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Veröffentlicht am 18.03.2019

Mein Buch des Jahres!

Jahre des Jägers
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Kein Zweifel, mein Buch es Jahres steht bereits jetzt schon fest. Nach „Jahre des Jägers“ (ausgezeichnet übersetzt von Conny Lösch) kann ich mir kaum vorstellen, dass in 2019 noch ein Roman erscheint, ...

Kein Zweifel, mein Buch es Jahres steht bereits jetzt schon fest. Nach „Jahre des Jägers“ (ausgezeichnet übersetzt von Conny Lösch) kann ich mir kaum vorstellen, dass in 2019 noch ein Roman erscheint, der es mit diesem Schwergewicht aufnehmen kann.

Es ist ein Höllenritt, auf den uns Don Winslow in „Jahre des Jägers“ (Abschlussband der Kartell-Trilogie) mitnimmt. Ein Roman, vollgepackt mit Gewalt. Über Verluste, Rache, Gerechtigkeit. Über einen Krieg, in dem es nur Verlierer gibt, in dem unzählige Opfer zu beklagen sind. Über die Kartelle und das hausgemachte Drogenproblem der Vereinigten Staaten.

Über den Drogenfahnder Art Keller, der einen Krieg kämpft, den er nicht gewinnen kann, ganz gleich, wie hoch sein Einsatz ist. Der mittlerweile an der Spitze der DEA steht und noch immer in Grauzonen operieren muss, auch wenn er Adan Barrera, Oberhaupt des Sinaloa-Kartells, eigenhändig ins Jenseits befördert und damit den fragilen Frieden quasi gekillt hat. Denn nun entbrennt der Kampf um die Nachfolge. Los Hijos, die verwöhnten Söhne der Drogenbarone, vor allem interessiert an Geld, schnellen Autos und Frauen, wollen die Gebiete neu aufteilen und kämpfen skrupellos um die Vorherrschaft. Und dann ist da noch der Strippenzieher und Manipulator im Hintergrund, ein alter Widersacher Kellers, der nicht nur nach Rache sondern auch nach Einfluss giert. Blutige Kämpfe entbrennen, die zahllose Opfer fordern. Aussichtslos für Keller, diese Hydra zu besiegen, zumal auch der Schwiegersohn des neugewählten Präsidenten (die Ähnlichkeiten mit Trump und Kushner sind nicht zufällig) mit den Kartellen kuschelt und keine Scheu davor hat, Immobilienprojekte mit Drogengeldern zu realisieren, gedeckt von hochrangigen Mitarbeitern im Weißen Haus, die Keller lieber heute als morgen in die Wüste schicken wollen.

Fiktion oder Realität? Die Grenzen scheinen fließend. Fest steht, dass Winslow über Jahrzehnte hin akribisch für diese Trilogie recherchiert hat. Herausgekommen ist ein komplexes Werk, das sich nicht nur auf die Auseinandersetzungen zwischen Kartellen und Drogenfahndern konzentriert, sondern auch die damit zusammenhängenden Aspekte beleuchtet. Das Leben in den lateinamerikanischen Slums, das Schicksal minderjähriger Migranten, die Gangs in den amerikanischen Metropolen, die Gefängnisindustrie der Vereinigten Staaten. Dealer, Drogenabhängige, Geldwäscher mit weißen Kragen, korrupte Politiker in den höchsten Ämtern.

Winslow will Anstöße geben, aufrütteln, sensibilisieren für das, was in seinem Land geschieht. Er plädiert für eine veränderte Drogenpolitik, die auf Legalisierung, Prävention und Heilung setzt und dadurch dem bereits über vierzig Jahre andauernden „War on Drugs“ endlich ein Ende bereitet.

Nachdrückliche Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.02.2019

Der Mensch ist des Menschen Wolf

1793
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Stockholm, 1793. König Gustav III. ist seit einem Jahr tot, der Schwedisch-Russische Krieg hat das Land an den Rand des Abgrunds geführt. Das Volk hungert, die Monarchie wackelt. In Frankreich tobt die ...

