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Veröffentlicht am 08.08.2019

Ein Familiendrama ohne viel Dramatik

Erlensee
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Für Familiengeschichten bin ich immer zu haben. Da ich selbst aus einer großen Familie komme, ist mir Menschennähe besonders wichtig und Romane darüber lese ich umso lieber. Als mich der Autor also fragte, ...

Für Familiengeschichten bin ich immer zu haben. Da ich selbst aus einer großen Familie komme, ist mir Menschennähe besonders wichtig und Romane darüber lese ich umso lieber. Als mich der Autor also fragte, ob ich nicht Lust darauf hätte, sein Buch Erlensee zu lesen, konnte ich gar nicht nein sagen. Albert und Pauls Familienkonstellation hat mein Interesse schnell geweckt – Vater und Sohn, die sich gar nicht kennen und dann doch aufeinander treffen – aber leider blieb ich ein wenig unzufrieden zurück.

Paul ist dabei, seine Hochzeit mit Kathrin zu planen, als er überraschend einen Anruf aus dem Altenheim bekommt: Sein Vater Albert würde ihn gern sehen. Völlig überwältigt von der Situation weiß Paul gar nicht, wie er sich verhalten soll, denn Albert entschied sich vor über 30 Jahren dazu, die Familie zu verlassen und Vater und Sohn haben sich seitdem nicht gesehen. Paul gelingt es nur schwer, auf andere Gedanken zu kommen, denn plötzlich wurde ihm auch die Möglichkeit geboten, Antworten auf seine vielen Fragen zu bekommen: Warum ist Albert damals gegangen? Warum hat er sich nie wieder blicken lassen? Warum will er jetzt wieder Kontakt? Aus diesem Grund entscheidet er sich dazu, das Altenheim aufzusuchen und seinen Vater zur Rede zu stellen.

Das erste Aufeinandertreffen der beiden läuft alles andere als gut. Nach nur wenigen Minuten, bittet Albert Paul wieder zu gehen, aber dieser lässt nicht locker. Schon am nächsten Tag kreuzt er wieder dort auf, geigt seinem Vater ordentlich die Meinung und verlangt Antworten, die ihm immer noch nicht gegeben werden. Doch Franka, die Altenpflegerin im Dienst, lässt einige Informationen durchschimmern. Nach und nach erhält Paul weitere Puzzleteile, die ihn immer weiter aus der Bahn werfen. Anscheinend hatten seine Eltern nach ihrer Trennung noch Kontakt, ohne ihrem Sohn davon zu erzählen, und da Pauls Mutter bereits verstorben ist, gibt es nur einen Weg an die Wahrheit zu gelangen: Gemeinsam mit seinem Vater muss er sich auf eine Reise in die Vergangenheit begeben. Was ist damals wirklich geschehen?

Ich war überrascht darüber, wie schnell sich Erlensee lesen ließ. Von einer Seite blätterte ich mich zur nächsten und bemerkte dabei gar nicht, wie die Zeit verflog. Vor allem den Schreibstil fand ich sehr angenehm. Er hatte fast schon etwas Poetisches, das man leicht in sich aufsaugen konnte. Auch der Handlungsaufbau kam mir sehr flüssig vor. Langsam aber sicher wurde Spannung aufgebaut und die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was die ganze Dramatik unterstützt.
Doch leider hatte ich das Gefühl, dass der eigentliche Höhepunkt nicht wirklich erreicht wurde. Die Auflösung des Familiengeheimnisses war für mich etwas enttäuschend und auch nicht zu 100% nachvollziehbar. Der Grund, warum Albert seine Familie vor über 30 Jahren verlassen hatte, stößt aber auch bei seinem Sohn Paul auf Unverständnis, was mich zu der Überlegung brachte, ob Albert tatsächlich die Wahrheit erzählt. Erlensee endet recht offen, sodass sich jeder seine eigene Meinung über den Roman bilden kann. Für mich war es eine angenehme Lektüre für zwischendurch, die aber gern noch ein bisschen mehr Drama hätte enthalten können.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Gewöhnlicher Krimi mit unerwartetem Ende

Alibi
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Alibi war mein erster Krimi von Agatha Christie und da ich schon so viel Gutes über die Autorin und ihre Werke gehört habe, hatte ich mich richtig auf den Roman gefreut. Lange Zeit blieb ich jedoch recht ...

