Sehr gelungener Erzählband
Mit ihrem Erzählband «Sommerhaus, später» wurde Judith Hermann berühmt. Mit dem Erzählband «Lettipark» der 2016 im Fischer Verlag erschien, legt Hermann ein neues Werk mit kurzen Geschichten vor, mit denen ...
Mit ihrem Erzählband «Sommerhaus, später» wurde Judith Hermann berühmt. Mit dem Erzählband «Lettipark» der 2016 im Fischer Verlag erschien, legt Hermann ein neues Werk mit kurzen Geschichten vor, mit denen man sich auf Spuren des Lebens begibt.
Maude ist eine junge Kellnerin und Greta eine ältere Frau mit einem Faible für Bücher, sie bilden zusammen mit (anfänglich) anderen eine aussergewöhnliche Wohngemeinschaft. “Maude wohnt seit fast einem halben Jahr bei Greta. Sie hätte nicht geglaubt, dass sie so lange bleiben würde - wenn sie ehrlich ist hätte sie vermutet, dass es anstrengend sein könnte, mit Greta zusammenzuwohnen -, aber das halbe Jahr ist beinahe um, und bisher hat sie nicht darüber nachgedacht, sich ein anderes Zimmer zu suchen.” Aus einer Zweckgemeinschaft entwickelte sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden doch sehr unterschiedlichen Frauen. Judith Hermann bildet in dieser Geschichte ab, dass die junge Frau, die zum Ziel hat noch viel zu erleben und die Freiheit des Jungseins auszukosten, sich ungewollt emotional an die alte Frau bindet. Dies hat einen grossen Einfluss auf das Leben beider Frauen. Maude kann nicht mehr ganz entspannt verreisen, sie macht sich Gedanken wie Greta ohne sie zurechtkommt, im Gegenzug schätzt Greta die neu gewonnene Aufmerksamkeit, obwohl sie eigentlich eine erwachsene Person ist, die durchaus alleine zurechtkommt, denn vor einem halben Jahr war Maude auch noch nicht da. Aussergewöhnliche Freundschaften sind ein Kernthema in diesem Erzählband, sie werden immer wieder in anderer Form angesprochen und dargestellt, beispielsweise in den Erzählungen «Rückkehr» oder «Manche Erinnerungen». Es gibt aber auch Geschichten, wie Osten, in der sich die Hauptfiguren aus ihrer Komfortzone herausbewegen müssen, um neues zu entdecken und zu erleben.
Judith Hermann baut in ihre Geschichten immer wieder eine Kernpassage ein, die der Handlung eine Wendung gibt oder zumindest einen speziellen Aspekt hervorhebt. Sie bildet Sehnsuchtsorte ab, aber auch normale Alltagswelten, zum Teil auch in Verbindung zueinander und setzt irgendwo das Element, welches die Erzählung speziell macht. Die Geschichten sind in ihrer Aussage nie eindeutig, eher nebulös und 35 regen zum Nachdenken an.
Keine Geschichte ist wie die andere, dennoch sind sie sich im Aufbau sehr ähnlich, was ein wenig zu einer Monotonie führt, welche früher oder später in das Bewusstsein des Lesers eindringt und die Geschichten somit zum Teil vorhersehbar machen. Manchmal verliert Hermann sich ein bisschen in der Sprache und es entsteht ein Ton, der eher nach Plauderei als nach Erzählung klingt. Die Sprache an sich liest sich meist leicht und passt zu den Erzählungen.
Abschliessend kann gesagt werden, dass es Freude bereitet die kleinen Momentaufnahmen, die für die Figuren durchaus etwas grosses bedeuten können und zum Teil sogar ihr Leben enorm beeinflussen, zu lesen und zu erleben.