Stockholm, 1793. König Gustav III. ist seit einem Jahr tot, der Schwedisch-Russische Krieg hat das Land an den Rand des Abgrunds geführt. Das Volk hungert, die Monarchie wackelt. In Frankreich tobt die Revolution und macht kurzen Prozess mit den Adligen. Köpfe rollen. Doch soweit ist es in Schweden noch nicht. Die staatliche Ordnung muss aufrechterhalten werden, Kriegsheimkehrer werden als Stadtknechte eingesetzt und missbrauchen ihre Macht. Chaos und Gier regieren, Willkür greift um sich, Moral ist nur noch eine leere Worthülse. Nach oben buckeln, nach unten treten.

In einem stinkenden See vor den Toren der Stadt entdecken zwei Kinder einen Ertrunkenen und alarmieren den Häscher Jean Michael „Mickel“ Cardell, einen traumatisierten Veteranen, der seinen Arm im Krieg verloren hat. Er zieht die Leiche aus dem Wasser. Einen Torso, dem sämtliche Gliedmaßen fehlen und dessen Kopf grausam verstümmelt wurde. Keine Hinweise auf die Identität des Toten. Mit der Aufklärung wird Cecil Winge, ein brillanter Kopf mit humanistischen Idealen, Jurist, und bei der Stockholmer Polizeikammer für besondere Verbrechen zuständig, beauftragt. Es soll sein letzter Fall sein, denn er ist dem Tod geweiht. Tuberkulose im Endstadium. Zu schwach, um die Ermittlungen alleine zu führen, ohne Unterstützung seiner Behörde. Er bittet Cardell um Hilfe, denn auch dieser hat sich einen Funken Rechtschaffenheit und Moral bewahrt. Zwei, die sich erkennen. Die für die Aufklärung des Falls im tiefsten Morast und den Niederungen der menschlichen Existenz wühlen müssen.

Noch ein historischer Kriminalroman? Nein, „1793“ ist weitaus mehr. Es ist eine Sozialreportage über eine düstere Stadt, in der das Chaos regiert. Keine süßen Düfte, die aus heimeligen Stuben wehen, sondern der Gestank verfaulenden Fleischs, der sich über die Gesellschaft legt. Über eine Gesellschaft, in der der Mensch des Menschen Wolf ist, in der Opfer zugleich Täter sind. Unterteilt ist der Roman in vier Abschnitte mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wobei die Krimihandlung den Rahmen bildet, aber speziell die Lebensgeschichte der jungen Anna Stina, anschaulich und detailliert beschrieben, erschütternde Einblicke in das Leben dieser dunklen Zeit gewährt.

Für „1793“ wurde der Autor Niklas Natt och Dag mit dem Schwedischen Krimipreis für das beste Spannungsdebüt ausgezeichnet. Auch sein Autorenkollege Arne Dahl hat sich dazu geäußert: „1793 ist ein Meisterwerk. Ein wilder und ungewöhnlicher Mix, der das ganze Krimigenre revolutioniert“. Dieser Aussage kann ich mich anschließen, zumindest was historische Kriminalromane angeht.

Veröffentlicht am 23.02.2019

Auf der Straße der Hoffnungslosigkeit

Desperation Road
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McComb, Mississippi, eine Kleinstadt im Delta, der die Hoffnungslosigkeit aus allen Poren quillt. Wo man nicht redet sondern zuschlägt. Wo Träume begraben werden, man einfach weiterrennt im Hamsterrad ...

McComb, Mississippi, eine Kleinstadt im Delta, der die Hoffnungslosigkeit aus allen Poren quillt. Wo man nicht redet sondern zuschlägt. Wo Träume begraben werden, man einfach weiterrennt im Hamsterrad eines trostlosen Lebens. Eines Lebens, dem immer irgendetwas dazwischenkommt. Wo die Sehnsucht nach Liebe ncht gestillt wird. Wo der Wunsch nach Rache und Vergeltung übermächtig ist. wo sich Leere in Hass Bahn bricht. Wo Hilflosigkeit und Verzweiflung übermächtig ist.

