Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.09.2016

Ist das die perfekte Welt von morgen?

Flawed – Wie perfekt willst du sein?
0

Die verschiedenfarbigen Linien auf dem Cover des Buchs „Familie der geflügelten Tiger“, dem Debütroman von Paula Fürstenberg, stehen für die Strecken der Straßenbahn auf deren Wegen die 20-jährige Johanna ...

Die verschiedenfarbigen Linien auf dem Cover des Buchs „Familie der geflügelten Tiger“, dem Debütroman von Paula Fürstenberg, stehen für die Strecken der Straßenbahn auf deren Wegen die 20-jährige Johanna Ende 2007 unterwegs ist. Denn entgegen dem Wunsch ihrer Mutter macht sie nach dem Abitur eine Ausbildung zur Straßenbahnschaffnerin in Berlin. Um dem Dorfleben in Mecklenburg-Vorpommern zu entkommen, wo sie geboren wurde und aufwuchs, ist sie in die Bundeshauptstadt gezogen.

Eine Kopie der Ebstorfer Weltkarte gehört zur Kartensammlung von Johanna. Vor allem ein geflügelter Tiger lenkt immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es ist weniger der Mut dieses Tiers, sondern vielmehr die Tatsache, dass er als Fabelwesen ins Reich der Fantasie gehört, warum er Johanna beunruhigt. Denn Fantasie gehört zu ihrem Leben dazu, vor allem wenn es darum geht, das Fehlen ihres Vaters Jens, der Frau und Tochter wenige Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer plötzlich verlassen hat, in ihrem Leben zu erklären. Sie hat bisher ihr Unwissen damit aufgefüllt, wenn es um eine Erklärung ging weshalb er verschwunden ist, womit er seinen Lebensunterhalt verdient und wo er heute lebt.

Bei einem der immer seltener gewordenen Besuche bei ihrer Mutter erzählt diese ihr von dem unerwarteten Anruf ihres Vaters, der seine Tochter um Rückruf gebeten hat. Dadurch erfährt sie, dass Jens in einem Krankenhaus liegt, gar nicht weit von ihrer eigenen Wohnung entfernt. Sie hat Hoffnung darauf, endlich Antworten auf schon lange bestehende Fragen zu erhalten.

Johannas Suche nach den Gründen für das Verschwinden ihres Vaters wird zu einem Ausflug in die Geschichte Deutschlands vor und nach dem Mauerfall. Gerade weil Johanna noch zu jung dazu ist, sich an die Zeit im Osten vor der Wende zu erinnern, ist sie auf die Erzählungen anderer angewiesen. So entsteht aus vielen subjektiven Schilderungen ein Bild in ihrem Kopf, der ihr als Hintergrund dazu dient zu verstehen, was ihrem Vater damals und in der Folgezeit zugestoßen ist. Aber rund wird dieses Bild für sie nicht. Die Suche ist für sie auch ein Stück Suche nach sich selbst und mit der Zeit beginnt die Vergangenheit eine andere Bedeutung für sie zu erhalten.

Die Charaktere im Roman sind fein gezeichnet und durchgehend interessant. Die Autorin hat mit viel Einfühlungsvermögen die Situation in der Johanna sich befindet beschrieben. Hilfreich dabei war sicher, dass ihre Protagonistin gleichaltrig mit ihr ist. Der Leser erhält Informationen zu den markantesten Stationen im Leben der handelnden Personen. Das Wissen über die staatliche Macht der DDR und Vorstellungen von deren Eingreifen spielen in die Gedankengänge der Figuren hinein. Die Autorin versucht jedoch nie zwischen Ost und West zu werten.

Paula Fürstenberg wählt für ihren Roman die Ich-Form. So lässt sich leicht Johannas Hartnäckigkeit, die Gründe für ungewöhnliche Entscheidungen und die Konsequenzen, die sie aus ihren Handlungen zieht, verfolgen. Ein leiser Humor gibt der Geschichte die Leichtigkeit und hilft Johanna dabei all die Neuigkeiten zu verarbeiten, die Vergangenheit zu akzeptieren und voller Hoffnung in die Zukunft zu schauen, obwohl ihr Vertrauen gelitten hat.

