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Venatrix

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Veröffentlicht am 17.02.2019

Eine Reise in die Weiten des zaristischen Russlands

Die Russland-Expedition
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Alexander von Humboldt (1769-1859) ist spätestens seit Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“ in der Welt der Literatur kein Unbekannter. Im Gegensatz zu Kehlmanns fiktivem Zusammentreffen mit Carl Friedrich ...

Alexander von Humboldt (1769-1859) ist spätestens seit Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“ in der Welt der Literatur kein Unbekannter. Im Gegensatz zu Kehlmanns fiktivem Zusammentreffen mit Carl Friedrich Gauss können wir hier Humboldts Briefe lesen, die er während seiner Russland-Expedition an seinen Bruder Wilhelm, seinen Freund Francois Arago, den russischen Finanzminister Cancrin, dessen Frau sowie an den preußischen Gesandten von Schöler schreibt.

Mit dieser Reise erfüllt sich Alexander von Humboldt im reifen Alter von 60 Jahren einen Jugendtraum. Er nimmt die Einladung von Zar Nikolaus I. 1829 an und reist mit den forschenden Kollegen wie Gottfried Ehrenberg und Gustav Rose mehr als 19.000 Kilometer durch Eurasien bis zur chinesischen Mauer. Doch so ganz uneigennützig ist die vom Zaren finanzierte Reise nicht: Nikolaus I. Erwartet Aufschluss über die vermuteten Gold- und Diamantenvorkommen im Ural.

Gleich zu Beginn der Reise trifft Humboldt noch einen alten Bekannten, dessen Name mein Vermesserherz ein wenig höher schlagen lässt: Friedrich Wilhelm Bessel, ein Astronom, Mathematiker, Physiker und Geodät, der das nach ihm benannte und heute noch gültige Erdellipsoid berechnete. Und überhaupt Geodäsie - Humboldt berichtet über barometrische Höhenmessungen und andere Vermessungen (leider viel zu wenig für mich), erwähnt die Markscheider und ihre Bemühungen, die in diese Expedition gesetzten Erwartungen, bezüglich Erzlagerstätten zu erfüllen.

Die Reisenden sind ständig von russischen Truppen eskortiert und sollen/dürfen keinen Meter von der vorgegebenen Route abweichen. So lernen sie die wahren Zustände im Zarenreich nicht wirklich kennen. Nur ab und zu erhaschen sie einen Blick auf die russische Wirklichkeit.

„Auf diesem Wege sahen wir zum ersten Mal einen Transport von Verbannten, die nach Sibirien geschickt wurden. Er bestand aus Frauen und Mädchen, etwa 60 – 80 an der Zahl. Sie gingen frei, waren also nur leichtere Verbrecher; …“

Welche Schlüsse Humboldt daraus zieht? Da einige der Briefe gekürzt sind, ist dies nicht eindeutig auszumachen. Allerdings versucht er zu helfen, so gut das unter der Bewachung der kaiserlichen Eskorte geht.

Sehr interessant zu lesen, sind die Beobachtungen von Stadt und Land, von Sitten und Gebräuchen, von Kleidung und Speisen, die nicht immer ganz so bekömmlich sind. Hier spricht der erfahrene Beobachter und Forscher aus seinen Briefen. Humboldt verschweigt auch die Mühsal der Reisen nicht, obwohl er ja durch zaristische Ukas ja privilegiert reist, können Schlechtwetter, Hitze oder sonstige Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden.

Sehr interessant sind die nur ganz behutsam redigierten Briefe zu lesen. Die Orthografie und die Beistrichsetzung sind Großteils wie im Original beibehalten. Die damalige Sprache ist für unsere Verhältnisse blumig und poetisch.

Die in Inneren der Buchdeckel abgedruckten Karten erleichtern die Orientierung und lassen uns die Entfernungen, die Alexander von Humboldt mit seiner Reisegruppe zurückgelegt hat, besser einschätzen.

Fazit:

Ein Reisebericht, der mir sehr gut gefallen hat und dem ich gerne 5 Stern gebe.

Veröffentlicht am 15.02.2019

Eine bewegende Familiengeschichte

Wo wir zu Hause sind
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Autor Maxim Leo ist den beinahe verwischten Spuren seiner jüdi-schen Familie nachgegangen. Anlass hierzu ist die Hochzeit sei-nes Bruders bei der die ganze Familie eingeladen ist. Nämlich die ehemals in ...

