Eines der wenigen Werke über die Frage von Schuld und Unschuld, Täter und Opfer ...
Dark Memories – Nichts ist je vergessenKlappentext:
Fairview, eine beschauliche Kleinstadt in Connecticut. Die 16-jährige Jenny Kramer wird Opfer einer brutalen Attacke und kommt schwer traumatisiert ins Krankenhaus. Dort wird ihr auf Wunsch ...
Klappentext:
Fairview, eine beschauliche Kleinstadt in Connecticut. Die 16-jährige Jenny Kramer wird Opfer einer brutalen Attacke und kommt schwer traumatisiert ins Krankenhaus. Dort wird ihr auf Wunsch ihrer Eltern ein Medikament verabreicht, das ihr helfen soll. Ein Medikament, das jegliche Erinnerung an den schrecklichen Vorfall auslöscht. Danach hat Jenny keine Bilder mehr für das, was passiert ist. Da ist nur noch Schwärze. Doch das Nicht-Erinnern-Können wird für Jenny mehr und mehr zu einem Albtraum. Denn ihr Körper weiß noch immer, was ihm angetan wurde. Gemeinsam mit dem Psychiater Alan Forrester, der auf Fälle wie Jennys spezialisiert ist, versucht sie, Stück für Stück Licht in das Dunkel jener Nacht zu bringen, die Chronologie der Ereignisse wiederherzustellen. Aber kann sie denen, die sie dabei unterstützen wollen, vertrauen?
Autorin:
Wendy Walkers Spannungsdebüt »Dark Memories – Nichts ist je vergessen« wurde auf Anhieb zum Bestseller, erschien weltweit in 20 Ländern und wird in Hollywood verfilmt. Wendy Walker lebt mit ihrer Familie in Connecticut und arbeitet neben dem Schreiben als Anwältin für Familienrecht.
Wendy Walker ist stets auf der Suche nach Ereignissen des wirklichen Lebens, die zugleich guten Stoff für ein Buch sein können. Im Jahr 2010 ist Wendy Walker auf einen Artikel in der New York Times gestoßen, der die Behandlung schwerer Traumata mit Morphium zum Thema hatte. Sofort wusste sie, dass dies ein Thema für ein neues Buch sein könnte. Als dann im Frühjahr 2015 Forscher neue wissenschaftliche Erkenntnisse darüber herausgaben, dass gelöschte Erinnerungen wieder zurückgeholt werden können, wie eine Datei auf einem Computer, befasst sich Wendy Walker eingehend mit diesem Thema. Die Wissenschaft und besondere Therapien machen es möglich Gedanken und Eindrücke wiederherzustellen, zu verändern und evtl. auch endgültig zu vernichten. Dieses Thema faszinierte Wendy Walker und so war die Grundidee für Dark Memories – Nichts ist je vergessen geboren.
Sprecher:
Sascha Rotermund (geb. 1974 in Arnsberg) ist ein deutscher Schauspieler, Synchronsprecher sowie Hörspielsprecher. Und er ist der legendärste Creative Director im Fernsehen: Als Don Draper in Mad Men ist er der Held aller Werber. Er ist als Synchronsprecher unter anderem die deutsche Stimme von Joaquin Phoenix, Christian Bale, Bradley Cooper.Besonders bekannt wurde Sascha Rotermund allerdings durch die wiederkehrenden Synchronisationen von Lee Pace und Jon Hamm.
Bewertung:
Ich hatte es letztes Jahr mit dem Buch versucht, es konnte mich aber nicht fesseln. Nun entdeckte ich es als eHörbuch in der Online-Bibliothek und habe das ausgenutzt. Es bringt die Geschichte definitiv fesselnd durch den Sprecher rüber.
Das Cover ist düster und die Schrift ist unheimlich darauf abgebildet. Mehr braucht es hierzu nicht und es passt perfekt zur Aura der Geschichte. Der Sprecher hat eine sanfte und klare Stimme und ist sehr angenehm über Stunden anhörbar. Er verleiht der Geschichte die richtige Atmosphäre von Drama und Thriller. Seine ausdrucksstarke Stimme hat mich völlig eingenommen und mir die Geschichte interessant eröffnet. Als negativer Kritikpunkt an seiner Erzählstimme ist, dass ich manchmal nicht einordnen konnte, wann es sich um Dr. Alans Erzählung (an ... ja, wem? Wem erzählt Dr. Alan im gesamten Verlauf die Geschichte?) und wann um erzählte Dialoge handelt. Der Sprecher konnte seine Stimme dazu nicht richtig erkennbar abheben.
Es ist etwas schwer, die Geschichte mit all ihren Facetten zu bewerten, da sehr viele Hauptfiguren Platz darin haben und sich die Geschichten aller Beteiligten miteinander verstricken. Daher muss ich aufpassen, um keine Spoiler zu produzieren.
