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Veröffentlicht am 14.02.2019

Sehr aktuelles Jugendbuch

Über die Berge und über das Meer
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„...Die Amerikaner hassen uns, weil wir nicht in Häusern leben und sie uns deshalb nicht kontrollieren können. Die Taliban hassen uns, weil wir unsere Frauen nicht verschleiern und die Gebetszeiten nicht ...

„...Die Amerikaner hassen uns, weil wir nicht in Häusern leben und sie uns deshalb nicht kontrollieren können. Die Taliban hassen uns, weil wir unsere Frauen nicht verschleiern und die Gebetszeiten nicht einhalten..“

Soraya lebt in einem kleinen Dorf in den Bergen Afghanistans. Sie gehört zum Volk der Paschtunen. Als siebtes Mädchen ihrer Eltern ist sie, einer alten Tradition zufolge, als Junge aufgewachsen, weil die Mutter nur Mädchen geboren hat. Sie nennt sich dann Samir. Das brachte ihr gegenüber den Mädchen des Dorfes eine ungeahnte Freiheit und die Möglichkeit, die Schule zu besuchen. Nun wartet sie wie jedes Jahr um diese Zeit auf Tarek. Der Junge gehört zum Nomadenvolk der Kuchi. Nach dem Winter kommen die Nomaden zum Handeln mit ihren Schafen in die Dörfer. Doch Soraya wartet umsonst.
Der Autor hat einen spannenden Roman nicht nur für junge Leser geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Jeweils ein Kapitel über Sorayas Leben wechselt mit den Erzählungen über Tarek.
Anfangs werden ich nicht nur mit dem Leben der beiden, sondern auch mit den politischen Verhältnissen konfrontiert. Das Eingangszitat beschreibt die Situation der Kuchi. Den Dorfbewohner allerdings geht es nicht anders. Mit Beginn der Dämmerung patrouillieren Taliban, um zu kontrollieren, dass die von ihnen aufgestellten Regeln eingehalten werden. Tagsüber müssen die Einwohner damit rechnen, von dem Amerikanern abgeholt und verhört zu werden.
Für die Kuchi und ihre Schafherden gibt es ein weiteres Problem. Ashkan, Tareks Bruder, formuliert das so:

„...In diesem Land gibt es mehr Minen als Menschen. Und wir Kuchi haben stärker darunter zu leiden als alle anderen...“

Es ist das Jahr der Entscheidungen. Einerseits verlangen die Taliban, dass Soraya ab sofort als Mädchen lebt und das Haus nicht mehr verlässt, andererseits wollen sie demnächst Tarek als Kundschafter und Fährtenleser rekrutieren. Beide Familien fällen die gleiche Entscheidung. Sie schicken ihre Kinder gen Westen.
Beide darf ich auf ihren Weg über die Berge und das Meer begleiten. Sie gehören unterschiedlichen Flüchtlingsströmen an und machen deshalb nicht die gleiche Erfahrung. Doch sie finden Menschen, die ihnen zur Seite stehen und weiterhelfen. Sehr detailliert wird der Weg beschrieben. Dabei arbeitet der Autor heraus, dass es bei den Schleusern auch solche und solche gibt. Mancher tut alles, damit die Anvertrauten ihr Ziel erreichen. Andere nehmen das Geld und lassen die Menschen danach in Stich. Auch die Motivation, sich gerade für diesen Job zu entscheiden, wird thematisiert.
Als Tarek das erste Mal das Meer sieht, liest sich dass so:

„...Er schnupperte in der Luft. Das Wasser riecht nach Salz und nach etwas anderem, seltsam faulig. Tarek kennt den Geruch nicht, er weiß nicht, was er davon halten soll...“

Sehr gut gefallen haben mir die eingestreuten Märchen und Legenden der Kuchi. Außerdem wird schnell klar, das das Leben in Deutschland für die jungen Leute eine große Herausforderung ist. Tarek hat nie eine Schule besucht, das Leben in geschlossenen Räumen ist für ihn ungewohnt. Dafür ist er praktisch begabt und kann sehr gut mit Tieren umgehen. Soraya dagegen macht das Lernen Spaß.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autor hat in einer fesselnden Handlung den Bogen geschlagen vom Leben in der Heimat über eine abenteuerliche und gefährliche Flucht bis zur Ankunft in Deutschland. Und er hat dabei geschickt die politischen Ursachen in die Handlung integriert.
Ein aussagekräftiges Nachwort und zwei Karten zum Fluchtweg ergänzen die Geschichte. Ich würde mir das Buch als Schullektüre wünschen, denn es kann helfen, Vorurteile zu abzubauen.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Fesselnder Katzenkrimi

