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Venatrix

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Veröffentlicht am 28.02.2019

Eine beeindruckende Biografie einer Familie

Es ist uns alles nur geliehen
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Die Autorin Ursula Cerha heftet sich mit dieser Familiengeschichte auf die Spuren ihrer mütterlichen Vorfahren. Sie lässt uns eintauchen in die Welt des zaristischen Russlands und seiner Entwicklungen ...

Die Autorin Ursula Cerha heftet sich mit dieser Familiengeschichte auf die Spuren ihrer mütterlichen Vorfahren. Sie lässt uns eintauchen in die Welt des zaristischen Russlands und seiner Entwicklungen bis hin zum Zweiten Weltkrieg.

Wir begeben uns auf die Reise in das 19. Jahrhundert, auf das Gut Dedlovo (heute Weißrussland), dem Familiensitz derer von Kign. Den Bauern der großen Gutes scheint es scheint es ein wenig besser zu gehen als andern. Was vor allem dem fortschrittlichen Denken einer Reihe von Gutsherren zu verdanken ist. So ist das Dorf weitgehend autark. Es gibt eine Ziegelbrennerei, eine Textilmanufaktur und die Landwirtschaft. Die jeweiligen Gutsherrinnen achten auf Schulbesuch und Religiosität. Man ist mit jüdischen Händlern und anderen Gutsbesitzern sowie Dichtern und Denkern wie Anton Tschechow befreundet. Man ist fernab von Moskau und St. Petersburg. Regierungskrisen und/oder politische Stürme bekommen die Bewohner Dedlovos nur mit mehrtägiger Verspätung mit. Selbst der plötzliche Tod Zar Alexander III. wird irgendwie „schaumgebremst“ erlebt. Russland ist groß und der Zar ist weit. Dank moderner Kommunikation wie Telegraf und Telefon rücken Zar Nikolaus II. und seine Familie näher. Man nimmt Anteil an der Sorge um den Zarewitsch, hält aber wenig von Nikolaus‘ Regierungsgeschäften.

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der Verwalterfamilie Pitkievich, die den Kigns seit Generationen treu, loyal und hilfreich zur Seite steht.

Die scheinbare Idylle nimmt mit dem Ausbruch der sozialen Unruhen, dem Ersten Weltkrieg und späteren Revolution(en) ein jähes Ende. Die Familie erlebt einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Einige Mitglieder können fliehen und in Bad Deutschaltenburg (Niederösterreich) ein neues Zuhause finden.

Meine Meinung:

Ursula Cerha ist es gelungen, ihre Familiengeschichte aus dem Dornröschenschlaf der Geschichte zu holen. In eindrucksvollen Worten schildert sie den Alltag der russischen Adeligen und ihrer Untertanen. Anders als üblich, scheint die Familie Kign wenig von barbarischen Strafen zu halten und behandelt die Menschen, die in ihrem Einflussbereich leben, fortschrittlich. Die Arbeit in der Landwirtschaft ist hart, noch eher manuell als mittels Maschinen.
Natürlich müssen Abgaben und Steuern bezahlt werden, doch hat der Leser den Eindruck, dass nichts Unmenschliches verlangt würde. Das ändert sich erst als der Zar gestürzt und die Bolschewiki an die Macht kommen. Der Bürgerkrieg „Rote“ gegen „Weiße“ artet in unvorstellbaren Terror aus. Dennoch verstecken einige Bauern (unter Einsatz des eigenen Lebens) die adeligen Kinder. Während es dem Kindermädchen Wanda gelingt, die beiden Mädchen zu retten, verschwindet Alexeji in einem staatlichen Waisenhaus und wird einer Gehirnwäsche unterzogen. Eine später mögliche Familienzusammenführung lehnt der Vater ab. Vielleicht aus Angst?

Beachtenswert ist die aufwändige Recherche der Autorin in den Archiven von St. Petersburg und Moskau. Unzählige, verloren geglaubte Dokumente kann sie ans Tageslicht einsehen.