Autor Maxim Leo ist den beinahe verwischten Spuren seiner jüdi-schen Familie nachgegangen. Anlass hierzu ist die Hochzeit sei-nes Bruders bei der die ganze Familie eingeladen ist. Nämlich die ehemals in Berlin ansässige Familie Leo, die nach der Machtübernahme der Nazis in alle Winde zerstreut wurde.

„Je länger ich mich mit Ilse, Irmgard und Hilde beschäftige, desto mehr bedauere ich, dass ich mich nicht schon eher für ihre Geschichten interessiert habe.“

Wir begleiten den Autor auf seiner Reise zu den Familienmitglie-dern, die in England, Frankreich, Deutschland, Österreich und Israel lebten und leben.

Irmgard und Hans sind schon 1934 nach Israel ausgewandert und haben in einem Kibbuz unweit der Golanhöhen das Land urbar gemacht und ihre Kinder großgezogen.
Hilde ist mit Ehemann Fritz Fränkel und ihrem kleinen Sohn André zuerst nach Frankreich und dann England ausgewandert. Sie hat es im Laufe der Zeit zu einem großen Vermögen gebracht.

Sehr bewegend auch die Geschichte von Ilse, die im französischen Internierungslager Gurs den jüdischen Wiener Arzt Heinz Pollak kennen- und lieben lernt. Die gemeinsame Tochter Susi kommt 1942 im Untergrund zur Welt.

Faszinierend ist die Schilderung der Begegnungen mit den Verwandten. Es scheint, als kennte diese Familienzusammengehörigkeit keine Grenzen. Auch jene Cousins und Cousinen, die niemals in Deutschland gewesen sind, spüren eine seltsame Verbindung mit dem Land, das ihren Großeltern und Eltern so viel Leid zugeführt hat.

Meine Meinung:

Maxim Leo ist mir als Krimi-Autor bekannt. Er schafft es mühelos vom Krimi in das Sachbuch, in die Familiengeschichte, hinüber zu wechseln.
Seine bildhafte Sprache lassen die Leser die Gedanken und die Angst der einzelnen Familienmitglieder miterleben. Der Schreibstil ist mitreißend.

Man kann mit André mitfühlen, der sich von seiner distanzierten Mutter Hilde ins Internat abgeschoben fühlt. Erst viel später wird er verstehen lernen, was sie bewogen hat, genauso zu handeln.

Sehr spannend habe ich das Phänomen gefunden, dass sich alle doch irgendwie eine Verbindung zu Deutschland bzw. Österreich haben, obwohl ihnen hier übel mitgespielt wurde. Auch die Nachkommen jener Familienmitglieder, die zuvor noch nie in Berlin waren, haben dieses eigenartige Gefühl.

Die Lebensgeschichte von Irmgard und Hans, die nach Palästina ausgewandert sind und verächtlich als „Jeckes“ von den einheimischen Juden bezeichnet worden sind, liest sich außerordentlich spannend. Der Anfang, das Leben im Kibbuz ist für beide nicht einfach. Eine ganz andere Welt. „Wie kann es sein, dass man hier nicht einmal seine eigene Unterwäsche anhaben darf?“ fragt sich Irmgard, die zuvor zum Judentum konvertiert ist und hier am Fuß der Golanhöhen ihr bisheriges (Kultur)Leben zurückgelassen hat.

Auf der Reise zur Geschichte seiner Vorfahren hat Maxim Leo viele Stunden und Tage Interviews geführt. Fehlende Puzzleteile aus der eigenen Familie durch andere, wie durch Erzählungen von Tante Susi, erfahren. Susi Pollak teilt ein Schicksal vieler Kinder von jüdischen Familien, die überlebt haben: Die Eltern verschweigen die Herkunft, das Grauen, das Erlebte. Sie wird erst mit 14 Jahren erfahren, dass sie jüdischer Herkunft ist und dies nach wie vor besser nicht an die große Glocke hängt. Sie kann nun diverse Verhaltensweisen der Eltern nachvollziehen und ein wenig besser verstehen.

Es ist die Zeit der Enkel, die Geschichte der Großel-tern aufzuarbeiten, die Eltern sind noch viel zu nahe dran.

