Land, in dem die Wörter wohnen” ist für jeden - egal ob Viel- oder Wenigleser, ob Phrasendrescher oder Pantomime - als Ermahnung zu verstehen und lässt sich wunderbar als kleine Aufmerksamkeit verschenken.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Krimi-Feinschmecker kommen voll auf ihre Kosten

Kalter Kristall
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Für findige Hobby-Detektive hat Thomas Baum in seinem neuen, zweiten, Roman mit dem Linzer Chefinspektor Robert Worschädl ein (wie es auf Neudeutsch heißt) “easter egg” versteckt. Einen Hinweis also, der ...

Für findige Hobby-Detektive hat Thomas Baum in seinem neuen, zweiten, Roman mit dem Linzer Chefinspektor Robert Worschädl ein (wie es auf Neudeutsch heißt) “easter egg” versteckt. Einen Hinweis also, der helfen kann, das wunderbar ausgeklügelte Geflecht an Verdächtigen und Tätern, Opfern, vermeintlichen Opfern und selbstverständlich Unschuldigen schon etwas vor Ende des Krimis zu entschlüsseln.

In jedem Fall aber - ob man ihn nun entdeckt und richtig liegt oder entdeckt, aber sich nichts weiter dabei denkt oder ihn nicht entdeckt - bleibt das 349 Seiten starke Buch ein Lesegenuss. Oberösterreichische Possen oder Idiome zergehen gedanklich genauso auf der Zunge wie die des öfteren herrlich pointierten Dialoge zwischen Worschädl und seiner Kollegin Sabine Schinagl.

Garniert wird dieses verschriftlichte Menü mit süffisanten, fast komödiantischen Szenen bei typischen “Worschädl-Verhören” oder wenn ein Verdächtiger vor Wut und Verzweiflung zu rasen beginnt.

Doch auch das zarteste Kalbsschnitzerl kann auch ein winziges Stückerl Sehne enthalten, im Fall dieses Kriminalromans sind das jene Momente wo man unwillkürlich die Luft anhält, die spaßigen Bemerkungen verklungen sind und aus einer diffusen Gefahr plötzlich Ernst wird.

“Kalter Kristall” ist nicht übertrieben actionreich und auch nicht in erster Linie brutal und blutig, aber sicher nicht “well done”. Zart besaitete Leser mögen manche Stellen mit Vorsicht genießen, das Menü als Ganzes bleibt aber bis zu den am Ende noch sehr passenden kleinen Hinweisen, wie es mit dem einen oder anderen Protagonisten weitergeht, durchwegs delikat.

Veröffentlicht am 22.02.2019

Tango in Tanger

Der Tod, den man stirbt
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Ich schreibe selten über Cover oder einen ersten Eindruck des Buches, weil das sehr viele Leute meist lang und breit tun. Hier mache ich eine Ausnahme. “Der Tod, den man stirbt” wirkt sehr edel, das Cover ...

Ich schreibe selten über Cover oder einen ersten Eindruck des Buches, weil das sehr viele Leute meist lang und breit tun. Hier mache ich eine Ausnahme. “Der Tod, den man stirbt” wirkt sehr edel, das Cover beziehungsweise der Umschlag des Hardcovers ist eine Augenweide. Schlicht, doch kraftvoll. Die Farben schwarz und gold dominieren und gerade das Goldene hat einen sehr guten Bezug zum Großteil der Handlung.

Aber genug davon. Inhaltlich ist der Folgeband von “Der Preis, den man zahlt” wieder wie erwartet gut, spannend und teilweise brutal. Lorenzo Falcó, seines Zeichens spanischer James Bond zur Zeit des inneriberischen Krieges bevor dann der Zweite Weltkrieg ganz Europa umfasste, lebt im Schatten und nach dem Prinzip “Vorsicht ist besser als Nachsicht”. Er tötet oder foltert nie zum Spaß sondern nur um Aufträge, Unternehmungen abschließen zu können. Vorzugsweise zu seinen Gunsten und denen seines Chefs.

Falcó trifft auf einige bekannte Gesichter und natürlich gibt es Andeutungen über die Handlung des Vorgängers, dennoch kann man die historischen Krimis auch unabhängig voneinander lesen und gut verstehen.

Aktuell wird er nach Marokko entsendet, wo ein Frachtschiff im Hafen Zuflucht vor der drohenden Versenkung gesucht hat. Dieser Hafen ist internationales Gebiet und steht unter dem Schutz von Briten und Franzosen. Besagtes Frachtschiff transportiert wertvolles Gut: eine große Menge Gold, spanisches Gold, das von iberischer kommunistischer Seite während des Krieges in Russland zwischengelagert werden soll, bei den verbündeten Kommunisten dort.

Doch die spanische Regierung unter Franco beansprucht die Ladung für sich und will sie sich notfalls mit Gewalt holen. Um die Lage nicht eskalieren zu lassen, soll Falcó verhandeln und eine für zumindest halb Spanien zufriedenstellende Lösung erreicht. Es entsteht eine gefährliche Pattsituation...