Unerwartete Familienbegegnungen, überraschende Wendungen und viel Platz für eigene Spekulationen über die Gründe des Verschwindens von Johannas Vater machten mir das Buch zu einem Lesevergnügen. Gerne habe ich auch daran zurückgedacht, wie ich selbst die Wende erlebt habe. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.09.2016

Familiengeschichte mit Platz für Fantasie

Familie der geflügelten Tiger
0

Die verschiedenfarbigen Linien auf dem Cover des Buchs „Familie der geflügelten Tiger“, dem Debütroman von Paula Fürstenberg, stehen für die Strecken der Straßenbahn auf deren Wegen die 20-jährige Johanna ...

Die verschiedenfarbigen Linien auf dem Cover des Buchs „Familie der geflügelten Tiger“, dem Debütroman von Paula Fürstenberg, stehen für die Strecken der Straßenbahn auf deren Wegen die 20-jährige Johanna Ende 2007 unterwegs ist. Denn entgegen dem Wunsch ihrer Mutter macht sie nach dem Abitur eine Ausbildung zur Straßenbahnschaffnerin in Berlin. Um dem Dorfleben in Mecklenburg-Vorpommern zu entkommen, wo sie geboren wurde und aufwuchs, ist sie in die Bundeshauptstadt gezogen.

Eine Kopie der Ebstorfer Weltkarte gehört zur Kartensammlung von Johanna. Vor allem ein geflügelter Tiger lenkt immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es ist weniger der Mut dieses Tiers, sondern vielmehr die Tatsache, dass er als Fabelwesen ins Reich der Fantasie gehört, warum er Johanna beunruhigt. Denn Fantasie gehört zu ihrem Leben dazu, vor allem wenn es darum geht, das Fehlen ihres Vaters Jens, der Frau und Tochter wenige Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer plötzlich verlassen hat, in ihrem Leben zu erklären. Sie hat bisher ihr Unwissen damit aufgefüllt, wenn es um eine Erklärung ging weshalb er verschwunden ist, womit er seinen Lebensunterhalt verdient und wo er heute lebt.

Bei einem der immer seltener gewordenen Besuche bei ihrer Mutter erzählt diese ihr von dem unerwarteten Anruf ihres Vaters, der seine Tochter um Rückruf gebeten hat. Dadurch erfährt sie, dass Jens in einem Krankenhaus liegt, gar nicht weit von ihrer eigenen Wohnung entfernt. Sie hat Hoffnung darauf, endlich Antworten auf schon lange bestehende Fragen zu erhalten.

Johannas Suche nach den Gründen für das Verschwinden ihres Vaters wird zu einem Ausflug in die Geschichte Deutschlands vor und nach dem Mauerfall. Gerade weil Johanna noch zu jung dazu ist, sich an die Zeit im Osten vor der Wende zu erinnern, ist sie auf die Erzählungen anderer angewiesen. So entsteht aus vielen subjektiven Schilderungen ein Bild in ihrem Kopf, der ihr als Hintergrund dazu dient zu verstehen, was ihrem Vater damals und in der Folgezeit zugestoßen ist. Aber rund wird dieses Bild für sie nicht. Die Suche ist für sie auch ein Stück Suche nach sich selbst und mit der Zeit beginnt die Vergangenheit eine andere Bedeutung für sie zu erhalten.

Die Charaktere im Roman sind fein gezeichnet und durchgehend interessant. Die Autorin hat mit viel Einfühlungsvermögen die Situation in der Johanna sich befindet beschrieben. Hilfreich dabei war sicher, dass ihre Protagonistin gleichaltrig mit ihr ist. Der Leser erhält Informationen zu den markantesten Stationen im Leben der handelnden Personen. Das Wissen über die staatliche Macht der DDR und Vorstellungen von deren Eingreifen spielen in die Gedankengänge der Figuren hinein. Die Autorin versucht jedoch nie zwischen Ost und West zu werten.

