Toller psychologischer Spannungsroman
Wie fühlt man sich, wenn man sieben Jahre im Ungewissen lebt? Sieben Jahre voller Hoffnung, bis man dann an dem Punkt angekommen ist, an dem man der Wahrheit ins Augen schauen muss und einen Schlussstrich ...
Wie fühlt man sich, wenn man sieben Jahre im Ungewissen lebt? Sieben Jahre voller Hoffnung, bis man dann an dem Punkt angekommen ist, an dem man der Wahrheit ins Augen schauen muss und einen Schlussstrich ziehen muss um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen? Und was passiert mit einem, wenn man ganz unerwartet die Nachricht bekommt, dass der vermisste Mann gefunden wurde und bald zurück kommt? Und wie geht man damit um, wenn der Mann, der da aus dem Flugzeug steigt, ein vollkommen Fremder ist?
In Sarah konnte ich mich, ob dieser Fragen, sehr gut hineinfühlen. Seit ihr Mann Philipp sieben Jahre vorher während einer Geschäftsreise in Südamerika spurlos verschwand, meistert sie ihr Leben und das ihres Sohnes alleine. Sieben Jahre hofft sie täglich auf ein Lebenszeichen ihres Mannes, sieben Jahre lässt sie keinen anderen Mann an sich heran. Einen Tag bevor Sarah Phillip offiziell für tot erklären lässt, bekommt sie dann den Anruf auf den sie so lange voller Hoffnung gewartet hat. Phillip wurde gefunden, er lebt und kommt zurück nach Hause.
Doch der Mann, welcher einige Tage später aus dem Flugzeug steigt ist nicht ihr Mann. Das ist nicht Phillip! Wer ist dieser Mann und was will er von Sarah? Will er an das Vermögen ihres Mannes oder welchen perfiden Plan verfolgt er? Er weiß etwas über Sarah, etwas das sie vor vielen vielen Jahren getan hat, dass ihr und ihrem Sohn sehr schaden kann.
Ein grandioses Leseerlebnis lieferte mir „Die Wahrheit“ von Melanie Raabe. Ihr Schreib- und Erzählstil ist literarisch anspruchsvoll, ihre Charaktere gut durchdacht und lebensecht. Der Roman kommt mit wenigen Protagonisten aus, punktet auch mit seinen detailliert gut dargestellten Schauplätzen. Gleich zu Beginn hat mich die Geschichte fasziniert. Der mystische Moment der Sonnenfinsternis, wenn das Singen der Vögel plötzlich verstummt, war regelrecht spürbar.
Aus abwechselnden Perspektiven erlebt man als Leser die Geschehnisse aus Sarahs Sicht und in kürzeren Abschnitten jene des Fremden. Es ist ein grandioses Verwirrspiel dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Wer ist der Fremder und was will er? Welche Rolle spielt Philipps väterlicher Freund bei dem Ganzen? Und was hat Sarah getan und vor allem, woher weiß der Fremde soviel über Sarah? Die Wogen gehen hoch und die Emotionen steigern sich stetig. Als Leser war ich oftmals gefesselt und konnte mich nicht mehr aufhören zu lesen. Ein spannungsgeladener Moment löst den anderen ab. Als Leser tappt man lange im Dunkeln. Die Lösung? Ein Knaller!
Mein Fazit:
Kein Thriller im klassischen Stil, eher ein psychologischer Spannungsroman in meinen Augen. Aber grandios gemacht! Literarisch ein Genuss zu lesen. Raten, grübeln, mitfiebern bis zum verhältnismäßig schlechten Ende. Also für mich. Zu romantisch und “Hach ja, wie schön!” Aber ok, ist ja Geschmackssache. Nichts desto trotz lieferte mir „Die Wahrheit“ einen fantastischen Lesegenuss. Gerne in Zukunft mehr von Melanie Raabe!