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Veröffentlicht am 14.02.2019

Zwei sperrige Typen

Unter den Menschen
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die sich hier gefunden haben, wenn man es überhaupt so bezeichnen kann. Denn eigentlich ist es Wil, die Jan gefunden hat und sie hat ihm quasi keine Wahl gelassen. Und eigentlich wollte sie auch nicht ...

die sich hier gefunden haben, wenn man es überhaupt so bezeichnen kann. Denn eigentlich ist es Wil, die Jan gefunden hat und sie hat ihm quasi keine Wahl gelassen. Und eigentlich wollte sie auch nicht ihn, sondern vielmehr sein einsames Bauernhaus hinterm Deich.

Und Jan ist auch nicht gerade ein Poussierstengel, zu Beginn könnte man meinen, er wolle nur Sex. Ganz so ist es dann auch nicht und zudem ist er ganz klar der weniger Sperrige von den beiden, der, der sich mehr auf Wil zubewegt, der, der mehr zu bieten hat. Ganz klar, sein Haus nämlich.

Und Wil? Sie kommt nicht zur Ruhe, auch, als sie eigentlich keine Wahl mehr hat.

Zwei bösartige Eigenbrötler, die man aufeinander losgelassen hat? Nein, dazu schreibt Autor Mathijs Deen viel zu entspannt, teilweise geht es sogar fast in Richtung Warmherzigkeit. Aber eben nur fast, denn den beiden einsamen Gestalten fällt es nicht leicht, sich "Unter den Menschen" zurecht zu finden, auch wenn es manchmal nur das Gegenüber ist.

Beide haben es nicht leicht gehabt, machen es sich aber selbst auch nicht leicht, ebensowenig wie einander. Sie stehen eigentlich allem im Wege, was nach vorne gewandt ist. Bis, ja bis sich etwas ändert. Und dann? Seien Sie gespannt.

Mathijs Deen gewährt uns einen Einblick in die Seele des ländlichen Niederländers, der ebenso eindringlich ist wie stellenweise erbarmungslos. Stellenweise fühlte ich mich an die kauzigen Typen in den Filmen der finnischen Kaurismäki-Brüder erinnert, die jedoch um einiges warmherziger daherkommen. Dennoch - am Ende dieser Lektüre war ich bereit, mein Herz für Jan und Wil zu öffnen. Jedenfalls ein kleines bisschen.

Veröffentlicht am 06.02.2019

Wir wollten mal auf Großfahrt gehn'

Wallace
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bis an das End' der Welt.

Und auch, wenn dieses - was auch immer für jeden Einzelnen dahinter steckte - im 19. Jahrhundert für die meisten Menschen unerreichbar schien und auch war, gab es einige Wenige, ...

bis an das End' der Welt.

Und auch, wenn dieses - was auch immer für jeden Einzelnen dahinter steckte - im 19. Jahrhundert für die meisten Menschen unerreichbar schien und auch war, gab es einige Wenige, die sich ganz weit fort wagten. Viele von ihnen waren Händler. Und manche waren Forscher: Geographen, Geologen, Archäologen. Und zunehmend auch Artenforscher, im weitesten Sinne (heute durchaus gängigen) Sinne also Biologen. So wie der Bärtige, zunächst als der junge Bärtige tituliert.

Der Bärtige, der im gesamten Erzählverlauf nicht ein einziges Mal beim Namen genannt wird, dafür aber umso prominenter ganz vorn auf dem Buch, nämlich als Titel: das ist der Artensammler Alfred Russel Wallace, der Darwin in Bezug auf die Entwicklung der Evolutionstheorie um eine Nasenlänge voraus war. Was aber keiner weiß, weil er damit nämlich nicht an die Öffentlichkeit ging.

Im vorliegenden Roman jedoch verläuft die Entwicklung ein wenig anders, weil es nämlich einen zweiten Erzählstrang gibt um einen gewissen Bromberg, seines Zeichens Nachtwächter im Naturkundemuseum und streckenweise meine absolute Lieblingsfigur im Roman. Er nämlich entdeckt rein zufällig Wallace und dessen Werk und hat etwas vor - was, das erfahren Sie durch die Lektüre dieses Buches.

Ja, Bromberg und die Charaktere um ihn herum - ich habe sie wirklich geliebt und genossen, bis just dieser Erzählstrang streckenweise zu einer Räuberpistole verkam, die sich dergestalt entwickelte, dass es mir einfach zu viel wurde. Auch, wenn ich das Buch gern gelesen habe. Wirklich.