Kamikatze
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„...Wunder dich nicht, mein Mensch steckt jeden Cent, den er nicht hat, in die Technik. Dafür holt er sich die Möbel von der Straße. Besserer Sperrmüll, wie man sieht...“

Nach heftigen Kampf wird Agentin ...

„...Wunder dich nicht, mein Mensch steckt jeden Cent, den er nicht hat, in die Technik. Dafür holt er sich die Möbel von der Straße. Besserer Sperrmüll, wie man sieht...“

Nach heftigen Kampf wird Agentin Indy, eine Maine – Coon - Katze, von der Übermacht der Ratten gefangen genommen. Ihr Bruder Ian, ein Wohnungskater, wartet umsonst auf sie. Er weiß, dass etwas passiert sein muss. Also holt er sich Hilfe bei dem Norweger - Waldkater und Albino Maxim.
Die Autorin hat einen fesselnden Katzenkrimi geschrieben, den man durchaus auch dem Genre Thriller zuordnen könnte. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er unterstützt einerseits die rasante Handlung, beinhaltet gekonnte Anspielungen auf unsere politische Realität und enthält ab und an feinen, aber auch schwarzen Humor.
Das Eingangszitat stammt von Maxim. Sein Dosenöffner entwickelt Apps. Maxim hat ein eigenes Tablett.
Bei der Suche nach Indy finden Ian und Maxim Weggefährten, die ihnen helfen. Das sind der Pinscher Honeyball, der offiziell in der Modebranche zu Hause ist, der Spatz Kilo Foxtrott, die Ratte Xplode, die sich mit Sprengstoffen auskennt, und der halbe Wurm 3.1.
Natürlich geht nicht alles ohne Probleme, wenn die Tiere und ihre Beute gemeinsam handeln. Maxim bringt das auf den Punkt, nachdem aus seinem weißen Fell ein dreckiger Pelz wurde.
„...Und ihr wollt meine Freunde sein? Da freue ich mich aber richtig auf die Feinde!...“

Es gehört schon Mut dazu, sich als Wurm im Schnabel eines Vogels transportieren zu lassen.
Indys Gegenspieler ist Professor Sumo, ein Maulwurf. Er strebt nach der Weltherrschaft. Momentan ist es ihm zu verdanken, dass die Kosten für einige Großprojekte explodieren, zum Beispiel den Berliner Flughafen.
Die Geschichte wird im Wechsel erzählt. Einmal berichtet Indy aus ihrer Gefangenschaft, danach darf ich ihre Befreier, die sich icats nennen, auf ihren Weg begleiten.
Sehr einfallsreich finde ich manch verwendete Abkürzungen. Wer würde im KGB schon einen Katzengeheimbund und im BND einen Bund neugieriger Dobermänner vermuten?
Die Suche nach Indy führt mich als Leser zu einem siamesischen Fischzwillingspaar auf einer Autobahnraststätte in Sachsen. Deren Sächsisch ist herrlich! Ihr in Verse gefasstes Orakel bestimmt den weiteren Weg. Und der führt die Gruppe quer durch die Unterwelt Berlins. Wieder kommt Maxim zu Wort:

„...Na prima, lebendig begraben zu sein ist doch schon viel besser, als von einer Horde Bonsairatten gedemütigt zu werden. Habe ich erwähnt, dass ich unter Platzangst leide?...“

Xplode erstaunt in einigen Szenen durch seine philosophischen Betrachtungen. Auch das Thema Drogen spielt eine Rolle. Sumo experimentiert in großen Stil mit denen. Indy macht sich ihre Gedanken darüber:

„...Der unverschnittene Stoff ging mit Sicherheit direkt an die Regierung. Falls Sumo nicht schon die ersten Zweibein-Versuche durchführen ließ. […] Das merkwürdige Verhalten einiger Regierungschefs könnte dazu passen. Indy dachte mit Grausen an Amerika und Nordkorea...“