Die Geschichte der Familie Kign ist sehr gut gelungen. Für mich persönlich ist der Zeit vor der Revolution ein wenig zu viel Platz eingeräumt. Hier werden viele, (wenn auch sehr interessante) Details zum Leben auf einem Gut erwähnt. Die Vertreibung und Flucht, sowie der Neuanfang in Österreich in der Zwischenkriegszeit und das Leben während der NS-Diktatur und danach kommt mir ein wenig zu kurz. („Das Ende der Geschichte“).
Möglicherweise ist das für die Autorin noch zu nahe, zu wenig „historisch“. Doch der Vollständigkeit halber wäre ein Nachwort „Wie es mit der Familie Kign weiterging“ sehr interessant. Es findet sich leider nur der Satz “Olgas Mann war nur mäßig an der Familiengeschichte interessiert.“ (S. 399)

Gut gefallen haben mir die vielen Fotos sowie der Stammbaum. Auch hier hätte ich mir eine Ergänzung bis hin zur Autorin gewünscht. Aber, das ist Jammern auf hohem Niveau.

Diese Familiengeschichte wirft einen etwas anderen Blick auf die adeligen Grundherren des 19. Jahrhunderts. Nicht alle waren Ausbeuter, wie es oft beschrieben wird. Die Familie Kign ist sich ihrer Verantwortung für die Menschen auf ihrem Gut bewusst. Es werden behutsame Modernisierungsmaßnahmen ein- und durchgeführt. Einen wesentlichen Anteil haben hier auch die Gutsherrinnen, die in Abwesenheit der Männer das Gut geschickt führen.

Fazit:

Eine beeindruckende Familiengeschichte, der ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 25.02.2019

Mathilde de Boncourt ermittelt wieder

Die Richterin und die tote Archäologin
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Statt einen gemütlichen Feierabend zu genießen, wird die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt zu einer archäologischen Ausgrabung gerufen. Ein neugieriges deutsches Touristenehepaar hat hier eine ...

Statt einen gemütlichen Feierabend zu genießen, wird die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt zu einer archäologischen Ausgrabung gerufen. Ein neugieriges deutsches Touristenehepaar hat hier eine Leiche gefunden. Es handelt sich um die bekannte Archäologin Flavia Leone, die mit einer antiken Totenmaske auf dem Gesicht wie aufgebahrt daliegt.

Obwohl Flavia eine Schulkollegin Mathildes ist, übernimmt sie gemeinsam mit Commandant Rachid Bouraada und Lieutenant Felix Tourrain den Fall. Wie in solchen Mordfällen üblich, wird das berufliche und private Umfeld penibel durchleuchtet. Da ergeben sich schon die ersten möglichen Spuren: Beruflich ist Flavia einigen Personen auf die Zehen getreten und im Privatleben hat sie eine Vorliebe für junge Männer. Man ist noch dabei Erkundigungen einzuziehen, als auch Flavia Lebensgefährte in der gemeinsamen Wohnung tot aufgefunden wird.

Ein Beziehungsdrama? Als dann noch der seinerzeit zur Adoption freigegebene Sohn Flavias auftaucht, scheint alles klar zu sein, oder?

Ein interessantes Fundstück, das der ehemalige Archäologiestudent Martin in der „Scherbenkiste“ der Ausgrabung, aufstöbert, eröffnet ein neues Motiv. Doch dazu braucht Mathilde einen auf Kunstdiebstahl spezialisierten Sonderermittler aus Paris. Wie wir aus vielen Frankreich-Krimis wissen, herrscht außerhalb der Hauptstadt die Meinung vor, dass aus Paris nichts Positives kommen kann. Ist das diesmal auch der Fall oder nur ein provinzielles Vorurteil?


Meine Meinung:

Dieser zweite Fall für die Untersuchungsrichterin, die ihrem Laster, dem Rauchen („Gitanes“), weiter frönen darf, ist ein wenig strukturierter als der erste. So spielt der nette deutsche Schriftsteller Martin eine (kleine) Rolle bei der Suche nach dem Mordmotiv und Mathildes Neffe, Sebastian lernt auf eigenen Füßen zu stehen und löst damit ein Umdenken in der Familie aus. Dieser Handlungsstrang hätte für mich gerne ein wenig länger sein dürfen.
Auch die anderen Figuren entwickeln sich weiter. Martin fasst den Entschluss, im Languedoc Fuß zu fassen. Die Szene, wo er ihr das mitteilen will, sie aber glaubt, einen Heiratsantrag zu bekommen, hat mir gut gefallen – so richtig schön „aneinander-vorbei-geredet“.