Alibi war mein erster Krimi von Agatha Christie und da ich schon so viel Gutes über die Autorin und ihre Werke gehört habe, hatte ich mich richtig auf den Roman gefreut. Lange Zeit blieb ich jedoch recht unbeeindruckt, da sich der Kriminalfall und seine Ermittlung nicht großartig von anderen Detektivgeschichten, wie zum Beispiel die von Arthur Conan Doyle, unterschied. Doch eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Agatha Christie wird nicht ohne Grund so sehr verehrt und das Ende von Alibi konnte mich ordentlich aus den Socken hauen.

In King’s Abbott geht das Gerücht um, Mrs Ferrars soll ihren Ehemann ermordet haben, damit sie mit ihrer wahren großen Liebe Roger Ackroyd zusammen sein kann. Als dann auch noch Mrs Ferrars tot aufgefunden wird, ist Roger Ackroyd besorgt: Er ist davon überzeugt, dass seine Geliebte um eine große Summe Geld erpresst worden ist, da jemand herausgefunden hatte, welche Rolle sie beim Tod ihres Mannes tatsächlich spielte. In einem Brief habe sie ihm davon berichtet, doch bevor Roger Ackroyd mit den Beweisen zur Polizei gehen kann, wird auch er ermordet und die Lage spitzt sich zu: Ist der Mörder Ackroyds gleichzeitig auch der Erpresser von Mrs Ferrars? Wer könnte ein Motiv haben? Und wieso ist sein Stiefsohn Ralph Paton plötzlich spurlos verschwunden? Ackroyds Nichte Flora beauftragt den berühmten Detektiv Hercule Poirot, den Kriminalfall aufzudecken und dieser hat sofort eine Vermutung. Am Abend seines Todes gab Roger Ackroyd eine Dinnerparty in seinem Haus. Der Butler bestätigt, dass zum Todeszeitpunkt keine fremde Person das Haus betreten hat. Der Mörder befindet sich also höchstwahrscheinlich unter den Gästen…

Hercule Poirot stellt für mich einen modernen Sherlock Holmes dar. Er ist genauso clever, verfügt über eine ebenso große Auffassungsgabe und hat ein ganz besonderes Gespür für Details. Der Belgier, der ab und zu ganz leger ein französisches Wort in die Unterhaltung einfließen lassen kann, wird jedoch von den Charakteren nicht immer ganz ernst genommen. Oft geht er einer Spur nach, die völlig irrelevant für den Fall zu sein scheint und bei eventuellen Nachfragen blockt er sofort ab. Hercule Poirot wisse, was er macht. Hercule Poirot sähe alles. Hercule Poirot denkt nicht, er weiß. Alles Aussagen, die er im Verlauf des Buches immer wieder selbst über sich zum Besten gibt und den Leser schnell genervt stimmen können. Anders als Sherlock Holmes ist Hercule Poirot kein Charakter, den man besonders ernst nehmen kann und deswegen stellt ihm Agatha Christie Dr. Sheppard zur Seite. James Sheppard ist der Ich-Erzähler des Romans Alibi und weist große Ähnlichkeit zu Dr. Watson auf. Nicht nur beginnen beide ihre Vornamen mit einem „J“ und sie üben Berufe in der Medizin aus, sie dienen dem Leser vor allem dazu, die vielen Hinweise und Gedankenschnipsel des Detektivs in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Immer wieder muss Dr. Sheppard bei Hercule Poirot nachhaken, er muss jede noch so kleine Idee hinterfragen, um zu verstehen, in welche Richtung der Ermittlung sie sich bewegen.

Da ich von vielen Freunden und Lesern meines Blogs im Vorfeld gesagt bekommen habe, wie unglaublich toll Agatha Christies Roman Alibi doch sei, ging ich natürlich mit einer unglaublich hohen Erwartung an die Geschichte heran. Das war nicht unbedingt gut, da die eigentliche Handlung nichts Spektakuläres ist. Wie ich oben schon erwähnte, unterscheidet sie sich nicht groß von anderen Detektivromanen. Es geschieht ein Mord und dieser wird im klassischen whodunnit Stil aufgelöst. Immer wieder gerät mal eine andere Person in das Visier des Lesers, ihre Absichten werden besonders hinterfragt und angezweifelt, doch der wirkliche Super-Gau der Geschichte ereignet sich erst in den letzten drei Kapiteln. Jetzt, da ich die komplette Handlung kenne, würde ich natürlich auch jedem raten, sich dieses Buch zu besorgen, doch gleichzeitig warne ich euch auch: Erwartet vom eigentlichen Mordfall nicht zu viel.