Jenny ist 16 Jahre alt als sie auf einer Party im nahegelegenen Wald ziemlich brutal eine Stunde vergewaltigt und mit einem spitzen Stock misshandelt wird. Unter tiefem Schock wird ihr auf Wunsch ihrer Eltern ein Medikament verabreicht, dass ihre Erinnerungen an der Tat auslöschen soll. Von niemanden wird hierbei bedacht, dass unser Körper ein Erinnerungsgedächtnis schon im Mutterleib besitzt, und die Körpererinnerungen lassen Jenny keine Ruhe. Um zu verstehen, warum sie sich so furchtbar fühlt, lässt sie sich auf eine Therapie bei Dr. Alan ein, der ungewöhnliche Methoden zur Rückgewinnung der Erinnerungen nutzt. Was mich bis dahin energisch stört, ist die Leichtfertigkeit und Unwissenheit der Ärzte, die solche Medikamente an Menschen vergeben. Sie scheinen mir im medizinischen Bereich der Psyche Jahrzehnte zurückgebildet zu sein - weiß man doch schon länger, dass unser Körper körpereigene Erinnerungen speichert. So versperren die Ärzte nur die Erinnerungen im Kopf und lassen die Körpererinnerungen einfach wie sie sind. Dass Jenny und andere Patienten darauf verwirrt reagieren und sich sogar die negativen Symptome stärker werden - aufgrund dessen, dass sie die Erinnerungen nicht zuordnen können -, ist einfach nur logischer Menschenverstand! Dafür muss ich kein Arzt sein! Sie lassen Jenny und die anderen Patienten praktisch als halbe Menschen zurück. Und Jennys Eltern handeln im Zuge des Chaoses vorschnell und beziehen Jenny nicht mal in ihren Wunsch nach dem Medikament und dem Vergessen mit ein. Es erfolgt direkt noch im Krankenhaus die Medikamenteneingabe. Da spielt viel mehr als nur Sorgen und Ängste um ihre Tochter mit, es ist auch purer Egoismus und Weigerung zur Annahme der Tatsachen. Sie entscheiden über Jennys Kopf hinweg und manipulieren mit ihrer Entscheidung ihr Leben. Das hat mich sehr geärgert! Durch die ganze Geschichte durch werden Jennys Gefühle viel zu wenig aufgegriffen und rücken im Gegensatz zu Dr. Alans Gefühlen in den Hintergrund.
Charlotte und Tom sind Jennys Eltern und irgendwann so verzweifelt, dass sie diesmal mit Jenny zusammen entscheiden, ihre Erinnerungen an die Tat mit Hilfe vom Psychologen Alan zurückzuholen. Da dachte ich erstmal "Wie schön, dass ihr im Nachhinein nachdenkt!", war aber froh, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Charlotte und Tom gehen ebenfalls getrennt zu Dr. Alan, um auf je ihre eigene Weise mit dem Geschehen zurechtzukommen. Dabei werden auch früh vergangene Erlebnisse zutage gebracht, die uns als Zuhörer die Beweggründe und Schwächen der beiden verstehen lassen. Hier bekommt vor allem Charlotte besondere Aufmerksamkeit. Tom wird weniger ins Licht gerückt und bleibt etwas undurchsichtig. Sein extremer Zorn auf den Vergewaltiger nimmt mit der Zeit immer mehr zu und er gerät in die Gefahr, von ihr verschluckt zu werden. Während Tom sich mehr und mehr auf den Täter fixiert, ist Charlotte mehr mit sich und ihrem eigenen Leben beschäftigt. Die Ehe selbst scheint keinen Raum in den Geschehnissen zu haben und bleibt weit im Hintergrund zurück. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass die beiden gar nicht verheiratet sind, da sich dann keine Zusammenhänge zueinander ziehen lassen.
Alan ist Psychologe und Therapeut, der sich auf Traumapatienten spezialisiert hat. Mit seiner ungewöhnlichen Therapiemethode hilft er seinen Patienten, ihre Erinnerungen zurückzuholen und zu verarbeiten. Er erzählt (wem auch immer) die Geschichte mitsamt den Ereignissen, die sich nach Jennys Vergewaltigung zugetragen haben. Alan erscheint mir anfänglich sehr sympathisch und gewandt, und auch sehr seinen Patienten zugetan. Dies änderte sich im Laufe der Geschichte für mich und sein Erscheinen wird bis hin zum Ende mehr und mehr unberechenbar und manipulativ. Es erscheint mir irrwitzig, wie er über Borderline-Patienten und ihre Krankheit berichtet, wirkte er auf mich mit seinem Verhalten ebenso bis zu einem gewissen Grad. So schwankten auch meine Gefühle und Gedanken für ihn und ich wusste ihn nicht einzuschätzen. Während er uns die Geschichte und die Geschehnisse darin erzählt, kommt er auch auf sich und sein Leben zu sprechen. Er führt eine harmonische Ehe und hat einen gut erzogenen Sohn, wie er stets beteuert. Wer annimmt, die Geschichte handelt hauptsächlich von Jenny, irrt sich hier. Ich wurde mit einem übergeordneten Anteil an Dr. Alans Gefühlen und Gedanken überrascht. Das lässt sich aus dem Klappentext nicht herauslesen oder gar vorhersehen. An sich ist es nicht negativ zu sehen, jedoch überwiegen seine Erlebnisse gegenüber den anderen der Beteiligten. Hier hätte der Fokus etwas mehr auf Jenny gerichtet werden sollen.
