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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.06.2019

Istrien abseits der Touristen-Pfade

50 Dinge, die man in Istrien getan haben muss
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Der Reiseführer „50 Dinge, die man in Istrien getan haben muss“ von Silvia Trippolt-Maderbacher ist 2019 im Styria Verlag erschienen.
Istrien ist eine beliebte Sehnsuchtsdestination und eine Genussregion ...

Der Reiseführer „50 Dinge, die man in Istrien getan haben muss“ von Silvia Trippolt-Maderbacher ist 2019 im Styria Verlag erschienen.
Istrien ist eine beliebte Sehnsuchtsdestination und eine Genussregion nicht weit entfernt von meinem Wohnort in der Weststeiermark. In Istrien erwarten die BesucherInnen kilometerlange Küsten- und Strandabschnitte, romantische Hafenstädtchen, kaiserliche Nostalgie und vor allem eine vielseitige Küche. Gerade weil Istrien fast vor der Haustür zu finden ist, habe ich „50 Dinge, die man in Istrien getan haben muss“ gewählt, da das Buch kein herkömmlicher Reiseführer mit den typischen Touristenattraktionen ist, sondern ein Reiseführer fernab der typischen Pfade.
Schon das Vorwort des Buches fängt meiner Meinung nach, den Kern des Buches ein. Die Autorin ist eine Istrien-Liebhaberin und mit diesem Buch möchte sie uns LeserInnen, ihr ganz persönliches Istrien darstellen. Liebevoll hat sie uns 50 Lieblingsplätze zusammengestellt und auch den einen oder anderen Geheimtipp versteckt. So wusste ich beispielsweise noch gar nicht, dass man in Istrien Trüffel finden kann. Sardinien habe ich bereits im Küstenort Fazana verspeist und mir eigentlich geschworen, einen Familienurlaub im kleinen Städtchen am Meer zu verbringen, ein Plan, der mir Dank Silvia Trippolt-Maderbacher wieder in den Sinn kam und schnellstmöglich umgesetzt werden wird. Oder einmal am Kaiser-Franz-Joseph-Palast (Lungomare) in Opatija spazieren gehen und von der längst vergangenen Donaumonarchie träumen? Ja, der Reiseführer hat ganz besondere Sehnsüchte und Fernweh in mir geweckt. Und schon allein deswegen kann ich den liebevoll gestalteten Reiseführer nur voll und ganz weiterempfehlen. Für Istrien-Kenner aber auch für Istrien-Neulinge.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Zivilcourage im faschistischen Italien

Niemand weiß, dass du hier bist
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Der Roman „Niemand weiß, dass du hier bist“ von Nicoletta Giampietro ist als deutsche Ausgabe 2019 im Piper Verlag erschienen.
Italien 1942. Der zwölfjährige Lorenzo, der eigentlich in Tripolis in Libyen ...

Der Roman „Niemand weiß, dass du hier bist“ von Nicoletta Giampietro ist als deutsche Ausgabe 2019 im Piper Verlag erschienen.
Italien 1942. Der zwölfjährige Lorenzo, der eigentlich in Tripolis in Libyen lebt, soll den Krieg bei seinem Großvater und seiner Tante Chiara in der toskanischen Stadt Siena verbringen, denn dort scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. In der Toskana angekommen freundet er sich mit Franco an, der den Duce Mussolini verehrt, eine glühende Leidenschaft, die anfänglich auch Lorenzo teilt. Aber auch der jüdische Junge Daniele wird schnell Teil von Lorenzos Freundeskreis und als die Deutschen die Stadt besetzen und erste jüdische Familien deportiert werden, kann Lorenzo nicht tatenlos zusehen. In dem er seinem Freund Daniele hilft, bringt er sich selbst und seine Lieben in Gefahr.
Nicoletta Giampietro hat es geschafft an Hand der fiktiven Figur Lorenzos die Geschichte des Faschismus in Italien realitätsgetreu und hautnah zu erzählen. An vielen Stellen musste ich das Buch aus der Hand legen, denn Lorenzos Zivilcourage und die allgegenwärtige Gefahr, ging mir unter die Haut. Selten habe ich ein Buch über den zweiten Weltkrieg gelesen, dass mich so bewegt hat. Und obwohl das Buch ein ernstes Thema behandelt und die Ungerechtigkeit wirklich kaum zu ertragen ist, spendet das Buch doch Mut. Die Kernaussage bleibt nämlich, dass es auch in der dunkelsten Zeit Europas Menschen gegeben hat, die Zivilcourage zeigten und, dass es diese Menschen immer geben wird.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Kinderbuch-Juwel aus der Feder von Kirsten Boie

Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte
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Das Kinderbuch „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ von Kirsten Boie ist 2019 im Oetinger Verlag erschienen.
Bei einem großen Feuer hat der kleine Fuchs, Blau-Auge, seine Mama verloren. Vorübergehend nimmt ...

Das Kinderbuch „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ von Kirsten Boie ist 2019 im Oetinger Verlag erschienen.
Bei einem großen Feuer hat der kleine Fuchs, Blau-Auge, seine Mama verloren. Vorübergehend nimmt ihn Mama Reh bei sich und ihrer Familie auf. Nach einer Weile verschwinden die kleine Maus und kurz darauf das Rehkitz Vielpunkt und die Waldbewohner wollen nicht so recht glauben, dass Blau-Auge wirklich ein gutes Reh sein will.
Die Geschichte ist aus der Sicht der Tiere geschrieben. Besonders toll wird hier die Welt der Menschen aus der Sicht der Tiere dargestellt. Die kurzen Kapiteln eignen sich ganz wunderbar als Gute-Nacht-Lektüre für die Kleinen.
Wir waren und sind bereits große Fans der Kinderbücher von Kirsten Boie und auch von „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ mehr als begeistert. Ernste Themen kindgerecht zu vermitteln, schafft nur Kirsten Boie. Auch ich als Vorlesemama wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht und habe mit dem Hauptprotagonisten im Buch mitgefiebert. Als Mama zweier Kleinkinder lese ich sehr viele Kinderbücher vor und Kirsten Boie schafft es immer wieder, sowohl die kleinen ZuhörerInnen als auch die großen VorleserInnen zu begeistern. Die wunderbaren Illustrationen von Barbara Scholz machen dieses Leseabenteuer noch interessanter.

Veröffentlicht am 22.03.2019

Avanti Popolo - Italien im 20. Jahrhundert

Bella Ciao
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Der historische Roman „Bella Ciao“ von Raffaella Romagnolo ist als deutsche Ausgabe im März 2019 im Diogenes Verlag erschienen. Die italienische Originalausgabe trägt den Titel „Destino“ – Schicksal.
Piemont, ...

Der historische Roman „Bella Ciao“ von Raffaella Romagnolo ist als deutsche Ausgabe im März 2019 im Diogenes Verlag erschienen. Die italienische Originalausgabe trägt den Titel „Destino“ – Schicksal.
Piemont, 1946. Hauptort der Handlung, Borgo die Dentro ist ein fiktiver Ort und an das alte Ovada angelehnt, einen Ort im Piemont. Giulia Masca kommt nach Jahren, die sie als Emigrantin in Amerika verbracht hat, zurück in ihren Heimatort. Nach fast fünfzig Jahren will sie ihre ehemalige beste Freundin wiedertreffen, die sie damals hintergangen hat und ihr so Grund für die Flucht nach New York gab. Bella Ciao ist ein Roman und die Hauptfiguren sind frei erfunden. Nichts desto trotz erzählt Raffaella Romagnolo die italienische Geschichte, die das 20. Jahrhundert schrieb, authentisch. Und verbindet mit vielen Rückblenden und Handlungssprüngen ein ärmliches Leben in Italien mit dem amerikanischen Traum.
„Zu berechnen, was gerecht bedeutet, ist ihre und Anitas Lieblingsbeschäftigung, seit sie in der Spinnerei angefangen haben.“ (Seite 33)
Borgo die Dentro ist nicht echt, aber mit einer historischen Genauigkeit rekonstruiert, dass ich beim Lesen über die einzelnen Plätze und Straßen spaziert bin und mir sicher war, dass dieser Ort existieren muss. Neben einer interessanten Familiengeschichte erfahren die LeserInnen Historisches über den Streik in der Spinnerei Salvi und den Bau des Suezkanals, über die Sozialisten in Italien mit ihren roten Halstüchern, über den Aufstieg des „Duce“, Mussolini und den daraus resultierenden Überfall auf die Druckerei des sozialistischen Wochenblatts „L’Emanzipazione“, von militanten Faschisten in schwarzen Hemden, vom Befreiungskampf im südlichen Piemont und vom größten Massaker an Partisanen in der italienischen Geschichte.
„Der Welt gegenüber gab man der Spanischen Grippe die Schuld, doch alle wussten, dass sie an gebrochenem Herzen gestorben war…“ (Seite 199)
Raffaella Romagnolos Schreibstil ist so bildreich und malerisch, dass er einfach zum Mitfühlen anregt. Mehrmals habe ich mich beim Lesen dabei ertappt, wie ich leise „Die Internationale“ gesungen habe und nach der Beschreibung des Massakers an den Partisanen im Piemont, habe ich selbst Tränen um die Ermordeten vergossen. So viele Gefühle und Emotionen hat schon lange kein Buch mehr beim Lesen in mir geweckt und ich wünsche mir sehr, dass in naher Zukunft auch noch andere deutsche Ausgaben von Raffaellas Romagnolos Büchern erscheinen werden. Raffaella Romagnolo ist meiner Meinung nach wirklich ein leuchtender Stern im europäischen Autorenhimmel und „Bella Ciao“ erhält meine uneingeschränkte Leseempfehlung, handelt es sich hierbei regelrecht um ein Epos!

