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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.02.2019

Rasanter Thriller besticht durch flüssigen Schreibstil

Cruelty: Ab jetzt kämpfst du allein
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Der 17-jährigen Gwendolyn wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Ihre Mutter starb bereits zehn Jahre zuvor, nun kehrt ihr Vater nicht von seiner Geschäftsreise aus Paris zurück. Als Gwen diese Botschaft ...

Der 17-jährigen Gwendolyn wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Ihre Mutter starb bereits zehn Jahre zuvor, nun kehrt ihr Vater nicht von seiner Geschäftsreise aus Paris zurück. Als Gwen diese Botschaft überbracht wird, erfährt sie, dass ihr Vater bei der CIA war. Als die Ermittlungen seitens der CIA eingestellt werden und es von ihrem Vater keine Spur gibt, muss das Mädchen eine Entscheidung treffen. Sie macht sich allein auf die gefährliche Suche nach ihrem Vater und begegnet dabei Kriminalität, Angst und Gewalt.


Scott Bergstrom gibt zunächst einen sehr guten Überblick über Gwendolyns Charakterzüge, ihr Umfeld, ihre Beziehungen zu anderen Menschen und ihren Alltag. Dabei beherrscht er einen sehr flüssigen und fesselnden Schreibstil, der parallel zur Spannung der Handlung an Geschwindigkeit aufnimmt.
Um ihren Vater zu finden muss Gwendolyn über sich selbst hinauswachsen, ihre Ängste überwinden und vor allem an Härte gewinnen. Diesen Weg vom Schulmädchen bis hin zur taffen, starken Frau, die Männer entwaffnen kann, beschreibt der Autor sehr anschaulich und nachvollziehbar. Der Leser kann sich so mit der Protagonistin verbunden fühlen, kennt ihre Gedanken und Gefühle und kann ihre getroffenen Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen verstehen.

Von Kapitel zu Kapitel nimmt die Handlung an Fahrt auf. Mich konnte die Geschichte so sehr fesseln, dass ich das "Cruelty" nicht mehr aus der Hand legen wollte. Der sehr angenehm zu lesende Schreibstil unterstütze dies.
Nicht nur Gwen, sondern auch die Nebencharaktere sind anschaulich beschrieben und werden fügsam in die Handlung integriert, sodass sich ein großes (Menschen-)Puzzle aus vielen überschaubaren Einzelteilen ergibt.

"Cruelty" ist authentisch, spannend und so fesselnd, dass es sich zügig lesen lässt. Mich konnte es als Thriller-Liebhaber voll und ganz begeistern.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Ein Schicksalszwilling zum Verlieben

Die Nächte, die Tage und das ganze Leben
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Fanni entdeckt mir ihren zwei Freundinnen auf dem Münchener Winter-Tollwood das Zelt einer Hellseherin und beschließt, diesen Schwindel aufzudecken. Daher schnappt sie sich kurzerhand den nächstbesten ...

Fanni entdeckt mir ihren zwei Freundinnen auf dem Münchener Winter-Tollwood das Zelt einer Hellseherin und beschließt, diesen Schwindel aufzudecken. Daher schnappt sie sich kurzerhand den nächstbesten Mann - der am Nachbartisch sitzt und über das vegane Essensangebot motzt - und gibt sich als dessen Freundin aus. Hellseherin Tanna Divina durchschaut diesen Plan und offenbart beiden, dass sie Schicksalszwillinge seien. Diese Nachricht ändert mit einem Schlag sowohl Fannis als auch Nats Leben, die nicht damit gerechnet hätten, füreinander bestimmt zu sein.

Barbara Leciejewski hat nicht nur eine authentische Thematik, sondern auch zwei glänzende Protagonisten ausgewählt. Beide sind auf ihre Art unglaublich liebenswürdig: die chaotische, turbulente Fanni, die ihr Herz auf der Zunge trägt; und der zurückhaltend-freche Nat, der für sein Leben gern Klavier spielt. Beide müssen sich mit der "frohen Botschaft" auseinandersetzen, ihr Gefühlsleben sortieren und die Harmonien und Disharmonien ihrer Ecken und Kanten kennenlernen. Diesen, streckenweise sehr holprigen, Weg begleitet der Leser. Nicht holprig ist hingegen Barbara Leciejewskis Schreibstil. Er ist flüssig, beschwingt, durch seine Leichtigkeit sehr angenehm zu lesen und passt sich der inhaltlichen Ebene an. Dies betrifft zum einen den Erzählstil, der von witzig über tragisch bis hin zu emotional berührend reicht, und das Erzähltempo. Passend zum Geschehen kann sich der Leser in der Erzählung treiben lassen und mitfühlen.