Shawn und Glenn sind Dr. Alans andere Patienten, die in der Geschichte eine Rolle haben. Shawn ist durch seinen Einsatz als Soldat verwundet und traumatisiert worden. Seine Posttraumatische Belastungsstörung ist typisch schwer ausfallend für einen Soldaten. Glenn leidet an der Borderline-Störung und befindet sich zu dem Zeitpunkt nicht mehr in Dr. Alans Behandlung. Dieser greift die Sitzungen mit Glenn aber hin und wieder auf, auch um sein Verhalten und seine Störungsmerkmale mit denen von Shawn und Jenny zu vergleichen. So möchte Dr. Alan dem Zuhörer ein besseres Verständnis ermöglichen, was er mehrmals erwähnt.
Bob ist der Chef von Tom und hat eine Affäre mit Charlotte. Über ihn erfahren wir nicht viel, er kommt erst ab einer gewissen Zeit richtig hervor. Detektive Passents nimmt sich dem Fall von Jenny an und erscheint etwas zweigeteilt; einerseits faul und lustlos, andererseits engagiert und bohrend. Von ihm erfahren wir nichts aus seinem Leben, was hier aber auch keine Rolle spielt. Er ist in dem Ganzen unparteiisch und nicht oft präsent.
Die Erzählung der Zusammenhänge der Geschehnisse werden Stück für Stück von Dr. Alan preisgegeben und der Zuhörer ist auf seine Ehrlichkeit dies bezüglich angewiesen. Für mich kamen ab der Mitte der Geschichte Zweifel auf, ob sich alles wirklich genau so zugetragen hat, weil Dr. Alan wie ein kleiner Fiesling rüberkommt. Trotzdem hatte ich überwiegend das Gefühl, seinen Worten trauen zu können, weil er seine eigenen Fehler nicht außer Acht lässt. Der Sprecher belebt lebhaft die verschiedenen Ereignisse mit seiner Stimme, auch wenn er bei einigen Passagen diese nicht hörbar abgrenzen kann. Alle Charaktere wirken stark in ihrem Sein, was dem Verlauf die richtige Dynamik verleiht.
Die Geschichte beginnt schon sehr fesselnd und interessant, baut sich unaufhörlich zu einem Strudel auf, der alle Beteiligten trifft, miteinander verstrickt und eine Kette von Ereignissen in Gang setzt. Das Ende ist für meinen Geschmack zu schnell glatt gefegt, angesichts des heftigen Strudels, der alles durcheinanderwirbelt. Das erscheint mir etwas zu aufgesetzt. Anders wiederum hat mich die Wahrheit über Jennys Vergewaltigung tief schockiert und wirklich entsetzt! Die Geschichte riss mich mit und ließ mich an manchen Stellen Stoßatmen.
Fazit:
Ein geschickt eingefädelter Thriller mit einem gleichwertigen Anteil an Drama, bei dem schier unklar wird, wer hier Opfer und wer Täter ist. Die Autorin zeigt hier auf, wie unsere Psyche agiert und positiv wie auch negativ genutzt werden kann, und wie schnell wir in dessen Sog geraten können. Jede Geschichte hat mehr als eine Seite, und nur alle zusammen ergeben das komplette Bild über Ereignisse und deren Ausmaße. Eine tolle Geschichte mit kleinen Schwächen, die aber die Faszination und den Reiz nicht schmälern. Es ist kein aufbrausender Thriller, brodelt dennoch in der Tiefe, schockiert und lässt einen verstört zurück. Lasst euch nicht abschrecken, denn nichts ist wie es scheint ... diese Geschichte lehrt es uns.
Für alle Thriller-Liebhaber, die es unblutig mögen und trotzdem ein Beben spüren wollen, der nachebbt, und die gerne auf saftigere Art etwas über die Psyche erfahren möchten. Er lässt Spielraum für's Rätseln, gibt aber viele Wendungen und unvorhersehbare Verknüpfungen preis. Für Jugendliche nicht zu empfehlen, es sei denn, sie sind überdurchschnittlich reifer als ihr Alter gewöhnlich zeigt. Auch Wendy Walkers zweites Buch Kalte Seele, dunkles Herz kann ich weiterempfehlen. Dieses spielt ebenso mit der Psycho Tango.
P.S.: Ich denke und hoffe, ich habe einen aussagekräftigen Eindruck von der Geschichte erbringen können ohne das Interesse zu schmälern.