Da die Biologie eine exakte Wissenschaft ist, möchte ich meine persönliche Evaluation, nämlich die dieses Buches auch möglichst exakt, vielmehr akribisch genau, vollenden und es im Hinblick auf meine Abschlussbewertung nicht bei einer groben Schätzung belassen: ich vergebe exakt (!) 3,5 Punkte, Sterne, Käfer, Inseln oder was auch immer für dieses Buch - wo nicht anders möglich, runde ich großzügig auf.

Ich empfehle dieses Buch toleranten und geduldigen Freunden der Naturwissenschaften, weiter Reisen und verschrobener Menschen. Jenen, die sich für eigenartige Männerbünde, fremde Völker und seltsame Orte (nah und fern) interessieren, Bärtige (bzw. deren Erwähnung auf Schritt und Tritt) mögen und denen nicht bange wird, wenn der Protagonist auch mal selbst an sich herumdoktert. Lesern, die gewillt sind, hier und da mal ein Auge zuzudrücken. Vor allem, wenn es um den geradezu inflationären Gebrauch von Adjektiven, gerne auch solchen aus eigener "Werkstatt" geht und um extreme, nicht immer passende (aus meiner Sicht) Wendungen im Handlungsverlauf.

Veröffentlicht am 27.01.2019

An jedem Finger eine Frau

Die zehn Lieben des Nishino
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hat Nishino, der Held dieses Romans, der sich in zehn einzelnen Geschichten wie in Perlen um seine Person rankt. Es sind zehn Frauen, mit denen er "etwas hat" - zehn jedenfalls, die zu Wort kommen, denn ...

hat Nishino, der Held dieses Romans, der sich in zehn einzelnen Geschichten wie in Perlen um seine Person rankt. Es sind zehn Frauen, mit denen er "etwas hat" - zehn jedenfalls, die zu Wort kommen, denn es sickert wieder und wieder durch, dass er es nicht nur bei diesen zehn belassen hat.

Zehn Frauen, die er liebte und die ihn liebten? Nein, so klar ist die Sache längst nicht: so manch einer der Frauen war die Vergänglichkeit ihrer Beziehung zu Nishino bereits von Beginn an klar und deutlich bewusst und sie ließ sich gefühlsmäßig gar nicht so richtig auf ihn ein.

Dabei ist Nishino doch auf der Suche nach der wahren Liebe, nach der Frau für ihn. Wir erleben ihn in verschiedenen Altersstufen; als jungen Mann ebenso wie als Mittfünfziger und es ist immer die Außenwahrnehmung, durch die er uns nahegebracht wird oder eben auch gerade nicht.

Denn es sind ebendiese zehn Frauen, die nacheinander zu Wort kommen und über ihre Erlebnisse mit Nishino, von denen keines länger als ein paar Monate währte, einige sogar wesentlich kürzer.

Abstand, das ist ein Begriff, der mir während der Lektüre wieder und wieder im Kopf herumgeisterte - denn richtige Nähe findet an keiner Stelle statt. Nein, es scheint so, als würden die Frauen und Nishino sich gegenseitig jedes Mal verpassen. Entweder die Gefühle sind nicht gleichzeitig da, oder überhaupt nur einseitig oder aber man wird sich erst im Nachhinein darüber klar.

Die japanische Autorin HIromi Kawakami vermag es, dies mit stilistischen Mitteln eindrucksvoll zu illustrieren. Nicht jedoch eindringlich - dafür ist ihr Stil zu unterkühlt, zu sachlich. Einen Roman wie diesen - es ist mein erster aus ihrer Feder - habe ich bisher noch nicht gelesen und er hat mich gewissermaßen fasziniert. Andererseits blieb da jedoch eine gewisse Leere. Eine, die von der Autorin möglicherweise beabsichtigt war, mich jedoch ein wenig befremdet hat. Wie das eben so ist bei Neuem, mit dem man sich erst vertraut machen muss!

Veröffentlicht am 20.10.2018

Was man so mit sich rumträgt

Sechs Koffer
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Das sind in diesem Falle die Päckchen einer ganzen Familie, der Vater, der Tate, Schmil Grigorewitsch nämlich und dessen vier Söhne, von denen zwei eine eigene Familie haben. Jedenfalls eine, die in diesem ...

Das sind in diesem Falle die Päckchen einer ganzen Familie, der Vater, der Tate, Schmil Grigorewitsch nämlich und dessen vier Söhne, von denen zwei eine eigene Familie haben. Jedenfalls eine, die in diesem Roman vorkommt. Maxim Biller selbst ist ein Enkel: Sohn von Sjoma, dem jüngsten Sohn. Es sind russische Juden, der Tate selbst wurde 1960 in der Sowjetunion hingerichtet.