Auch wenn Fanni und Nat als Hauptakteure sehr viel Raum einnehmen, sind die Nebencharaktere nicht weniger lebendig. Sie besitzen ebenfalls ganz eigene Züge voller Charme, Humor und Wiedererkennungswert; und sind die gelungene Prise Salz und Pfeffer der Geschichte.

Mich hat "Die Nächte, die Tage und das ganze Leben" mit seinem lockeren, humoristischen und intensiven Schreibstil unterhalten, bewegt und mir wunderbare Lesestunden beschert!

Veröffentlicht am 10.02.2019

Ein intensiver Roman über die Verortung im Glauben und im Leben

Der Geruch des Paradieses
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Peri ist seit ihrer Kindheit zerrissen. Während ihre Mutter streng gläubig ist, ihr Vater mit Unglauben dagegen hält, wird ihr älterer Bruder wegen marxistischem Idealismus verhaftet und gefoltert. Ihr ...

Peri ist seit ihrer Kindheit zerrissen. Während ihre Mutter streng gläubig ist, ihr Vater mit Unglauben dagegen hält, wird ihr älterer Bruder wegen marxistischem Idealismus verhaftet und gefoltert. Ihr anderer Bruder wählt den nationalistischen Weg, heiratet, gründet eine Familie. Doch Peri sitzt zwischen den Stühlen, weiß nicht, wohin sie gehört, wem sie zustimmen soll. Auf der einen Seite steht der starke Glaube der Mutter und auf der anderen die kemalistischen Züge und die Offenheit ihres Vaters. Dieser unterstützt ihre Bildung so weit, dass er ihr ein Studium in Oxford ermöglicht.
Dort hält Peris Zerrissenheit an. Sie lernt die freiheitsliebende Shirin kennen und die gläubige Mona, die sich für das Kopftuch entschieden hat und sich für Feminismus engagiert. Um die Glaubensfrage für sich zu klären, nimmt Peri an Azurs Seminar "Gott" teil, in dem sämtliche Denkweisen und Ansichten verschiedener Studenten aufeinander prallen.

Peri, heute Mitte dreißig, Ehefrau und Mutter erblickt auf dem Weg zu einem Geschäftstreffen ihres Mannes ein Foto aus ihrer Studienzeit in Oxford und muss sich mit vergangenen Vorfällen auseinandersetzen.

Elif Shafak hat einen wunderbaren, intensiven Schreibstil, der durch bildhafte Vergleiche einen sehr poetischen Touch bekommt.
Der Leser bekommt Einblick in zwei Peris: die damalige Studentin und die erwachsene Frau, 14 Jahre nach ihrem Studium. Peri als Studentin ist offen, westlich orientiert, ist zielstrebig, will ihren Platz finden und Neues lernen. Die dreißigjährige Peri, die nun Ehefrau, Mutter und Hausfrau ist, lässt erahnen, dass bestimmte Ereignisse zu diesem Lebensstil geführt haben. Diese bekommt der Leser im Laufe des Romans offenbart.
Die Autorin verbindet die Erzählungen auf den zwei Zeitebenen sehr clever miteinander und bietet so stets die Möglichkeit, Parallelen zu ziehen zwischen der früheren und der gegenwärtigen Peri.

In "Der Geruch des Paradieses" spielen Glauben, Feminismus und Identitätsfindung eine wichtige Rolle. Elif Shafak beherrscht die Kunst, viele religiöse und politische Sichtweisen, philosophische Ansätze und Denkweisen zu präsentieren, ohne eine Wertung erfolgen zu lassen. So, wie Peri sich selbst in all diesen Dimensionen finden muss, kann oder muss sich auch der Leser positionieren.

Der Roman hat mich begeistert mit seiner Intensität, der Wortgewalt und den Schilderungen, die Peris Verhalten und ihre Charaktereigenschaften so nachvollziehbar machen.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Schonungslos ehrliche Dorfstimmen zur irischen Finanzkrise

Die Gesichter der Wahrheit
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Donal Ryan erzählt von der Finanzkrise in Irland. Ort des Geschehens ist ein Dorf, dessen Baufirma durch falsch kalkulierte Immobilienkäufe pleite geht. Der korrupte Chef Pokey Burke hat sich abgesetzt ...

