Liebe Daffy,
ich komme heute wieder mit einem Brief um die Ecke, in dem ich über einen romantischen Frauenroman sprechen möchte. Dieses Mal bin ich in die Welt von Alles, was du suchst, geschrieben von Marie Force gereist. Das Buch wurde für den deutschen Markt von Tatjana Kruse übersetzt und von Fischer Taschenbuch 2016 herausgebracht; das Original trägt den Titel All you need is love (2014).
Der Inhalt lässt sich recht schnell zusammenfassen. Die New Yorker Webdesignerin Cameron reist nach Vermont, um einen neuen potenziellen Kunden an Land zu ziehen. Das Familienunternehmen eines Country-Stores soll einen Webauftritt bekommen. Zumindest möchte es Lincoln Abbott so – Vater einer Großfamilie und momentaner Geschäftsführer ebendieses Geschäfts. Die zehn Kinder, die das Unternehmen mit ihm leiten sind dagegen gar nicht seiner Ansicht und stehen Camerons Präsentation über Website-Möglichkeiten ausgesprochen ablehnend gegenüber.
Doch das bleibt nicht das einzige Problem. Nicht nur, dass Cameron diesen Auftrag unbedingt braucht, ansonsten steht ihre Werbeagentur vor dem Aus, sie verliebt sich auch noch in einen der Abbott-Söhne und findet sich vor dem Dilemma wieder, dass eine Fernbeziehung zwischen New York und Vermont das Allerletzte ist, das sie in dieser Situation gebrauchen kann. Doch da hat sie die Rechnung ohne Will Abbott gemacht, der sich ebenfalls Hals über Kopf verliebt hat und nun um Cameron kämpft.
Es ist vielleicht etwas ungewöhnlich mit dem Nachwort zu beginnen, doch Marie Force hat in diesem so anschaulich beschrieben, wie sie auf die Idee zu dieser Buchreihe (dazu gleich mehr) gekommen ist, dass ich ihr die Begeisterung, die sie in der Geschichte für ihre fiktive Stadt und den Country-Store vermitteln möchte, absolut nachvollziehen kann. Ich finde es herausragend, wenn Autoren ihre Intension klar benennen können und voll und ganz hinter ihrer Geschichte stehen. Genau diesen Eindruck habe ich bei dieser Autorin.
Wie gerade erwähnt, handelt es sich bei der kleinen Stadt Butler um eine fiktive Stadt, die Marie Force aufgrund der vielen Eindrücke verschiedener Städte in Vermont, die sie während ihrer Recherchereise besuchte, erfand. (S. 483)
Da ich selbst noch nie in Vermont war, kann ich zur Authentizität nichts sagen, doch ich habe mich direkt wohl gefühlt und konnte mir vorstellen, wie die Atmosphäre wohl sein könnte.
Ebenso schön ausgearbeitet, ist der Familienstammbaum der Familie Abbott, bestehend aus Großvater, Vater und Mutter, sowie den zehn Kindern. Toll finde ich, dass es eine visuelle Aufbereitung des Stammbaums im Buch gibt.
Leider muss ich sagen, so schön das Buch recherchiert und die Familie konstruiert ist, es hat mich in den Kategorien Schreibstil, Spannung und Charakteren nicht überzeugen können. Das klingt jetzt sehr harsch und ich möchte meine Ansicht ein wenig erklären.
Ich würde behaupten, all diese Kritikpunkte bedingen sich in gewisser Hinsicht. Mein Standpunkt im Bezug auf die Sprache bezieht sich natürlich auf die deutsche Übersetzung und ich kann nichts zum Original sagen. Die Sprache ist nicht nur einfach gehalten (was absolut in Ordnung für einen Ferienroman ist, für den ich ihn halten würde), es ist auch sehr hölzern formuliert und hier glaube ich, dass die Übersetzung nur noch einen drauf gesetzt hat und das Original ebenfalls nicht herausragend sein kann. Marie Force bedient sich fast ausschließlich des „tell“ und nicht des „show don't tell“.
Hier kommen Spannung und Charaktere ins Spiel. Die Figuren waren mir nicht zugänglich, weil ich einfach nichts richtig von ihnen erfahren habe. Es wurde andauernd behauptet, sie lieben jene Stadt und mögen diese Freizeitaktivität. Ein Beispiel dafür wäre, dass Cameron darauf beharrt, das Theater zu lieben und sich unheimlich gern Vorstellungen anzusehen – die Ballettkarten, die sie von ihrem Vater stets geschenkt bekommt, gibt sie aber an ihre beste Freundin Lucy weiter und belügt ihren Vater dann, dass das Stück toll gewesen sei. Was denn nun? Geht sie gern ins Theater oder nicht? Soll es uns sagen, sie liebt jede Form von Theater, nur Ballett nicht? Was schaut sie denn alternativ gern?