Ich habe mich in den letzten Jahren mehrmals mit Geschichten von vertriebenen jüdischen Familien beschäftigt. Doch dieses Buch geht mir besonders unter die Haut. Unter anderem deswegen, weil Familie Pollak 1945 nach Wien zurückkehrt. Susi Pollak wird in den späten 1970ern meine Französisch-Professorin im Gymnasium Zirkusgasse.

Fazit:

Ein Buch das mich sehr fasziniert und berührt hat. Ich gebe hier 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Küchengeheimnisse leicht erklärt

Kochbuch ohne Rezepte, Band 1
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Dieses Kochbuch ist das erste aus einer Reihe mit drei weiteren.
Wir finden hier eine Vielzahl von Profi-Tipps, wie die Zubereitung von Speisen gelingt. Folgende Kapitel helfen uns, manche Vorgänge besser ...

Dieses Kochbuch ist das erste aus einer Reihe mit drei weiteren.
Wir finden hier eine Vielzahl von Profi-Tipps, wie die Zubereitung von Speisen gelingt. Folgende Kapitel helfen uns, manche Vorgänge besser zu vestehen und/oder effizienter zu gestalten:

 Für Pflichtkocher, Kochmuffel, Vielkocher und Gernekocher
 Selbst gemachte Kochhilfen
 Suppen und Fonds
 Saucen
 Fette und Öle und ihre Verwendung in der Küche
 Alkohol in der Küche
 Binden von Flüssigkeiten
 Formen und Folien
 Moderne Garmethoden
 Konservieren von Lebensmitteln
 Kochen von A bis Z
 Maße und Gewichte, Abkürzungen

Nach einigen Kapiteln ist Platz für Notizen - eine recht prakti-sche Idee.
Gut gefällt mir das Kapitel „Maße und Gewichte“. Immer wieder scheitert der geneigte Laie an Angaben wie „eine Tasse“ im Rezept. Welche Tasse? Mokkatasse, Teetasse oder Suppentasse? In diesem Buch finden sich die Antworten.

Der Schreibstil ist erfrischend. Die Erklärungen sind leicht verständlich und bunte Abbildungen lockern den Text auf. Die Verarbeitung des Buchs ist gediegen und das graue Lesebändchen lugt edel hervor.

Ich freue mich auf die drei anderen Bücher dieser Reihe, die bis zum Sommer 2019 erscheinen werden.
Fazit:

Gerne gebe ich diesem Kochbuch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Dichter Nebel in der Südsteiermark

Steirerrausch
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Es ist Ende Oktober als Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem Tatort in die Südsteiermark gerufen werden. Weil Sascha ein miserabler Autofahrer ist, lenkt Sandra das Dienstauto durch die engen Kurven ...

Es ist Ende Oktober als Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem Tatort in die Südsteiermark gerufen werden. Weil Sascha ein miserabler Autofahrer ist, lenkt Sandra das Dienstauto durch die engen Kurven nach Kitzeck im Sausal. Kurz vor dem Ziel taucht wie aus dem Nichts ein Mädchen in einem weißen, aber blutigen Kleidchen auf und verschwindet ebenso plötzlich im dichten Nebel. Sandra kann das Auto nur mit Mühe auf der Straße halten und Bergmann will das Mädchen gar nicht gesehen haben.

Dass zwei Polizisten auf dem Rückweg vom Tatort mit dem Auto verunglücken im dichten Nebel und einer der beiden dabei stirbt, macht das Ganze noch geheimnisvoller. Denn über allem schwebt die Sage vom „Spuk von Trebian“, in der ein junges Mädchen von seinem Vater ermordet wird.
Die beiden Ermittler wissen nicht, was sie davon halten sollen. Während Sandra durchaus für eine übersinnliche Wahrnehmung emp-fänglich scheint, lehnt Bergmann allein schon den Gedanken daran kategorisch ab.

Je tiefer Sandra Mohr und Sascha Bergmann in die Familie des er-mordeten Weinbauern Hermann Schneider eindringen, desto schwieriger werden die Ermittlungen. Das Opfer war nicht sonderlich beliebt und hat sich durch seine ruppige Art einige Feinde gemacht. Ist unter ihnen der Mörder zu finden? Oder liegt das Motiv gan wo anders?
Und warum ist er mit einem alten Vorderlader erschossen worden? Wer benützt denn heute noch so einen alten Schießprügel?

