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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.02.2019

Was bleibt, wenn die Sprache geht?

Kirchberg
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Hanna wuchs bei ihren Großeltern auf, weil ihre Mutter sie nicht wollte. Es trieb sie hinaus aus dem Dorf, hinein in die große weite Welt voller Menschen und Abenteuer. Zwanzig Jahre später kehr sie nach ...

Hanna wuchs bei ihren Großeltern auf, weil ihre Mutter sie nicht wollte. Es trieb sie hinaus aus dem Dorf, hinein in die große weite Welt voller Menschen und Abenteuer. Zwanzig Jahre später kehr sie nach Kirchberg, den Ort ihrer Kindheit, zurück. Sie ist gebrochen, denn ein Schlaganfall raubte ihr die Sprache und schränkt ihre Motorik stark ein. Doch schnell wird klar, dass sie auch psychisch gebrochen ist. Sie wird begleitet von Sehnsucht, von unerreichter Liebe, negativer Erinnerungen. Und nun ist sie vollkommen auf andere angewiesen. So sehr das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, ihr Halt gibt, so fremd und distanziert ist es in anderen Augenblicken. Hanna muss den Zugang zu ihren Mitmenschen, Nachbarn und alten Freunden wieder finden und darüber hinaus sich selbst ein Stück weit finden.

Verena Boos schildert in leicht sperriger und anspruchsvoller Sprache, was Hanna erlebt hat. Sie nimmt uns mit in die Erinnerungen der Kindheit, der Jugend, Momente voller Liebe, Sehnsucht und Kummer. Dabei spielt Schulfreund Patrizio, der schon immer in Hanna verliebt war, eine große Rolle. Er begleitet sie in ihren letzten Tagen und Wochen.
Die anspruchsvolle Sprache passt sehr gut zur Thematik. Während der gesamten Lektüre schwang eine gewisse Melancholie, ein Hauch Schwermut mit. So wie Hanna sich fragt, was sie im Leben erreicht hat, woran sie sich festhält und was ihr noch bleibt, tut der Leser dies auch.

Ich habe sehr lange an diesem Buch gelesen, immer nur wenige Kapitel auf einmal, und habe die Melancholie und die doch griffige Atmosphäre sehr genossen. Eine absolute Empfehlung für Leser, die auf anspruchsvolle Lektüre und Ernsthaftigkeit stehen!

Veröffentlicht am 10.02.2019

Hinreißend, liebevoll und absolut bewegend

Ich wollte nur, dass du noch weißt ...
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"Ich wollte nur, dass du noch weißt..." enthält Briefe, die geschrieben und nie abgeschickt wurden. Die 16-jährige Emily Trunko veröffentlicht sie auf ihrem Blog "My Dear Blank".
Das Buch ist ...

"Ich wollte nur, dass du noch weißt..." enthält Briefe, die geschrieben und nie abgeschickt wurden. Die 16-jährige Emily Trunko veröffentlicht sie auf ihrem Blog "My Dear Blank".
Das Buch ist bereits rein äußerlich ein absolutes Schmuckstück im Regal. Der raue Einband, die bunten Farben und die metallisch glänzenden Elemente versprechen einen wunderschönen Inhalt - und können diesen auch bieten.

Die Briefe, die Emily Trunko gesammelt hat, werden in zehn Kategorien eingeteilt: Liebes Ich, Liebe Welt, Liebe, Freunde, Familie, Herzschmerz, unerwiderte Liebe, Verrat, Verlust, Danke. Mit dieser Einteilung lässt uns das Buch eine Achterbahn der Gefühle durchleben. Die Briefe stammen von den unterschiedlichsten Verfassern: Jungen, Mädchen, Mütter, Brüder, Schwestern, Freunden, Verwandten. Sie sind mal sehr kurz, bestehen nur aus ein bis zwei Sätzen oder nehmen eine ganze Doppelseite ein. Jeder Brief erzählt von einem ganz besonderen Verhältnis, einem besonderen Erlebnis oder einem Gefühl. Obwohl die meisten Briefe anonymisiert sind, vermitteln sie das Gefühl, dass sich tatsächlich jemand angesprochen fühlt und der Brief voller Hingabe geschrieben wurde.
Die Briefsammlung bildet das gesamte Gefühlsspektrum ab, von Freude über Glück bis hin zu Liebe, Trauer und Wut. Dabei ist jeder Brief einzigartig und bewegt - manche stärker als andere.

Auch das Layout ist mit ganz viel Hingabe und Kreativität gestaltet. Die Schriftarten, Schriftgrößen und das "Briefpapier" wechseln stets und sorgen dafür einerseits für einen klaren Übergang zwischen den Briefen und andererseits für mehr Gehirnaktivität beim Lesen.

Mir hat sowohl Emilys Projekt als auch das daraus entstandene Buch sehr gefallen und mir eine schöne, berührende Lesezeit beschert.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Unglaublich gut getroffene Schilderungen

Birk
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Der neunjährige Mikael lebt mit seinen Eltern auf einer kleinen Insel in der Nordsee. Der einzige andere Bewohner ist Nachbar Karl. Eines Tages kommt Mikael abends ohne seinen Vater zurück nach Hause. ...