Donal Ryan erzählt von der Finanzkrise in Irland. Ort des Geschehens ist ein Dorf, dessen Baufirma durch falsch kalkulierte Immobilienkäufe pleite geht. Der korrupte Chef Pokey Burke hat sich abgesetzt - ohne ausgezahlte Löhne und ohne Alterssicherung für seine Angestellten. Doch nicht nur Pokeys ehemaligen Angestellten sind betroffen: alle Dorfbewohner leiden auf verschiedene Weise unter der Krise.
In "Gesichter der Wahrheit" erzählen 21 Menschen, wie sie zur Krise stehen und welchen Hürden sie ausgesetzt sind. Darunter befindet sich der ehemalige Vorarbeiter Bobby, der einst gut bezahlt wurde und nun ohne Job seine schöne Frau und seinen Sohn versorgen muss, ein Zuwanderer, die örtliche Prostituierte, die ganz allein lebt, und Bobbys Vater, der nur noch aus Boshaftigkeit lebt.

Der Autor gibt jedem Bewohner im jeweiligen Kapitel eine Stimme, lässt sie sagen, was sie auf der Zunge haben, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die einen pöbeln, die anderen hassen, wieder andere weinen. Es wird deutlich, dass der dörfliche Unmut durch die Krise steigt - jeder ist auf sein Leben und seinen Vorteil bedacht. Hass gegenüber anderen wird geschürt, es wird gelästert und geprügelt. Es kommt zu einer gemunkelten Affäre, einer Kindesentführung und zu Mord.

Der Leser kann sich kurz dem Leben der einzelnen Menschen annähren, ihre Geschichte hören, ihre Wut, ihren Hass oder ihre Trauer spüren und im Laufe der Kapitel spüren, wie zerrüttet die Dorfgemeinschaft ist und wie getroffen das Dorf ist - durch Pokey Burke, der nun der meist gehasste Mann der Gegend ist.

Donal Ryans Schreibstil ist klar, umgangsprachlich, bildhaft und lässt den Leser auf den Wellen der Emotionen und Schimpfereien treiben.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Der Märchenwald hat Schauriges zu bieten!

Märchenwald
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Max und Ellie werden von ihrer Mutter im Wandschrank versteckt - mit dem Auftrag, zum Opa zu gehen. Das letzte, was die beiden hören, ist das Knallen der Haustür. Ihre Mutter ist weg. Das Geschwisterpaar ...

Max und Ellie werden von ihrer Mutter im Wandschrank versteckt - mit dem Auftrag, zum Opa zu gehen. Das letzte, was die beiden hören, ist das Knallen der Haustür. Ihre Mutter ist weg. Das Geschwisterpaar macht sich nun quer durch Berlin auf den Weg zu ihrem Opa. Währenddessen erzählt Max seiner Schwester die Geschichte vom Märchenwald.
Zum selben Zeitpunkt kommt auf dem Alexanderplatz eine junge Frau zu sich - körperlich zugerichtet und ohne Erinnerung. Allerdings wird sie von einem vermeintlichen "Freund" bedroht und begibt sich auf die Flucht durch Berlin - auf der Suche nach ihrer Erinnerung.


Paul Kalkbrenner und Sera Muth ermitteln hier in einem sehr spannenden Fall, der auf den ersten Blick überhaupt nichts mit Max, Ellie und der jungen Frau vom Alexanderplatz zu tun hat.
Martin Krist startet den Thriller rasant. Der Leser braucht keine Eingewöhnungszeit, sondern ist sofort mitten in den Geschehnissen.
Die Kapitel sind kurz und auf die unterschiedlichen Handlungsstränge fokussiert.
Obwohl von Beginn an klar ist, dass die Erzählstränge schließlich ein großes Ganzes ergeben müssen, steckt der Weg voller Spannung, Entwicklungen und schaurigen Hintergründen. Denn im Märchenwald gibt es nicht nur Ritter und gute Riesen.

Martin Krist hat mit "Märchenwald" gezeigt, dass er sein Handwerk versteht. Er hat aus einem interessanten Fall, temporeicher Erzählweise, sympathischen Ermittlern und einem rasanten Finale einen absolut spannenden Thriller vorgelegt.