Fragen über Fragen mit denen sich die beiden Ermittler vom LKA Steiermark herumschlagen müssen.

Meine Meinung:

Der Krimi hat einen gruseligen Touch, da er ja rund um Allerheiligen spielt und auf so manchen re-importierten Brauch als „Zutat“ zurückgreift. Geschickt verknüpft Claudia Rossbacher die Sage aus dem 13. Jahrhundert mit dem aktuellen Kriminalfall. Auch die Geschichten rund um Maria Silbert, eine Spiritistin aus den 1920er Jahren, die die „Seherin von Waltendorf“ genannt wurde, finden ihren Eingang. Diese Idee finde ich recht interessant.
Die Rückblenden zu den Séancen mit der Maria Silbert fügen sich schön in den Kontext ein.

Der Schreibstil ist wie immer locker und flüssig. Elegant versucht die Autorin ihre Leser auf falsche Fährten zu locken. Die Auflösung hat dann noch eine interessante Wendung auf Lager.

Ich kenne die Gegend ganz gut und habe direkt Lust bekommen, wieder einmal ins Sausal zu fahren.

Fazit:

Auch der 9. Fall für Sandra Mohr und Sascha Bergmann findet bei mir Anklang. Gerne gebe ich hier wieder 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Eine Hommage an einen großen Künstler

Rudolf Schönwald
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Der österreichische Maler, Grafiker, Karikaturist, Zeichner und Staatspreisträger Rudolf Schönwald feierte im Juni 2018 seinen 90. Geburtstag. Aus diesem Anlass erscheint im Frühjahr 2019 ein opulenter ...

Der österreichische Maler, Grafiker, Karikaturist, Zeichner und Staatspreisträger Rudolf Schönwald feierte im Juni 2018 seinen 90. Geburtstag. Aus diesem Anlass erscheint im Frühjahr 2019 ein opulenter Bildband, der ihm und seinem Werk gewidmet ist.

Rudolf Schönwald ist 1928 als Kind einer jüdischen Familie gebo-ren. Dennoch katholisch getauft, verbringt er einige Jahre seiner Kindheit unter anderem in Salzburg. 1943 flieht er nach Budapest und wird von einem Pfarrer vor der drohenden Deportation gerettet. Schönwald kehrt nach dem Krieg nach Wien zurück und studiert an der Akademie für Bildende Künste. Sein Weggefährte, nicht nur in der Kunst sondern auch im gesellschaftspolitischen Engagement, ist Alfred Hrdlicka, mit dem er auch das Atelier teilt.

Mit ihrer beinahe schon grob zu nennenden bildhaften Szenerie, versuchen beide, ihre Traumata aus dem Nazi-Regime und die aktuelle Weltlage des Kalten Krieges zu verarbeiten.

Um das Schaffen von Rudolf Schönwald verstehen zu können, muss man sich mit seiner Herkunft und den Zuständen an der Akademie der Bildenden Künste beschäftigen. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die antisemitischen Strömungen deutlich. Einige Professoren sind bereits illegale Nazis, die dann während der Diktatur die Akademie prägen: Leider verlieren nur wenige nach Kriegsende ihren Job, so dass vieles beim Alten bleibt. Künstler wie Schönwald oder Hrdlitschka kämpfen dagegen an.

Mehrere Autoren haben Schönwalds Leben und Werk betrachtet. Diese Essays sind hier zu lesen.

Aus dem reichen Schaffen sind zahlreiche bedeutende Arbeiten dargestellt und erläutert.

Viele Grafiken und Bilder wirken archaisch. Die Figuren eckig, vorherrschende Farben sind schwarz und rot.
In seinem Zyklus „Mahagonny“ aus den Jahren 1989-1999 wird es ein wenig bunter. Die Holzschnitte sind (hand)koloriert.

Gut gefallen mir auch die späten Kreidezeichnungen, die häufig Industriebauten und/oder Plätze wiedergeben.

Mehrere Jahre hindurch zeichnet er Comics und seine Frau Gilly Hillmayr (verstorben 1984) schreibt die Texte dazu.

Ein schönes Geschenk zum 90. Geburtstag für einen Künstler, der nicht so offensichtlich im Rampenlicht steht.