Der neunjährige Mikael lebt mit seinen Eltern auf einer kleinen Insel in der Nordsee. Der einzige andere Bewohner ist Nachbar Karl. Eines Tages kommt Mikael abends ohne seinen Vater zurück nach Hause. Seiner Mutter Dora erzählt er, dieser sei weggeschwommen. Tatsächlich ist er unter Umständen, wegen denen sich Mikael schuldig fühlt, ertrunken - seine Leiche bleibt unauffindbar.

Jaap Robben beschreibt, wie sich die beiden Menschen auf ihre eigene Art abschotten. Mikael zieht sich in seine eigene Welt zurück, findet Dinge, mit denen er sich beschäftigen kann und die ihm in gewisser Weise halt geben. Dora kann den Tod ihres Ehemannes nicht verkraften und übt psychische Gewalt gegenüber Mikael aus.
Der Autor versteht es, die Rollenentwicklung, die stattfindet, implizit zu veranschaulichen. Alle Prozesse werden deskriptiv behandelt, die Rückschlüsse zieht der Leser.
Die sechs auf den Unfall folgenden Jahre werden in kurzen Kapiteln erzählt. Die Entwicklung scheint von Beginn an negativ, was durch Robbens Schreibstil untermalt wird. Er nutzt viele Metaphern, Vergleiche und parallele Ebenen, die das Geschehen auf verschiedene Weisen verständlich und nachvollziehbar machen. Auf Mitleid oder Trauer wird nicht gepocht. Der Roman erscheint als Schilderung der Entwicklungen zweier Persönlichkeiten, die unabhängig voneinander sein wollen, gleichzeitig jedoch in einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen, was von den äußeren Umständen unterstützt wird. Beide sind auf der Suche nach Liebe, Halt und Zuversicht, und können nicht auf Anhieb finden, was sie brauchen.
Jaap Robben hat hier einen Roman geschrieben, der nicht beschönigt und so unter die Haut geht.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Selbstjustiz rasant geschildert

Der Rache süßer Atem
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Maria ist mit ihrem Leben unzufrieden. Sie ist fast vierzig und Tom, der Mann an ihrer Seite, meldet sich unregelmäßig, weist sie schließlich auf feige Art ab. Sein Verhalten erklärt er ihr gegenüber mit ...

Maria ist mit ihrem Leben unzufrieden. Sie ist fast vierzig und Tom, der Mann an ihrer Seite, meldet sich unregelmäßig, weist sie schließlich auf feige Art ab. Sein Verhalten erklärt er ihr gegenüber mit Bindungsängsten, ist jedoch verlobt und erwartet mit der anderen Frau ein Kind. Maria ist zutiefst verletzt. Und wütend. Wütend auf Tom und auf die sechs anderen Männer, die sie davor mies behandelt und gedemüdigt haben. Sie beschließt, nun Rache zu nehmen und die Männer zu töten.

Christine Eichel hat sich für ihren Roman eine spannende Handlung ausgesucht. Eine Frau, die sich von Männern gedemütigt fühlt und Mord als Vergeltung wählt. Da das Buch den Fokus auf Marias Sicht legt, ihre Erfahrungen und Erinnerungen berichtet werden, kann der Leser mit ihr sympathisieren. Er erfährt mit jeder Erinnerung, die Maria an den jeweiligen Mann hat, wie sehr sie verletzt wurde und wie sehr sie sich einen festen Partner, eine Familie und ein glückliches Leben wünscht. Stattdessen wird sie benutzt, soll sich für die Männer verbiegen, ihre Wünsche aufgeben und wird dann fallen gelassen.
Bereits zu Beginn ist fraglich, ob Maria es schafft, ihre Rachepläne durchzuführen, bevor die Polizei auf sie aufmerksam wird. Natürlich spielt das auch eine Rolle, doch der Fokus liegt auf dem Hass, den sie auf die Männer verspürt, und wie sie an den einzelnen Morden wächst, sich selbst verändert und ihr Bewusstsein geschärft wird. Christine Eichel hat all diese Aspekte sehr ausdrücklich und glaubwürdig umgesetzt und mit ihrer Geschichte einen rasanten und spannenden Roman geschaffen.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen

Meine scheißkranke Familie
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Mich hat Dan Marschalls Geschichte sehr bewegt. Er schildert auf krasse, ehrliche und sarkastische Weise, wie scheiße es ist, wenn der Vater ALS und die Mutter Krebs hat, welche Höhen und Tiefen es gibt, ...

Mich hat Dan Marschalls Geschichte sehr bewegt. Er schildert auf krasse, ehrliche und sarkastische Weise, wie scheiße es ist, wenn der Vater ALS und die Mutter Krebs hat, welche Höhen und Tiefen es gibt, und vor allem, welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt.
Dan ist mir allein durch seine ehrliche Art sympathisch. Sein Humor trifft wahrscheinlich nicht jeden Geschmack, aber mir hat er gefallen, denn er zeigt, dass es das letzte ist, was man aufgeben sollte, egal, wie scheiße das Leben gerade ist.
Alle Charaktere machen im Laufe des Romans eine Veränderung durch, die mir durch Dans Schilderungen stark aufgefallen ist. Manche Entscheidungen und Äußerungen kann ich nicht nachvollziehen. Jedoch sind sie schlüssig und passen in den Lebensstil der Familie.
Das Buch ist schonungslos, ehrlich und beschönigt nichts. Wer bis jetzt noch nicht weiß, wie hart ALS und Krebs sind, sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen, weiß es nach diesem Buch definitiv!