Ein Dienstmädchen der ganz besonderen Art
Die Abenteuer der Cluny BrownDas Cover: Auf einem angedeuteten Schottenmuster ganz in Rot wurde, wie ein weißer Schattenriss ein beschwingtes Dienstmädchen mit Häubchen und Schürze gesetzt, das ein Tablett mit einer dampfenden Tasse ...
Das Cover: Auf einem angedeuteten Schottenmuster ganz in Rot wurde, wie ein weißer Schattenriss ein beschwingtes Dienstmädchen mit Häubchen und Schürze gesetzt, das ein Tablett mit einer dampfenden Tasse trägt. Leicht versetzt über ihr, ist ein großer Vogelkäfig, dessen Bewohner gerade durch die offene Tür entkommt. Der Schriftzug des Titels ist in zwei Schrifttypen unterteilt, während „Die Abenteuer der“ in klaren, geradlinigen Lettern erscheinen, wurde für „Cluny Brown“ eine beschwingte Schreibschrift gewählt.
Der Klappentext: „Cluny Brown begeht einen Fauxpas nach dem anderen. Erst nimmt sie ihren Nachmittagstee im Ritz, dann bleibt sie einen ganzen Tag Orangen essend im Bett. Sie weigert sich schlicht, den ihr zugewiesenen gesellschaftlichen Platz einzunehmen. Um sie zur Vernunft zu bringen, schickt ihr Onkel, seines Zeichens Klempner und Erziehungsberechtigter der Waise Cluny Brown, sie als Stubenmädchen in eine aristokratische Familie aufs Land. Auf dem Herrensitz Friars Carmel in Devonshire begegnet Cluny ihren Vorgesetzten Sir Henry, dem Inbegriff eines englischen Landadeligen, und seiner Gattin Lady Carmel, die mit Charme und Souveränität die Geschicke des Anwesens lenkt. Ihr Sohn Andrew lernt derweil in London einen polnischen Schriftsteller kennen und bringt ihn mit nach Friars Carmel, um ihn vor den Gefahren des drohenden Krieges zu schützen. Und dann sind da noch Andrews schöne Freundin und der altmodische Dorfapotheker. Während alle versuchen, mit den Herausforderungen einer sich rasend schnell verändernden Welt Schritt zu halten, bleibt Cluny einfach Cluny und steckt die anderen mit ihrer ungetrübten Lebenslust an ...“
Zum Inhalt: Die zwanzig jährige Clover Brown, genannt Cluny hat in den Augen ihrer Verwandten ein großes Problem: sie kennt nicht den ihr gebührenden Platz im Leben, sie bricht (ungeschriebene) Regeln und akzeptiert nicht die Grenzen ihres Standes. Sie ist eine Waise der Arbeiterklasse und so manches was sie macht und sich erträumt schickt sich einfach nicht für ein einfaches Mädchen in diesen Kreisen und in dieser Zeit. Gerade in den Herrschaftshäusern und in ihrem Umgang mit den Dienstboten scheint die Zeit sowieso noch stehen geblieben sein. Und ausgerechnet Cluny wird Dienstmädchen in einem solchen Herrenhaus, dessen Hausherrin selbst die Gartengestaltung auf Jahre hinaus im Voraus bis auf letzte Pflänzchen plant. Als dann auch noch mit dem polnischen Exil-Schriftsteller Belinski Hausgast auf Friars Carmel wird, wird das geordnete Leben gehörig auf den Kopf gestellt.
Zum Stil: Margery Sharps (1905-1991) ebenso scharfsinniger wie unterhaltsamer Gesellschaftsroman: „Die Abenteuer der Cluny Brown“ erschien ursprünglich 1944. Mit feinem Spott und guter Beobachtungsgabe porträtierte Margery Sharp sowohl die Mitglieder der britischen Aristokratie als auch der arbeitenden Klassen. Beide sind Gefangene ihrer jeweiligen Kreise und werden von festgefahrenen Ansichten beherrscht. Cluny Brown bildet in dieser Welt eine Ausnahme und sorgt für so manchen Kopfschüttler und Lacher. Alle Charaktere der Geschichte sind äußerst lebendig und individuell beschrieben und die Beschreibungen der Situationen und des Umfeldes äußerst bildhaft und anregend. Was Margery Sharp als aktuellen Gesellschaftsroman schrieb, ist für uns heute ein historischer Roman, der durch die Neuübersetzung von Wibke Kuhn nichts von seinem Charme und Stil verloren hat.
Mein Fazit: Ein amüsanter und lockerer Gesellschaftsroman aus der neueren Geschichte, dessen Schilderungen der gültigen Konventionen auch gut auf unsere moderne Welt angesetzt werden kann. 5 von 5 Sternen für diesen wiederentdeckten Roman.
Ich danke dem Eisele Verlag und NetGalley für das Rezensionsexemplar, meine Meinung wurde davon natürlich nicht beeinflusst.