Wir erleben die Geschichte hauptsächlich aus der Sicht von Cameron, einige Kapitel geben Wills Perspektive wieder. Ein Kapitel ist aus der Sicht von einer Schwester Wills; das war komplett aus dem Konzept und hat mich doch sehr verwirrt. Während der Kapitel erfahren wir jedoch nicht unbedingt mehr über die Figuren, wie man bei wechselnder Sichtweise vermuten könnte. Problem hierbei ist wohl wieder das viele Behaupten von Umständen.
Wie du dir denken kannst, entwickelt sich zwischen Will und Cameron eine Liebesbeziehung – damit habe ich nichts verraten.
Was jetzt folgt könnte jedoch als Spoiler gewertet werden: Sie bezeichnen diese Liebe als die wahre Liebe und noch nie dagewesene Gefühle für einen Menschen. Es tut mir leid, aber davon haben wir überhaupt nichts mitbekommen. Das einzige, das die beiden voneinander denken, ist die sexuelle Anziehungskraft und wie gut sie in der Hinsicht zusammen passen. Das ist meines Erachtens keine wahre Liebe, sondern einfach nur Leidenschaft. Sie wollen nach vierzehn Tagen den Rest ihres Lebens miteinander verbringen und alles für den anderen aufgeben. Da frage ich mich ernsthaft, ob die beiden wirklich Ende 20/ Anfang 30 sind oder Teenager. Das war albern!
Daraus resultierend, hielt es sich mit der Spannung in Grenzen. Es werden keine großartigen Konflikte geschaffen und die wenigen, die da sind, sind nicht ernstzunehmen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Telefonanruf, der nicht kommt. Wir wissen aber ganz genau, dass einer der beiden unterwegs ist und gar nicht anrufen kann, wie bisher jeden Abend zuvor. Wegen des Ausbleibens dieses einen Anrufs wird die gesamte Beziehung in Frage gestellt und die nicht angerufene Person glaubt, die Liebe sei versiegt.
Bitte entschuldige diese kryptische Beschreibung der Situation, ich möchte niemandem etwas vorwegnehmen und doch dieses Beispiel nennen. Es zeigt einfach so gut, wie jugendlich naiv die erwachsenen Figuren geschrieben wurden. All das wird uns auch nicht gezeigt, indem die eine Person stundenlang vor dem Telefon sitzt, in der Wohnung auf und ab tigert, selbst anruft und niemanden erreicht und wochenlang keinen Kontakt aufnehmen kann. Es wird berichtet, dass es am gestrigen Abend so vor sich ging und nun ist die Person am Boden zerstört und glaubt sich nicht mehr geliebt. Kein Aufbau von Spannung, kein Einblick in das Innenleben der Figur während der Situation.
Du merkst, ich bin nicht allzu zufrieden und kann dem Buch deshalb nur zwei Sterne geben. Es genügt mir nicht, eine schöne Kulisse zu schaffen und zu hoffen, alles darin fügt sich problemlos ein.
Ich habe zu diesem Buch gegriffen, weil ich nach Redwood Love nach einer vergleichbaren Reihe gesucht habe, mit ebendiesem Charme in einer kleinen Stadt. Die Stadtstimmung kommt auch absolut auf, doch Kelly Moran verstand es sehr viel besser, ihren Figuren Tiefe zu geben und Konflikte zu schaffen. Ich weiß, dass das Genre durchaus leichte Lektüre sein kann, hatte Lust darauf und ging daher absolut in dem Wissen an diese Geschichte, dass es nicht allzu verzwickt und ein bisschen wie eine romantische Komödie im Fernsehen sein würde, bei der man von Anfang an weiß, dass sich das Liebespaar kriegen wird, man trotzdem mitfiebert und findet es einfach schön und entspannend. Vom Gefühl her war dieses Buch genau so angelegt und erinnerte mich an die Serien Chesapeake Shores und Men in Trees. Letztere wies sogar einige Parallelen auf, indem Will – der raue Mann aus der kleinen Stadt – Cameron – der schicken Dame aus der Metropole New York – die passenden Schuhe schenkt und sie ein wenig umeinander herumschleichen wie Marin und Jack. Dann gab es sogar eine Szene, die direkt ein „easter egg“ für Twilight sein könnte – erinnerst du dich daran wie Edward Bella auf dem Rücken von der Lichtung zurück zum Truck getragen hat?
Doch der Charme der Figuren in den genannten Serien und Filmen, blieb aus. Man lernt Cameron und Will rein auf der Ebene kennen, was sie sexuell anziehend finden.
Leider konnte ich die Begeisterung, die diese Buchreihe auszulösen scheint nicht nachempfinden und werde dadurch die Folgebände nicht lesen. Wenn du aber Lust hast, dir anzuschauen, um wen es noch geht, findest du sowohl im Buch, als auch im Internet eine Liste, welche Bände die Lost in Love-Reihe noch zu bieten hat.
Liebe Grüße,
Daisy