Erstaunlich viele ungewöhnliche Ideen hat die Autorin zu einer extrem spannenden Handlung kombiniert.
Die Steckbriefe der Protagonisten und eine Katzenkeilschrift ergänzen das Buch. Außerdem gibt es Hinweise zur Fortsetzung, die ich nun mit Spannung erwarte.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 11.02.2019

Verhalten in stürmischen Zeiten

Anker im Sturm
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„...In der Bibel steht, dass wir uns nicht darüber wundern sollen, wenn wir vor harten Proben, Stürmen oder Feuerstürmen stehen. Nur, dass Sie es wissen: Ich wundere mich jedes Mal...“

In 12 Kapiteln ...

„...In der Bibel steht, dass wir uns nicht darüber wundern sollen, wenn wir vor harten Proben, Stürmen oder Feuerstürmen stehen. Nur, dass Sie es wissen: Ich wundere mich jedes Mal...“

In 12 Kapiteln setzt sich die Autorin mit den Stürmen in unserem Leben auseinander. Als Aufhänger nutzt sie in vielen Fällen die stürmische Schiffsreise von Paulus gen Rom. Dessen Erleben und Verhalten exportiert sie in die Gegenwart.
Im ersten Kapitel steht die Forderung im Mittelpunkt, auch in schwierigen Situationen wieder aufzustehen. Das Eingangszitat stammt aus diesem Kapitel.
Danach untersucht die Autorin, wie man sich für einen Sturm wappnen kann. Das folgende Zitat bringt es präzise auf den Punkt:

„...So wie ein gebrochener Arm einen Gips benötigt, brauchen wir auch eine Stütze, einen Halt, um schwierige Zeiten zu überstehen...“

Dann zählt sie zwei dieser Stützen auf und erläutert sie genauer. Dabei verwendet sie zum einen eine Vielzahl von passenden Bibelzitaten, zum anderen lässt sich mich in ihr eigenes Leben blicken und schöpft aus dem Schatz ihrer Sturmerfahrungen.
Im dritten Abschnitt geht es darum, Ballast über Bord zu werfen. Dazu gehören Enttäuschungen, unerfüllte Erwartungen und Ängste. Sehr gut gefällt mir, dass die Autorin an vielen Stellen mit Aufzählungen arbeitet und dadurch das Thema schnell konkretisiert. Ausgangspunkt ist die folgende Feststellung.

„...Auch auf der Reise unseres Lebens nehmen wir oft zu viel Gepäck mit. […] Wenn Sie es jedoch durch den Sturm schaffen wollen, müssen Sie ein paar Gepäckstücke über Bord werfen, ehe das Gewicht Sie zum Kentern bringt...“

Im vierten Kapitel erweitert sie das Thema, indem sie darauf hinweist, dass wir auf unsere Prioritäten achten müssen. Dazu zitiert sie Stephen Covey:

„...Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache die Hauptsache bleibt...“

Im nächsten Kapitel geht es um den Wert der Hoffnung, bevor sie uns im sechsten Kapitel auffordert, Entscheidungen mutig anzugehen. Hier hat sie in ihre Ausführungen gekonnt den Lebenslauf einiger mutiger Frauen eingeflochten.
Abschnitt 7 greift den Titel des Buches auf. Vier Anker werden explizit beschrieben. Danach ermahnt uns die Autorin, nicht aufzugeben und zeigt, wie wir gestärkt aus einem Sturm hervorgehen können.

„...In unserem Leben gibt es viele Nöte. Deshalb müssen wir zusehen, dass wir bei Kräften bleiben, um über diese Runden zu kommen...“

Im Gegensatz zu manch anderen Büchern, beginnt die Autorin damit, Beispiele aufzuzählen, wie wir unseren Körper gesund und stark erhalten, bevor sie sich der geistigen Gesundheit zuwendet.
Ein eher schwieriges Thema sind sicher für jeden die selbst verursachten Stürme. Auch die klammert die Autorin nicht aus.
Im Kapitel 12 führt sie uns dann ans Ufer.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Einiges dazu hatte ich im Laufe der Rezension schon ausgeführt. Die Zitate zeigen auch, das die Autorin über einen feinen Humor verfügt.
Bibelzitate für stürmische Zeiten und weiterführende Fragen ergänzen das Buch.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es gibt viele praktische Ratschläge, wirkt nie trocken und belehrend und zeigt, dass die Autorin selbst mitten im stürmischen Leben steht.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Lenas Wandlung

Jabando - Das rätselhafte Labyrinth
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„...Weißt du, Tom, es ist immer besser, mit jemanden zu reden und offen zu fragen, wie man sich verhalten soll, als einfach nicht hinzugehen. Das ist feige...“

Tom sieht in der Kirche Lena. Das Mädchen ...