Allgemein punktet Arturo Pérez-Reverte wieder mit wundervoll eingeflochtenen Fakten und historisch belegten Details in seine diesmal örtlich etwas beschränktere Handlung. Dies ist ein kleiner Minuspunkt, wenn man so will. Falcó hat diesmal einen großen Auftrag zu erledigen, der einfach sehr viel Raum und Seiten einnimmt. Somit kommt die Stadt Tanger in Marokko zum Handkuss und muss fast durchgehend als Kulisse herhalten. Nicht unspannend, aber auf Dauer einfach nicht so packend wie ein häufigerer Ortswechsel das wäre.

Veröffentlicht am 11.02.2019

Gelungene Fortsetzung im Deutschland der Nachkriegszeit

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Wieder ein wunderbar historisch-fiktionaler Krimi von Beate Sauer. Sie schließt nahtlos an den Vorgänger “Echo der Toten” an und als Leser schlüpft man mühelos ins Deutschland des Jahres 1947. Die Lage ...

Wieder ein wunderbar historisch-fiktionaler Krimi von Beate Sauer. Sie schließt nahtlos an den Vorgänger “Echo der Toten” an und als Leser schlüpft man mühelos ins Deutschland des Jahres 1947. Die Lage für die Bevölkerung ist nicht mehr so schlimm wie im Jahr nach dem Krieg, aber dennoch haben viele keine Zuhause, wenig zu essen und Zukunftsängste wie Vergangenheitsbewältigung bestimmen den Alltag.

Friederike Matthée, Mitglied der Weiblichen Polizei, wird zu einem Tatort hinzugezogen, weil Personalmangel herrscht. Zu Beginn fügt sie sich in ihre Rolle als Protokollantin während die über ihr stehenden Herren Ermittlungen anstellen. In flagranti ertappt wird eine junge Frau, die jedoch behauptet, die Frau, deren Leiche gefunden wurde, nicht getötet zu haben. Ein Motiv ist schnell gefunden, alles scheint klar. Doch Friederike folgt ihrer Intuition und ruht nicht eher bis sie, langsam aber stetig, falsche Eindrücke und Vorverurteilungen geraderücken kann und der Gerechtigkeit genüge getan wird.

Friederike Matthée ist eine wunderbar grüblerische, empathische und an den richtigen Stellen hartnäckige Hauptperson. Anhand ihrer Arbeit als Polizistin, während derer sie vorwiegend Kinder und junge Frauen befragen soll, aber gerne eigene Erkundungen anstellt, führt die Autorin dem Leser anhand von fiktiven Charakteren sehr gut die damalige Realität vor Augen.

Die Personen sind erfunden, gewisse Abläufe, Einschränkungen und Schauplätze jedoch nicht. Sehr interessant dazu sind auch die Anmerkungen, die die Autorin selbst in einem Nachwort festhält.

Insgesamt ist der Kriminalroman eine runde Sache, mit Ecken und Kanten, wo sie hingehören und der einen oder anderen Überraschung. Wer Band 1 kennt und wirklich gar nichts vorher wissen will, ein kleiner Tipp: den Klappentext nicht lesen, denn auch wenn er nichts zu den Ermittlungen verrät, steht da doch Wesentliches, was man vielleicht selbst gerne im eigenen Lesetempo entdecken würde.

Veröffentlicht am 07.02.2019

Spannender, flotter Krimi, der “Antihelden” in den Fokus rückt

Flammenkinder
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Da schon bald das neue Buch von Lars Kepler aus der Reihe um Joona Linna hier eintrifft, habe ich noch schnell einen der Vorgänger aus dem Regal gefischt und ihn verschlungen.

Kommissar Joona Linna ist ...

Da schon bald das neue Buch von Lars Kepler aus der Reihe um Joona Linna hier eintrifft, habe ich noch schnell einen der Vorgänger aus dem Regal gefischt und ihn verschlungen.

Kommissar Joona Linna ist wieder in Bestform: der schon übliche Konflikt mit der eigenen Behörde ist genauso vorhanden wie seine Ermittlungen “auf Bewährung”. Eine interne Untersuchung gegen ihn läuft, aber er wird als Beobachter in die schwedische Einöde geschickt. Dass es dabei nicht bleibt, kann sich jeder denken.

Seltsame Vorgänge laufen eines Nachts in einer Einrichtung für schwer erziehbare Mädchen ab. Der Leser ist hautnah dabei, bekommt aber nicht alles erklärt und muss selbst mitermitteln. Ganz im Stile von Lars Kepler geht es auch hier auf mehreren Ebenen zur Sache: der Krimi ist stellenweise blutig, brutal, fast immer temporeich und fesselnd. Joona schwankt zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Superman und einem, der doch oft die falschen Entscheidungen trifft.

Letztendlich hat er aber immer seine Superkraft parat, mehr aus Tatorten abzulesen als andere und sich sehr gut in die Psyche von sowohl Verdächtigen als auch Unschuldigen und Gesuchten hineinzuversetzen. Abgesehen von Joona gibt es in diesem Schwedenkrimi sehr viele wunderbare Figuren, die richtige “Antihelden” darstellen, Menschen wie du und ich, mit ähnlichen Problemen bis hin zu tiefer Verzweiflung. So ist es immer noch möglich, trotz Brutalität und Tempo, an den richtigen Stellen Mitleid zu empfinden.