Paula Fürstenberg wählt für ihren Roman die Ich-Form. So lässt sich leicht Johannas Hartnäckigkeit, die Gründe für ungewöhnliche Entscheidungen und die Konsequenzen, die sie aus ihren Handlungen zieht, verfolgen. Ein leiser Humor gibt der Geschichte die Leichtigkeit und hilft Johanna dabei all die Neuigkeiten zu verarbeiten, die Vergangenheit zu akzeptieren und voller Hoffnung in die Zukunft zu schauen, obwohl ihr Vertrauen gelitten hat.

Unerwartete Familienbegegnungen, überraschende Wendungen und viel Platz für eigene Spekulationen über die Gründe des Verschwindens von Johannas Vater machten mir das Buch zu einem Lesevergnügen. Gerne habe ich auch daran zurückgedacht, wie ich selbst die Wende erlebt habe. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.09.2016

Konnte mich wieder überzeugen

Wolfsspinne
0

In „Wolfsspinne“ von Horst Eckert ermittelt der Düsseldorfer Hauptkommissar Vincent Che Veih bereits zum dritten Mal. Die Fälle sind in sich abgeschlossen, so dass man jedes Buch auch unabhängig von den ...

In „Wolfsspinne“ von Horst Eckert ermittelt der Düsseldorfer Hauptkommissar Vincent Che Veih bereits zum dritten Mal. Die Fälle sind in sich abgeschlossen, so dass man jedes Buch auch unabhängig von den anderen lesen kann. Titelgebend ist diesmal eine Aktion des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2011 die diesen Namen trägt, weil charakteristisch für Wolfsspinnen deren Schnelligkeit, Unnachgiebigkeit und ihre Perfektion in Sachen Tarnung ist.

An der Aktion Wolfsspinne war Ronny Vogt beteiligt. Er wurde vom Verfassungsschutz in die Szene des Nationalsozialisten Untergrunds in Thüringen eingeschleust. Doch deren Aktivitäten nehmen zu und gleichzeitig steigt die Gefahr, dass die Polizei die Tarnung aufdeckt. Damit das nicht geschieht, erhält Ronny den Auftrag, dem entgegenzuwirken, allerdings nicht ohne ihn an den Rand seiner Dienstbeflissenheit zu bringen.

Vier Jahre später bedient Ronny in einer Düsseldorfer Frittenbude. Er arbeitet immer noch für den Verfassungsschutz. Und wieder einmal droht seine Tarnung aufzufliegen, diesmal im Laufe der Ermittlungen im Mordfall Melli Franck. Frau Franck gehörte ein angesehenes Restaurant in Düsseldorf und sie war mit einem TV-Moderator liiert. Hauptkommissar Veih wird mit der Fallaufklärung beauftragt. Doch zunächst führen die Spuren ins Drogenmilieu. Noch während die Ermittlungen anlaufen wird Veih für seine Verteidigung gegen einen Teilnehmer bei einer Demo, an der er privat teilgenommen hat, belangt. Für die Aufklärung des Falls ist das nicht von Vorteil, ihm droht sogar die Abgabe der Leitung bei den Ermittlungen.

Die Krimis von Horst Eckert sagen mir unter anderem wegen der realistischen Charaktere besonders gut zu. Die Figuren sind ausgereift, ihr Handeln ist schlüssig. Nicht nur Vincent Veih, sondern das ganze Ermittlerteam hat einen privaten Hintergrund, der manche Ansichten in Dienstangelegenheiten der jeweiligen Person erklärt. Veih scheint emotional nicht nur seiner Mutter sondern auch seiner früheren Freundin wieder näher gekommen zu sein. Dennoch gibt es immer noch die offene Frage nach seinem Vater. So wie Veih Loyalität einfordert, so gibt er sie auch, wird aber diesmal von Kollegen und Vorgesetzten enttäuscht, als die Anschuldigungen nach der Demonstration gegen ihn erhoben werden. Dennoch lässt er sich nicht einfach aus seiner Rolle drängen, bleibt ruhig und auf Fakten basiert.