Veröffentlicht am 24.04.2019

30 Frauen. 30 gewöhnungsbedürftige Stories.

Frauen, die ihre Stimme erheben. Roar. Jetzt verfilmt von und mit Nicole Kidman
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Seit ich Für immer vielleicht von Cecelia Ahern gelesen habe, bin ich ein großer Fan von ihr. P.S. Ich liebe dich ist mein absoluter Lieblingsfilm, bei Die Liebe deines Lebens hatte ich Tränen in den Augen ...

Seit ich Für immer vielleicht von Cecelia Ahern gelesen habe, bin ich ein großer Fan von ihr. P.S. Ich liebe dich ist mein absoluter Lieblingsfilm, bei Die Liebe deines Lebens hatte ich Tränen in den Augen und Ich schreib dir morgen wieder fesselte mich regelrecht an seine Seiten. Als ich dann ihr neues Buch, Frauen, die ihre Stimme erheben, auf der Frankfurter Buchmesse 2018 entdeckte, war ich total begeistert: Es beinhaltet Kurzgeschichten! Es ist mal etwas komplett anderes, als Cecelia Ahern bisher geschrieben hat. Doch leider konnten mich nicht alle Stories so überzeugen wie die Romane. Einige öffneten mir die Augen, brachten mich sogar zum Nachdenken, aber andere wollte ich fast überblättern, da sie mich langweilten und meine Aufmerksamkeit einfach nicht für sich gewinnen konnten.

In Frauen, die ihre Stimme erheben trifft man auf dreißig völlig unterschiedliche Charaktere und doch haben sie eines gemeinsam: Selbstliebe. Zu Beginn jeder Geschichte werden ihnen Steine in den Weg gelegt, die sie dann aus eigener Kraft auch wieder beseitigen können. Eine Frau leidet unter Gewissensbisse, die sich ganz offensichtlich auf ihrer Haut zeigen. Eine weitere Frau ist buchstäblich im Boden versunken, trifft dort auf andere Leidensgenossinnen und schöpft dann neuen Mut, wieder an die Oberfläche zurückzukehren. Wieder eine andere muss erst in die Schuhe ihres Mannes schlüpfen und die Welt mit seinen Augen sehen, um zu verstehen, was sie eigentlich an ihm hat. Egal, in welcher Situation sich eine Frau befinden mag, im Laufe ihrer Geschichte schöpft sie neue Hoffnung, sie gewinnt an Selbstbewusstsein und sieht die Welt aus einem ganz neuen Blickwinkel.

Doch manchmal scheinen die Stories auch etwas an den Haaren herbeigezogen zu sein. Nicht immer kann man sich in die Rolle der agierenden Frau hineinversetzen, und gerade das ist für das Buch so wichtig. Die Hauptcharaktere haben keine Namen, sie werden immer nur als „die Frau“ beschrieben (ob es sich hierbei um die gleiche Person handelt, wird nicht thematisiert), was zur Folge hat, dass die Geschichten sehr allgemein gehalten sind – sie könnten einfach jedem passieren. Noch dazu werden sehr alltägliche Situationen beschrieben (eine Frau schämt sich für ihr Lispeln, eine andere sucht verzweifelt nach einem guten Nervenkostüm), Situationen, die bei jedem schon einmal vorgekommen sind und als Leserin fühlt man sich schnell persönlich angesprochen. „Die Frau“ konnte ich in einigen Geschichten sehr leicht durch meinen eigenen Namen ersetzen – ihre Leidensgeschichte passte wie die Faust aufs Auge.
Manchmal war es aber auch einfach zu viel des Guten. Die Kurzgeschichten zeichnen sich dadurch aus, dass Redewendungen wortwörtlich dargestellt werden und in den meisten Fällen fand ich dies auch sehr kreativ umgesetzt, doch manchmal löste sich eine Frau in lange Hautfetzen auf oder verkaufte ihren Mann in einem „Supermarkt“, weil sie keine Lust mehr auf ihn hatte … und da hörte der Spaß bei mir auf. Das eine Szenario fand ich zu eklig, das andere zu unmenschlich.

Wenn man aber von den wenigen, für mich eher ungeschickten, Stories einmal absieht, hat mir das Buch doch sehr gut gefallen. Frauen werden als eigenständige, starke und selbstbewusste Personen dargestellt. Sie dienen durchweg als Vorbilder für jede Leserin und ermutigen sie, aus ihrer Komfortzone herauszutreten und etwas Neues, Aufregendes zu wagen. Außerdem hat es mir sehr gefallen, dass Cecelia Ahern hier und da auch die Sichtweise eines Mannes mit einbezogen hat und ihre Kurzgeschichten nicht durchweg feministisch gestaltete. Denn so ganz ohne Mann geht es ja schließlich auch nicht.