Im Geburtsjahr Maxim Billers, dessen Wiege allerdings in Prag stand. Man sieht, die Verhältnisse in diesem kurzen, keine zweihundert Seiten langen Roman sind überaus komplex. Zunächst deswegen, weil die Protagonisten alle echt sind: die tatsächlichen Familienmitglieder des Autors, hauptsächlich seine Vorfahren.

Und sie alle stehen im Kreuzfeuer, wenn es um die zentrale Frage geht: wer trägt die Schuld am Tode des Taten, wer hat ihn denunziert? Einer der Söhne? Wenn ja, welcher?

Denn diese sind zum Todeszeitpunkt des Vaters bereits weit in der Welt verstreut, zwei befinden sich in Tschechien, die beiden anderen in Berlin (West) und in Brasilien.

Der Autor spielt sowohl mit den Ereignissen als auch mit den Figuren und mir als Leserin blieb seine Intention ein wenig fremd. Auch er selbst - als Ich-Erzähler ist ein wichtiger Faktor in der Geschichte. Ist es also sein Standpunkt, den er wiedergibt? Oder ein Standpunkt, den er sich ausleiht? Sind es Fakten oder ist es Fiktion, die hier wiedergegeben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass er oder sein Verlag mir antworten würden, das sei nicht von Belang.

Was mich allerdings durchaus erfasst, ist das Thema Exil, das sich wie ein roter Faden durch den Roman zieht - Exil und stellenweise Verfolgung, das sind Elemente, mit denen auch meine Familie über Jahrzehnte hinweg konfrontiert war - dieses Getriebensein, diese Unruhe, die sich durch die gesamte Handlung zog, die konnte ich sehr gut nachempfinden.

Aber ich bin eine Leserin, die ganz gerne die Kontrolle behält über ihre Lektüre. Die sich ungern treiben lässt, zumindest hinsichtlich des Wahrheitsgehalts ihrer Lektüre. Hier kann alles sein, muss aber nicht. Ohne Frage ein wahnwitziges Unterfangen, aber eines, das mich ziemlich befremdet zurück lässt.

Veröffentlicht am 09.10.2018

Harold und Maude mitten in Europa

Ich komme mit
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Eine alte Frau und ein junger Mann - da musste ich gleich an Harold und Maude denken, an einen Film, der mich schon in jungen Jahren sehr begeistert hat. Der Vergleich trifft es auch - so glaube ...

Eine alte Frau und ein junger Mann - da musste ich gleich an Harold und Maude denken, an einen Film, der mich schon in jungen Jahren sehr begeistert hat. Der Vergleich trifft es auch - so glaube ich - ganz gut, obwohl es in "Ich komme mit" nicht um eine Liebesgeschichte zwischen alt und jung, sondern um eine Art Seelenverwandtschaft geht, allerdings um eine, die sich erst schleichend einstellt.

Denn Vita und Lazar, genannt Lazy, kennen sich schon seit Ewigkeiten - also soweit etwas, an das sich ein 21jähriger erinnern kann, als ewig bezeichnet werden kann. Denn genau so alt ist Lazy. Vita geht so langsam auf die 75 zu, ist also fast dreieinhalb mal so alt, ihr Sohn Morris - ehemals Moritz -, der ins ferne Australien ausgewandert ist, könnte locker Lazys Vater sein. Sie kennt Lazy aus dessen Kindheit, als er schon einmal im Haus wohnte - nun ist er zurückgezogen, hat die Wohnung von seinem verstorbenen Vater geerbt.

Damals mochte Vita Lazy nicht und er hatte sich in Bezug auf ihre Person überhaupt keine Meinung gebildet. Nun findet eine zunächst zögerliche Annäherung in einer Krisensituation statt: Lazy ist nämlich sehr, sehr krank, viel zu krank für einen jungen Mann seines Alters. Und Vita hat das Gefühl, endlich gebraucht zu werden und mehr als das. Sie kümmert sich um Lazy, doch sie werden auch bald zu Vertrauten, zu solchen, die sich alles erzählen. Und alles verkraften, was sie vom anderen zu hören bekommen. Was nicht immer unbedingt einfach ist.

Aber es schweißt sie zusammen - so sehr, dass sie sich auf eine gemeinsame Reise begeben. Obwohl das definitiv unvernünftig ist!

Ein wunderschönes Buch mit tollen Sequenzen und manchmal schönen Sätzen - so dachte ich zunächst. Aber ab der Mitte ging etwas durch, verlor der Roman aus meiner Sicht seine Kraft, die zunächst sich daraus resultierende Botschaft verpuffte irgendwie. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass die Autorin - selbst schon im gesegneteren Alter - einfach etwas Freches, Lockeres, Unerwartetes schreiben wollte. Was ihr auch gelungen ist - aber nicht so, dass es mich bis zum Schluss beeindrucken konnte!