„Wolfsspinne“ ist so wie die beiden Vorgänger komplex aufgebaut. Horst Eckert erzählt die Geschehnisse auf zwei Zeitebenen und springt immer wieder ins Jahr 2011 zurück. So formt sich für den Leser mehr und mehr ein Bild, was genau vor vier Jahren wirklich geschah und zu Konsequenzen in der Gegenwart geführt hat und natürlich in den aktuellen Fall hineinspielt. Einige Tatsachen werden dem Leser bekannt vorkommen, das ist so gewollt. Der Autor hat sehr gut recherchiert und macht den Krimi durch das Einflechten realen aber verfremdeten Geschehens glaubwürdig. Auch diesmal schafft es der Autor wieder eine Spannungskurve aufzubauen und sie bis zum Ende gleichmäßig hochzuhalten. Meist kurze Sätze bauen die jeweilige Situation auf und schildern die ablaufenden Handlungen. Viele Dialoge mit schnellen Wortwechseln lassen den Leser die Seite überfliegen. Szenenwechsel fordern zwar die Aufmerksamkeit des Lesenden, sorgen aber für ständig neue Ereignisse.

Für mich ist es immer wieder ein besonderes Vergnügen Kommissar Veih bei seinen Ermittlungen zu folgen, weil ich die Örtlichkeiten meist kenne. Zurück bleibt bei mir das Gefühl, dass nicht alles was wir in der Öffentlichkeit von einem Fall dargestellt bekommen, den Tatsachen entspricht. Und das sollten wir in Erinnerung behalten.

Auch „Wolfsspinne“ konnte mich wieder spannungsmäßig fesseln und hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Daher empfehle ich das Buch gerne an alle Krimifans weiter.

Veröffentlicht am 16.09.2016

Wunderbar köstlicher Lesegenuss

Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen
1

Als Unterprimanerin habe ich auf die Frage „Was ist der Sinn des Lebens?“ mit „nach dem Sinn des Lebens zu suchen“ geantwortet. Das hatte ich vorher irgendwo gelesen und war stolz darüber einen so sinnvollen ...

Als Unterprimanerin habe ich auf die Frage „Was ist der Sinn des Lebens?“ mit „nach dem Sinn des Lebens zu suchen“ geantwortet. Das hatte ich vorher irgendwo gelesen und war stolz darüber einen so sinnvollen Beitrag zum Unterricht geleistet zu haben. Dass die Antwort auf die Frage sich denn doch nicht ganz so einfach und pauschal abtun lässt, zeigt Emma Braslavsky mit ihrem Roman „Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen“. Ihre Protagonisten sind auf der Suche nach dem Lebenssinn, nach einer besseren Welt und nach sich selbst. Tiere sind nicht nur im Titel enthalten, sondern finden in vielfältiger Form Eingang in diesen Roman, beispielsweise als Kosewort, verkleideten Akteuren, Redewendungen oder auch wenn einer der Protagonist eine Annäherung zwischen Tier und Mensch durch die Nutzung von aufblasbaren Einhorn-Hörnern vorschlägt, die so wie die Installation auf dem Cover sie trägt, überzustülpen sind.

In mehreren Erzählsträngen, die mehr oder weniger zufällig am Ende zusammenlaufen, finden sich Suchende jeglicher Couleur. Da ist einerseits ein in Berlin lebendes Pärchen. Jivan Haffner Fernandez, Mitte 40, kommt aus reichem Haus und muss sich schon wegen seines Erbes keine Sorgen um seine finanzielle Zukunft machen, wäre da nicht die eine einzige klitzekleine Bedingung die sein Vater daran geknüpft hat. Woher die Familie vor langer Zeit das Fundament zum heutigen Vermögen erworben hat, will man als Leser lieber nicht so genau wissen. Leider hält Jivan sich nicht nur selbst für unwiderstehlich, sondern auch das Online-Pokerspiel. Durch seinen Beruf als Bunkerarchitekt ist er nicht eben ausgelastet und hat so jede Menge Zeit mit seinen Ideen seine Frau Jo dabei zu unterstützen, auf der Karriereleiter bei einem Unternehmen, das sich für eine bessere Umwelt einsetzt, hochzuklettern. Jo lebt sehr gut auf Kosten ihres Mannes. Die Beziehung der beiden funktioniert fast nur noch auf sexueller Ebene. Um ihre Ansprüche durchzusetzen, geizt Jo selten mit ihren Reizen. Doch die Verfolgung ihrer Karriere verbunden mit dem festen Willen die Welt zu verbessern neigt ihre Seite der Beziehungswaage immer mehr.