Herrlich auch, wie die Modebewusste Mathilde mit der falsch geknöpften Kostümjacke im Büro steht und der Rock auch noch verkehrt herum angezogen ist. Solche Kleinigkeiten machen die Untersuchungsrichterin, trotz ihres Zigarettenkonsums, liebenswert.

Aufgefallen ist mir, weil ungewöhnlich, ist, dass sie nach wie vor nicht nach dem Attentäter aus dem ersten Fall sucht (suchen lässt). Es scheint, als wäre das längst Vergangenheit, genauso wie die unverhohlene Drohung des Polizeipräfekten.

Der Cliffhanger am Ende ist fies! Aber, wir können uns nun beruhigt zurücklehnen und mit einem Glas Rotwein in der Hand, auf den nächsten Krimi mit der Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt warten. Hier werden dann hoffentlich die noch offenen Fragen beantwortet und Mathilde kann zu neuen Ufern aufbrechen.

Fazit:

Die Fortsetzung dieser Krimi-Reihe hat mir recht gut gefallen. Gerne gebe ich diesmal 4 Sterne.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Google & Co eine Art Ersatzreligion?

Google Unser
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Schon der Titel lässt ahnen, dass hier Anleihen in der Bibel bzw. Religion genommen werden. Gleich zu Beginn steht ein Richtung Google adaptiertes Vater Unser.

In 5 Hauptkapiteln, die noch weiter unterteilt ...

Schon der Titel lässt ahnen, dass hier Anleihen in der Bibel bzw. Religion genommen werden. Gleich zu Beginn steht ein Richtung Google adaptiertes Vater Unser.

In 5 Hauptkapiteln, die noch weiter unterteilt sind, versucht der Autor die Ähnlichkeiten dieses Konzerns mit Religion aufzuzeigen.

Glaube, Geld & Google
Die Kirche der digitalen Neuzeit
Die neuen digitalen Believers
Diagnose der digitalen Moderne
Digitale Aufklärung

Hoffmeister deutet an, dass die aktuelle säkulare Welt nach einer Art Ersatz-Religion sucht. Alle möglichen Ansichten werden zu einer „Pseudoreligion“ erhoben. So gibt es eingefleischte Fans des Wiener Fußballklubs „Rapid“, die bei der Frage nach dem religiösen Bekenntnis „Rapid“ angeben. (Das steht nicht im Buch.)

Wenn Karl Marx, die Religion als „Opium für das Volk“ bezeichnet, so gilt das in viel stärkerem Maße für Google & Co. Ob der chronische Google-Abusus gesünder als Opium ist, mag dahingestellt bleiben. Dazu gibt es noch zu wenige Langzeitstudien.

„Digitale Aufklärung beginnt mit Ideen, Konzepten und Erkenntnissen der Quantenphysik.“ (S.192) Wirklich? Die Menschheit hat seit je gemessen und gewogen.

Wenn, wie Hoffmeister ausführt, Elon Musk glaubt, die Menschheit befindet sich in einer Art Computerspiel, warum jagt Musk dann höchst irdischem Geld und Erfolg nach?

Hoffmeister versucht, mit diesem Buch zu provozieren. Manchmal verliert er sich, dort wo kurze prägnante Aussagen nötig und passend wären, in allzu vielen Details.
Nicht der schöpferische Geist wird zum Göttlichen erhoben, sondern die Möglichkeit der weltumspannenden Verbreitung durch das Internet entpuppt sich als Dienst am Götzen.

Kaum jemand entkommt der allumfassenden Präsenz des www und seiner Inhalte. Die Menscheit wird beeinflusst, manipuliert und in eine bestimmte Richtung gedrängt.

Der Autor gibt einige Denkanstöße und jeder Leser kann sich seine eigene Meinung bilden.