„...Weißt du, Tom, es ist immer besser, mit jemanden zu reden und offen zu fragen, wie man sich verhalten soll, als einfach nicht hinzugehen. Das ist feige...“

Tom sieht in der Kirche Lena. Das Mädchen sitzt seit einem Verkehrsunfall im Rollstuhl. Es verzieht keine Miene und schaut finster. Tom spricht sie an, doch Lena reagiert unwirsch. Als sich Tom mit Herrn Munkel unterhält, empfiehlt der ihm, Lena das Nintentospiel zu bringen. Kurzerhand geht Tom bei Lenas Haus vorbei. Dort trifft er deren Mutter, die ihn einlässt.
Die Autorin hat ein spannendes Kinderbuch geschrieben, das wichtige Themen streift. Es ist der zweite Teil über ein besonderes Computerspiel.
Der Schriftstil ist der Zielgruppe angepasst. Die Geschichte lässt sich gut lesen. Schnell wird deutlich, dass Lena ihr neues Leben nicht akzeptiert. Sie ringt mit ihren Glauben und ist nicht bereit, Initiative zu ergreifen. Das klingt bei ihr so:

„...Wenn sie Gott wirklich lieben würde, würde er doch nicht zulassen, dass sie nicht mehr laufen konnte. Anfangs hatte sie wie verrückt gebetet, dass sie geheilt würde. Auch ihre Eltern hatten mit dafür gebetet. Doch es war nicht passiert...“

Andererseits aber fällt es den Menschen ihrer Umgebung schwer, auf sie zuzugehen. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Deshalb ist die Mutter auch positiv überrascht, dass Tom sie besuchen will.
Anfangs will Lena vom Computerspiel nichts wissen. Dann aber kann es ihr nicht schnell genug gehen. Plötzlich steckt sie ohne Tom und ohne Bibel in einem Labyrinth.
Sehr gut wird beschrieben, wie Lena nach und nach die Aufgaben meistert. Ihr kommen dabei ihre Bibelkenntnisse zugute. Andererseits nimmt sie auch Umwege und erkennt das erst zu spät. Plötzlich ist sie zu Dinge fähig, die sie zuvor konsequent verweigert hat.
Da Lena keine Bibel bei sich hat, macht es sich für mich als Leser gut, die Bibelstellen nachzuschlagen, um einschätzen zu können, ob Lena den richtigen Weg genommen hat. Das gefällt mir ausgezeichnet, denn so werden auch die Kinder, für die das Buch gedacht ist, fast unauffällig an die Arbeit mit der Bibel herangeführt.
Lenas Erleben mit dem Spiel ist ganz anders als das von Tom und Jojo im ersten Teil. Es ist speziell auf ihre Situation zugeschnitten. Natürlich erlebt Lena Zeiten von Frust und Angst. Aber ihr Humor gewinnt wieder die Oberhand, wie das folgende Zitat zeigt.

„...Das Schiff war eindeutig nicht behindertengerecht...“

Erneut ist die Begegnung mit Jesu der Höhepunkt der Geschichte. Er hört sich Lenas Klagen und Beschwerden an. Auf sehr feine und sensible Art zeigt er ihr, warum alles so kommen musste, wie es gekommen ist und was ihre Aufgabe in der Zukunft ist. Sie erkennt, dass ein Wunder keine Lösung wäre, denn nun kann sie tiefer sehen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. In Jabandos Themenschatz am Ende der Geschichte werden wichtige Aussagen nochmals kurz beleuchtet. Das gibt Stoff für Gespräche mit den Kindern.

