Bewegende Lebensgeschichte
Bis sich unsere Wege wieder kreuzen„...Das Leben ist eine lange Reise […] Heute haben sich unsere Lebenswege gekreuzt und wir waren für ein paar Stunden Reisegefährten...“
Wir schreiben das Jahr 1997. Susanna reist von Rom zurück in die ...
„...Das Leben ist eine lange Reise […] Heute haben sich unsere Lebenswege gekreuzt und wir waren für ein paar Stunden Reisegefährten...“
Wir schreiben das Jahr 1997. Susanna reist von Rom zurück in die Heimat. Ursache ist der Anruf ihres Bruders. Während sie sich zum Zug nach Mailand begibt, sieht sie wie eine ältere Frau stürzt. Sie hilft ihr. Auch Emilio, ein junger Doktorand, kommt in letzter Minute zum Zug. Er greift den beiden Frauen unter die Arme. Dadurch erreichen alle Drei den Zug. Die gemeinsame Reise hinterlässt Spuren. Als sich Susanna von Anna, der älteren Dame, verabschiedet, fallen die Worte des Eingangszitats.
Mittlerweile sind 10 Jahre vergangen. Susanna ist verheiratet. Da kommt Emilio als Gastprofessor nach Bonn.
Die Autorin hat einen berührenden Gegenwartsroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Susanna hat die Begegnung im Zug nie vergessen. Sie hat ihre Studienrichtung bestimmt. Momentan schreibt sie an ihrer Dissertation. Allerdings wirbelt der Unfall ihrer Schwiegermutter ihr Leben kräftig durcheinander.
Auch Emilio bekommt Susanna nicht aus dem Kopf. Er hat nie geheiratet und sich seiner Karriere gewidmet. Außerdem schreibt er Liedtexte für seinen jüngeren Bruder.
Im Zug hatte Anna den jungen Leuten ihr Leben erzählt, ein Leben, dass lange von Verzicht und Demütigung geprägt war. Sie konnte nicht ahnen, dass ihre Erfahrungen Susanna eines Tages bei einer wichtigen Entscheidung helfen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die Autorin versteht es, die Emotionen der Protagonisten gekonnt in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehört die enge Bindung von Susanna an ihren Zwillingsbruder Laurenz. Und der kennt seine Schwester sehr gut. Sein Vermächtnis begleitet sie durch die dunkelsten Stunden ihres Lebens und hilft ihr bei ihren Entscheidungen.
Doch die Verluste, die Susanna zu ertragen hatte, haben Spuren hinterlassen. Sie kämpft um ihre Ehe, obwohl mir als Leser schnell klar ist, dass sie nur die Gebende ist – und zwar in jeder Hinsicht. Doch die anfangs geschickte Gesprächsführung von Stefan, ihrem Mann, insbesondere sein Hinweis auf den Unfall ihrer Eltern und ihre Angst vor dem Alleinsein lassen sie Entscheidungen fällen, die sie einengen und ihr Leben gefährlich nahe an das von Anna beschriebene bringen.
Das Treffen mit Emilio bringt neue Hoffnung. Er tut ihr gut und motiviert sie. Das klingt so:
„...Deine Arbeit ist hervorragend und ich möchte dich gern in meinen zukünftigen Aufsätzen zitieren. Und zwar sehr bald. […] Also spute dich, dass sie bald fertig wird, damit auch ich meine Termine einhalten kann. Ich werde dich nach Kräften unterstützen...“
Es ist spürbar, wie sie auflebt und neue Energie bekommt. Sie fühlt sich wieder wertgeschätzt. Trotzdem geht sie ihren familiären aufgaben weiter nach.
Ab und an durchzieht die Geschichte ein feiner Humor. Bei dem Restaurantbesitzer Francesco hört sich das so an, als Emilio und Susanna darüber diskutieren, wer die Rechnung übernimmt:
„...Wir sind hier nicht im Kindergarten, sondern in einem feinen Ristorante. Hier zahlt der Herr, wir sind schließlich Italiener...“
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin hat mich durch die Geschichte einerseits berührt, andererseits hätte ich gern dem einen oder anderen Protagonisten gehörig die Meinung gesagt. Wahre Zuneigung wird Egoismus und Selbstsucht gegenübergestellt.