Veröffentlicht am 18.02.2019

Eine abenteuerliche Reise

Niani
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Auf einem uns fremden Planeten lebten einst vier Stämme zusammen: die Belai, die Meandi, die Isnari und die Olumdu. Wie bei so vielen anderen Völkern auch, mussten die Männer das Überleben aller sichern ...

Auf einem uns fremden Planeten lebten einst vier Stämme zusammen: die Belai, die Meandi, die Isnari und die Olumdu. Wie bei so vielen anderen Völkern auch, mussten die Männer das Überleben aller sichern und verfügten somit auch über die Entscheidungsgewalt. Doch ihre Vorliebe zum Krieg trieb die Stämme letztendlich auseinander: die Belai zogen in den Norden und nannten sich die Uhala, die Meandi gingen in den Süden, die Isnari in den Osten und die Olumdu in den Westen. Da jedoch alle paar Jahrhunderte ein Sonnensturm auf ihrem Planeten wütet, hat nur der Stamm der Uhala überlebt, denn diese reisten zu einem kleinen Mond, der nicht von der Sonne sondern von dem Stern La’aka erhellt wird. Doch auch auf Unatsu, so der Name des Mondes, scheint das Leben der Uhala in Gefahr zu sein, denn der Winter wird so bitterkalt, dass sie in den Untergrund flüchten müssen und auch das Licht von La’aka löscht regelmäßig alles Leben auf der Oberfläche aus. Schon bald trauen sich die Uhala nicht mehr aus ihren Höhlen, weswegen sich auch ihr Erscheinungsbild ändert: Ihre einst dunkle Haut- und Haarfarbe verblasste, ihre Haare wurden silbern, ihre Haut schneeweiß.

Ihre Lebensgewohnheiten erlebten ebenfalls einen Wandel. Da die Macht der Männer vier Stämme auseinander trieb, ernennen die Uhala eine Frau zur Anführerin – die Große Mutter. Als diese nun in einer Vision sieht, wie La’akas Licht selbst das Leben in den Höhlen auslöscht, beauftragt sie eine kleine Gruppe von Kriegern, Heilern und einer neuen Großen Mutter, in den Osten zu ziehen, um die Erhaltung des Stamms zu sichern. Mehrere Monate lang müssen sich die Uhala durch dichte Schneewehen kämpfen, sie werden von Garnas – den gefährlichsten Lebewesen – angegriffen und müssen in der Kälte einige Verluste in Kauf nehmen. Doch vor allem für Niani ist dies keine einfache Reise. Als Sohn der ehemaligen Großen Mutter Anehi und Gefährte der neuen Anführerin Eleani hat er eine der wichtigsten Aufgaben: Er muss Eleani mit seinem Leben beschützen und das klingt leichter als es tatsächlich ist, denn er hasst seine Gefährtin und die erniedrigende Art und Weise wie sie die Männer behandelt.

Normalerweise brauche ich immer ein paar Kapitel, um mich in einen Fantasyroman einzufinden, doch bei Niani – Der Schneekrieger war ich von Anfang an tief in die Geschichte gezogen worden. Langsam wird einem die neue Umgebung mit ihren Sitten und Bräuchen erklärt, es fühlte sich beinahe so an, als würde mich Niani an die Hand nehmen und mir sein Volk geduldig vorstellen. Die Spannung lässt dann aber auch nicht lange auf sich warten, die kleine Gruppe von Kriegern zieht los und wird immer wieder neuen Gefahren ausgesetzt. Hier hätte ich es schön gefunden, wenn die Herausforderungen etwas variiert hätten: Mehr als einmal müssen die Uhala gegen einen Garna kämpfen oder in einem schlimmen Schneesturm Schutz suchen. Es kam mir manchmal so vor, als würden sich einige Situationen wiederholen und das nahm dem Buch ein wenig die Spannung.
Doch vor allem Niani, sein bester Freund Mirlan und Eleani hatten es mir wirklich angetan. I.G. Nikolov hat es geschafft, die Charaktere so greifbar darzustellen, dass man sich als Teil der Uhala fühlt. Ich habe mit ihnen gekämpft, gelitten, mich mit ihnen gefreut und geärgert und am Ende sogar ein klein wenig Trennungsschmerz empfunden. Niani – Der Schneekrieger ist zwar kein actiongeladener Fantasyroman, der einen zittern und bangen lässt, dafür enthält er unvorhersehbare Wendungen und fiktionale Freunde, an die ich mich gern zurückerinnere und die ich vielleicht sogar ein zweites Mal besuchen werde.