Veröffentlicht am 08.02.2019

Bewegende Lebensgeschichte

Bis sich unsere Wege wieder kreuzen
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„...Das Leben ist eine lange Reise […] Heute haben sich unsere Lebenswege gekreuzt und wir waren für ein paar Stunden Reisegefährten...“

Wir schreiben das Jahr 1997. Susanna reist von Rom zurück in die ...

„...Das Leben ist eine lange Reise […] Heute haben sich unsere Lebenswege gekreuzt und wir waren für ein paar Stunden Reisegefährten...“

Wir schreiben das Jahr 1997. Susanna reist von Rom zurück in die Heimat. Ursache ist der Anruf ihres Bruders. Während sie sich zum Zug nach Mailand begibt, sieht sie wie eine ältere Frau stürzt. Sie hilft ihr. Auch Emilio, ein junger Doktorand, kommt in letzter Minute zum Zug. Er greift den beiden Frauen unter die Arme. Dadurch erreichen alle Drei den Zug. Die gemeinsame Reise hinterlässt Spuren. Als sich Susanna von Anna, der älteren Dame, verabschiedet, fallen die Worte des Eingangszitats.
Mittlerweile sind 10 Jahre vergangen. Susanna ist verheiratet. Da kommt Emilio als Gastprofessor nach Bonn.
Die Autorin hat einen berührenden Gegenwartsroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Susanna hat die Begegnung im Zug nie vergessen. Sie hat ihre Studienrichtung bestimmt. Momentan schreibt sie an ihrer Dissertation. Allerdings wirbelt der Unfall ihrer Schwiegermutter ihr Leben kräftig durcheinander.
Auch Emilio bekommt Susanna nicht aus dem Kopf. Er hat nie geheiratet und sich seiner Karriere gewidmet. Außerdem schreibt er Liedtexte für seinen jüngeren Bruder.
Im Zug hatte Anna den jungen Leuten ihr Leben erzählt, ein Leben, dass lange von Verzicht und Demütigung geprägt war. Sie konnte nicht ahnen, dass ihre Erfahrungen Susanna eines Tages bei einer wichtigen Entscheidung helfen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die Autorin versteht es, die Emotionen der Protagonisten gekonnt in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehört die enge Bindung von Susanna an ihren Zwillingsbruder Laurenz. Und der kennt seine Schwester sehr gut. Sein Vermächtnis begleitet sie durch die dunkelsten Stunden ihres Lebens und hilft ihr bei ihren Entscheidungen.
Doch die Verluste, die Susanna zu ertragen hatte, haben Spuren hinterlassen. Sie kämpft um ihre Ehe, obwohl mir als Leser schnell klar ist, dass sie nur die Gebende ist – und zwar in jeder Hinsicht. Doch die anfangs geschickte Gesprächsführung von Stefan, ihrem Mann, insbesondere sein Hinweis auf den Unfall ihrer Eltern und ihre Angst vor dem Alleinsein lassen sie Entscheidungen fällen, die sie einengen und ihr Leben gefährlich nahe an das von Anna beschriebene bringen.
Das Treffen mit Emilio bringt neue Hoffnung. Er tut ihr gut und motiviert sie. Das klingt so:

„...Deine Arbeit ist hervorragend und ich möchte dich gern in meinen zukünftigen Aufsätzen zitieren. Und zwar sehr bald. […] Also spute dich, dass sie bald fertig wird, damit auch ich meine Termine einhalten kann. Ich werde dich nach Kräften unterstützen...“

Es ist spürbar, wie sie auflebt und neue Energie bekommt. Sie fühlt sich wieder wertgeschätzt. Trotzdem geht sie ihren familiären aufgaben weiter nach.
Ab und an durchzieht die Geschichte ein feiner Humor. Bei dem Restaurantbesitzer Francesco hört sich das so an, als Emilio und Susanna darüber diskutieren, wer die Rechnung übernimmt:

„...Wir sind hier nicht im Kindergarten, sondern in einem feinen Ristorante. Hier zahlt der Herr, wir sind schließlich Italiener...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin hat mich durch die Geschichte einerseits berührt, andererseits hätte ich gern dem einen oder anderen Protagonisten gehörig die Meinung gesagt. Wahre Zuneigung wird Egoismus und Selbstsucht gegenübergestellt.