Veröffentlicht am 17.02.2019

Eine schicksalhafte Begegnung

Arthur und Lilly
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Der Roman „Arthur & Lilly“ von Lilly Maier ist 2019 im Heyne Verlag erschienen.
Die Autorin des Buches ist 11 Jahre alt als es plötzlich an der Tür ihrer Wohnung in Wien klingelt, in der sie mit ihren ...

Der Roman „Arthur & Lilly“ von Lilly Maier ist 2019 im Heyne Verlag erschienen.
Die Autorin des Buches ist 11 Jahre alt als es plötzlich an der Tür ihrer Wohnung in Wien klingelt, in der sie mit ihren Eltern lebt. Ein amerikanischer Pensionist, Arthur, der zu Zeiten des Anschlusses 1938 zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder in genau dieser Wohnung lebte und damals noch Oswald Kernberg hieß. Eine wunderbare Freundschaft entsteht, die Generationen und sogar Kontinente verbindet.
Arthur erzählt Lilly von seiner Kindheit in Wien, dem zunehmenden Hass auf die jüdische Bevölkerung nach dem „Anschluss“ Österreichs an des Deutsche Reich. Das Hoffen der Textilfabrik-Familie auf eine gemeinsame Ausreise, die in einem einzelnen Kindertransport nach Frankreich endete. Arthur soll seine Eltern und seinen Bruder niemals wiedersehen. Er erzählt ihr aber auch vom Pädagogen Ernst Papanek in Frankreich und dessen reformpädagogisches Kinderheim, das eine neue Heimat für Arthur darstellte, bis, ja bis die Nationalsozialisten auch in Frankreich einmarschieren und Arthurs Flucht von Neuem beginnt.
„Arthur & Lilly“ erzählt aber auch von Briefen von Arthurs Eltern aus dem KZ, die dem Jungen Hoffnung machen sollen, aber gerade für die LeserInnen schwer zu lesen sind, da der Ausgang der Geschichte schon vor der Lektüre des Buches bekannt ist. Aber zumindest Oswald/Arthur überlebt den Krieg, lernt in Amerika eine ehemals aus Wien stammende junge Dame, Trudy, kennen und gründet mit ihr eine Familie. Gemeinsam haben sie drei Söhne, mehrere Enkel und Urenkel.
Oskar Kernbergs Geschichte kennenlernen zu dürfen, war sehr bewegend und hat mich an vielen Stellen des Buches nachdenklich gestimmt. Eine Kritik zu schreiben fällt mir schwer, eine Lebensgeschichte sollte nicht bewertet werden, sondern einzig und allein für sich stehen.