Veröffentlicht am 07.01.2018

Gefangen zwischen Fiktion und Realität

Die Abtei von Northanger
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Catherine Morland ist der Charakter von Jane Austen, mit dem ich mich am meisten identifizieren kann. Durch ihre Freundin Isabella wächst ihre Liebe zur Literatur und täglich begibt sie sich auf fantasievolle ...

Catherine Morland ist der Charakter von Jane Austen, mit dem ich mich am meisten identifizieren kann. Durch ihre Freundin Isabella wächst ihre Liebe zur Literatur und täglich begibt sie sich auf fantasievolle Abenteuerreisen. Vor allem die Schauerromane von Anne Radcliffe liest sie besonders gern.

Als sie auf einem Ball Henry Tilney kennenlernt, ist Catherine sofort von ihm begeistert. Er ist gutaussehend, höflich und stammt aus einer wohlhabenden Familie. Auch seine Schwester Eleanor, die Catherine bald darauf trifft, macht einen freundlichen Eindruck. Durch ihre Liebe zu Büchern scheint die Protagonistin allerdings sehr realitätsfern und naiv zu sein, denn die Abenteuer, die die Helden in ihren Romanen erfahren, ziehen Catherine in ihren Bann. Im Verlaufe des Buches fällt es ihr immer schwerer die wirkliche Welt von der Fantasie zu unterscheiden.

Iabella verliebt sich zu Beginn des Romans in Catherines Bruder James und die beiden verloben sich. Wie ich es in einer anderen Rezension schon einmal angesprochen hatte, brauchen die wahren Liebesgeschichten in Jane Austens Büchern Zeit. Wenn ein Pärchen schon auf den ersten Seiten zusammenkommt, ist es entweder eine Zwangsehe oder die ‚Liebe‘ steht unter einem schlechten Stern. So ist es leider auch bei Isabella und James, denn als sie auf einem Ball den älteren Bruder von Henry, Frederick, sieht, ist sie ganz angetan von dem Mann in Militärsuniform. Kurz darauf lässt Isabella James mit einem gebrochenen Herzen sitzen und verlobt sich mit dem älteren Tilney.

Catherine wird unterdessen von Henrys Vater, General Tilney, auf deren Anwesen in Northanger eingeladen. Sie und Henry haben hier vor allem viel Zeit, sich besser kennenzulernen und die Liebe zwischen den beiden scheint zu wachsen. Als Catherine allerdings vom Tod Mrs Tilneys erfährt, sieht sie sich wieder in der Hauptrolle eines ihrer Schauerromane. Sie ist fest davon überzeugt, der General hätte seine eigene Frau umgebracht und sie versucht, dies zu beweisen. Henry ist natürlich bestürzt, als er erfährt, wie Catherine über seinen Vater denkt und nur wenige Momente später wirft sie der alte Mr Tilney vor die Tür.

Die Abtei von Northanger wird auch als Entwicklungsroman bezeichnet, da es die geistige Entwicklung Catherines zeigt. Als naives Mädchen glaubt sie zu Beginn des Romans alles, was in ihren Büchern steht und es fällt ihr schwer, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Nach einem Gespräch mit Henry über Literatur und ihre spätere Erkenntnis, dass ihr Verdacht gegenüber dem General falsch war, vollzieht sich in Catherine eine Wandlung. Sie ist reflektierender, gibt sich nicht so schnell den Vorurteilen hin und liest Bücher nur noch zum Vergnügen.

Jane Austen hat viel Humor in dieses Buch hineingesteckt. Mit einer Protagonistin, die sich viel zu oft in ihrer eigenen Welt verliert, hat die Autorin schon im 19. Jahrhundert einen Charakter geschaffen, in den ich mich noch heute sehr gut hineinversetzen kann. Die Geschichte ist lebendig, spannend und doch auch voller Gefühl. Das Happy End zum Schluss erschien erst unerwartet, doch es wäre kein Jane Austen Roman, wenn es das nicht gegeben hätte.

Ein Buch für alle, die manchmal ein bisschen realitätsfern sind.