Andererseits befindet sich die erst 19 Jahre alte Spanierin Roana auf einer väterlich verordneten Suche. In der Einsamkeit einer Vulkanlandschaft Argentiniens soll in ihr der Wunsch entstehen, in das Bauunternehmen ihres Vaters einzusteigen. Niemand kann es ihr verdenken, dass sie sich aus Langeweile stattdessen nach Buenos Aires begibt, um dort den Weg zu finden, der sie zu höherem bestimmt. Auf diesem Weg begegnet sie menschlichen Gorillas, Kabbalisten und den Schriften von Borges. Ihrem jugendlichen Alter sei es geschuldet, dass sie ihr Fähnchen hauptsächlich danach ausrichtet, wer ihr einen Schlafplatz und Essen gibt.

Die Erzählung springt zwischen diesen beiden Handlungen und wird unterbrochen durch aktuelle Neuigkeiten aus aller Welt, die auf dem Blog N-Global bekannt gemacht werden und sich schließlich immer mehr auf eine neue, aus dem Meer aufgestiegene Insel mit vermuteten, beachtlichen Rohstoffvorkommen konzentrieren, die Staaten und Organisationen gerne für sich requirieren würden. Immer wieder begegnet der Leser auch Noah Hoffmann, der gemeinsam mit seiner Freundin Jule aus dem Alltag ausgestiegen ist und nun sein Leben in einer paradiesischen Bucht frönt, auch wenn schon mal ein Schatten darüber fällt. Und dann gibt es noch ein paar Kapitel in denen man sich beim Lesen einfach dem niedergeschriebenen Gedankengang hingeben kann wenn beispielsweise ein Haar auf seine Reise geht.

Die Autorin glänzt in diesem Roman mit lebendigen Ideen, humorvoll und kurios. In einer geschliffenen Sprache gibt sie dem Leser Denkanstöße zu Umweltschutz, Weltanschauungen, alternativen Lebensweisen und vielem mehr. In den Erzählabschnitten mit Jivan als Protagonisten übernimmt ein allwissender Erzähler die Schilderung der Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge. Dennoch liest man, durch kursive Schrift hervorgehoben, die Gedanken Jivans, oft auch als seine Reaktion auf den vorigen Text. Auf diese Weise rechtfertigt er häufig sein Tun, manchmal fühlt man aber auch seinen Kampf mit den inneren Dämonen, die aus seiner Erziehung heraus seinen Charakter geformt haben und gegen die er nun nicht anzukommen weiß, auch wenn er das auch eigentlich gar nicht will.

Roana dagegen erzählt in der Ich-Form, wodurch der Leser, den sie als ihren Verbündeten anspricht, ihrer Gedanken- und Gefühlswelt sehr nahe kommt. Sie erzählt aus der Gegenwart heraus im Rückblick auf die letzten Wochen und Monate. Sie ist also bereits da, wo der Leser erst am Ende des Buchs sein wird. Ihr Ziel ist es, sich den Respekt ihres Vaters zu verdienen. Sie trägt ihr Herz auf der Zunge und spricht eine unter jungen Leuten übliche Alltagssprache. Bewundernswert fand ich ihren Mut sich gegen die Wünsche ihres Vaters aufzulehnen, sich tief sinken zu lassen, das Gemeinwohl zu schätzen und sich in dessen Dienst zu stellen, wenn auch nicht uneigennützig. Von Beginn an weiß man, dass sie schwanger ist und nicht nur der Leser stellt sich die Frage nach dem Vater.

Emma Braslavsky zielt mit kleinen wohl dosierten Spitzen gegen Weltverbesserer, Sinnsuchende, Forscher und Politiker. Es ist spannend nachzuvollziehen, inwieweit die von ihr genannten Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten dem tatsächlichen heutigen und dem zukünftig möglichem Stand der Dinge entsprechen. Welchen Weg der Einzelne gehen möchte, muss letztendlich jeder selbst bestimmen.

„Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen“ ist ein amüsanter, kreativer, abenteuerlicher, wunderbar köstlicher Lesegenuss, dem ich meine besten Empfehlungen gebe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unverbrauchtes Thema, angenehm und leicht lesbar geschrieben

Der Glasmurmelsammler
0

Auf Fergus Boggs kann leider das alte englische Sprichwort „He’s lost his marbles“ im wörtlichen wie übertragenen Sinne angewendet werden, denn nach einem Schlaganfall hat er einen Teil seines Verstands ...

Auf Fergus Boggs kann leider das alte englische Sprichwort „He’s lost his marbles“ im wörtlichen wie übertragenen Sinne angewendet werden, denn nach einem Schlaganfall hat er einen Teil seines Verstands verloren, seine Erinnerung ist nur noch bruchstückhaft vorhanden. Er ist „der Glasmurmelsammler“ im gleichnamigen Buch von Cecilia Ahern. Doch in seiner Murmelsammlung fehlen einige wertvolle Stücke.

Die bunten Punkte auf dem Cover symbolisieren nicht nur die Vielfalt von Murmeln, sondern auch das facettenreiche Leben von Fergus, der sich aus ganz kleinen Verhältnissen zum Verkaufsberater emporgearbeitet hat. Seit seinem Schlaganfall ist er in einem Pflegeheim in Dublin untergebracht. Eines Tages werden dort mehrere Kisten mit Murmeln abgegeben. Sabrina, Mitte 30, verheiratet, drei Söhne und Teilzeit als Bademeisterin beschäftigt, wird vom Heim darüber informiert. Für sie ist das der Beginn einer Entdeckungsreise hin zu den Geheimnissen im Leben ihres Vaters, der nie von seinem vielgeliebten Hobby, dem Murmelspiel, ablassen konnte. Schnell bemerkt Sabrina das Fehlen einiger wertvollen Murmeln in den Kisten. Sie begibt sich auf die Suche danach. An nur einem einzigen Tag entsteht für sie ein ganz neues Bild von ihrem Vater.

Cecilia Ahern greift mit den Glasmurmeln ein unverbrauchtes Thema auf. Im Laufe der Erzählung erfährt man einiges über Sorten und Farben, sogar Spielregeln beschreibt die Autorin in ihrem Buch. Fergus und Sabrina sind zwei sehr interessante Charaktere, die ihre guten und schlechten Seiten im Laufe der Geschichte zeigen. Beide erzählen in der Ich-Form. Während der Leser Sabrina über den Tag begleitet, angefangen bei ihrer Arbeit im Schwimmbad, ihrem Besuch beim Vater bis hin zur Suche nach den fehlenden Murmeln begegnet er Fergus zum ersten Mal als Kind, kurz nachdem er mit seiner verwitweten Mutter und seinen älteren Brüdern nach Irland gekommen ist. Mal erzählt er im hier und jetzt, sehr viel häufiger jedoch schwelgt er in Erinnerungen, in denen die Informationen, die Sabrina auf ihrer Suche nach den Murmeln über ihren Vater erhält, in ganze Szenen eingebettet werden. So offenbart sich nach und nach, was Fergus vor seiner Familie geheim gehalten hat. Nicht nur Fergus‘ Tochter, sondern auch ich war an einigen Stellen überrascht, wie leicht ihm das gefallen ist.

Die Kapitel hat Cecilia Ahern mit „Murmelspiel“ betitelt und entsprechenden Spielen oder Begriffen aus der Spielszene als Untertitel genutzt beziehungsweise mit „Badeordnung“ und untertitelt mit Baderegeln je nachdem ob Fergus oder seine Tochter erzählen. Ich finde das eine schöne Idee.

Das Buch liest sich dank eines angenehmen Schreibstils leicht und schnell und überrascht immer wieder mit unerwarteten Wendungen. Mir hat der Roman schöne Lesestunden beschert und daher empfehle ich ihn gerne weiter.