Fazit:

Ein interessantes Buch, das sich zu lesen lohnt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.02.2019

26 Geschichten, die das Leben so schrieb

Marillen & Sauerkraut
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Harald Jöllinger hat in seinem Debüt 26 teilweise bitterböse Ge-schichten aus dem Leben aufgeschrieben, die dem Geschmack „Marille“ (für fruchtig, süßsauer) und „Sauerkraut“ (für vergoren, lange haltbar) ...

Harald Jöllinger hat in seinem Debüt 26 teilweise bitterböse Ge-schichten aus dem Leben aufgeschrieben, die dem Geschmack „Marille“ (für fruchtig, süßsauer) und „Sauerkraut“ (für vergoren, lange haltbar) zugeordnet sind.

Ein Großteil der Geschichten ist herrlich skurril, wie z.B. die Schneckengeschichte oder die arme Gelse, die sich den Stechrüssel an einem fettleibigen Mann verbiegt. Auch die „hinige Puff’n“ habe ich ein wenig ins Herz geschlossen.

Einige Erzählungen befassen sich mit jenen Menschen, die sich auf der Schattenseite des Leben befinden: Mit den Obdachlosen, den Alkoholikern und auch mit den demenzkranken Alten, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, sie aber im hektischen Alltag nicht erhalten. Apropos Alkohol – der fließt in Strömen. Sei es als Bier oder Wein oder gar als hochprozentiges „Marillenzeug vom Ferdl“.

Die beiden Geschichte(n), die einen Heiratsantrag zum Thema haben, sind sowohl in der „Marillen-Fraktion“ als auch in der „Sauerkraut-Abteilung“ zu finden. Die scheinen, jeweils den Übergang zur andern Geschmacksrichtung oder zur anderen Gemütsverfassung zu bilden.

Meine Meinung:

Es scheint, als schriebe Harald Jöllinger so, wie ihm der Schna-bel gewachsen ist. Kurzweilig, manchmal derb, im Wiener Dialekt, der vielleicht Lesern außerhalb der Bundeshauptstadt Schwierigkeiten machen könnte. Aber nur vielleicht, denn im Anhang ist ein ausführliches Glossar vorhanden. Sehr aufmerksam!

Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Grant und dem Scharfsinn des legendären Helmut Qualtinger ist wohl nicht ganz zufällig und auch nicht ganz ungewollt.

Fazit:

Geschichten, die das Leben so schreibt. Gerne gebe ich für die Anthologie 4 Sterne.

Veröffentlicht am 14.02.2019

The Best of Bruno Kreisky

Ich bin der Meinung ...
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In diesem leider nur 80 Seiten dünnen Buch stellt uns Wolfgang Petritsch den früheren Bundeskanzler Österreichs Bruno Kreisky vor.
Kreisky ist durch seine markigen Sprüche, deren Ironie von vielen nicht ...

In diesem leider nur 80 Seiten dünnen Buch stellt uns Wolfgang Petritsch den früheren Bundeskanzler Österreichs Bruno Kreisky vor.
Kreisky ist durch seine markigen Sprüche, deren Ironie von vielen nicht erkannt wurde, der breiten Öffentlichkeit bekannt.
Seine Interviews beginnen häufig mit den Worten „Ich bin der Meinung“.

Kreiskys rhetorische und intellektuelle Brillanz ist legendär. Da könnten sich heutige Politiker, die oft inhaltsleer Floskeln daherstammeln, eine dicke Scheibe abschneiden.

Wolfgang Petrisch war langjähriger Mitarbeiter Kreiskys. Er fasst die Zitate seines ehemaliges Chefs in folgende Gruppen zusammen:

 Persönliches
 Über Politik, Mach und Moral
 Der Welterklärer und Visionär
 Der Journalistenkanzler
 Über Österreich
 Philosophisches

Schmunzeln musste ich über folgendes Zitat, das mir nicht so recht in Erinnerung ist: „Wenn ich Urlaub mache, fahre ich am liebsten nach Bayern. Da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland.“

Für sein politisches Credo der Vollbeschäftigung, wird er von seinen politischen Gegnern gescholten. „Mir bereiten ein paar Milliarden Schilling mehr Schulden weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr.“ Eine Aussage, die heutzutage nicht mehr möglich wäre.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Zitatenschatz, der mich an eine Zeit der Modernisierung Österreichs erinnert, 4 Sterne.