Eine Frau, vom Leben gezeichnet, erschöpft. Unterwegs mit ihrem kleinen Mädchen, ausgemergelt einen Müllsack mit ihrem gesamten Hab und Gut hinter sich her schleppend. Ein Mann, nach langjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen und auf dem Weg zurück. Zwei Wege, zwei Schicksale, die unwissentlich miteinander verbunden sind und sich im Verlauf der Geschichte kreuzen werden. Die nicht in einem "und sie lebten glücklich und zufrieden" enden wird. Wo Entscheidungen gefordert sind, die mühsam aufgebaute Leben zerstören könnten.

Michael Farris Smith lebt mit seiner Familie in Oxford, dieser Kleinstadt im Bundesstaat Mississippi, die durch eine hohe Dichte an herausragenden Autoren (Tom Franklin, Larry Brown, William Faulkner etc.) auffällt, die sich mit der Ressentiment getränkten Realität der Südstaaten jenseits der Plantagenschnulzen auseinandersetzen. Wie bereits er Titel vermuten lässt, ist es harte Kost, die der Autor seinen Lesern serviert. Lakonisch, gradlinig erzählt, ohne überflüssige Sentimentalitäten und gerade deshalb umso eindringlicher. Es ist eine Geschichte von zweiten Chancen. Eine Geschichte über Menschen, die die Verzweiflung hinter sich lassen wollen. Die sich gemachter Fehler bewusst sind und für ihr Handeln Verantwortung übernehmen. Die einen Neuanfang wollen. Die nach Erlösung suchen. Und für die sich am Ende vielleicht ein Silberstreif am Horizont abzeichnet. Aber Garantie gibt es keine. Niemals.

Veröffentlicht am 21.02.2019

Auf der Jagd

Der Patriot
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Manche Journalisten lassen sich von Drohungen mundtot machen, stellen das Schreiben ein und ziehen sich ins Privatleben zurück. Andere wiederum, wie Stieg Larsson oder Petra Reski, nutzen ihr Talent, verbinden ...

Manche Journalisten lassen sich von Drohungen mundtot machen, stellen das Schreiben ein und ziehen sich ins Privatleben zurück. Andere wiederum, wie Stieg Larsson oder Petra Reski, nutzen ihr Talent, verbinden persönliche Erfahrungen mit Gesellschaftspolitik, und bringen das, was gesagt werden muss, in spannenden Thrillern verpackt in die Öffentlichkeit. So auch Pascal Engman, ehemals Journalist bei der schwedischen Boulevardzeitung „Expressen“, der mit „Der Patriot“ sein Debüt gibt.

Von der Vorstellung, dass das liberale Schweden ein Paradies für Einwanderer ist, musste man sich bereits vor längerer Zeit verabschieden. Man denke nur an Henning Mankell, der diese Thematik bereits in dem Anfang der neunziger Jahre erschienenen „Mörder ohne Gesicht“ behandelt hat.

In „Der Patriot“ legt Engman eine Schippe drauf: Handlungsort ist Stockholm. Die Anzahl der Migranten hat sich um ein Vielfaches erhöht, Unmut innerhalb der Gesellschaft greift um sich. Schuldzuweisungen sind schnell gemacht. Es ist die Politik, die versagt hat, gedeckt durch die Presse, die unverblümt durch ihre Berichterstattung um Sympathie für die Einwanderer wirbt. Nationalistische Bewegungen, die ihr Land zurückhaben wollen, sind im Aufwind. Eine dieser Zellen wird von Carl Cederhjelm geleitet, der mit gleichgesinnten Patrioten als erstes diejenigen dafür bestrafen will, die für eine multikulturelle Gesellschaft trommeln. Ganz klar, die Journalisten der „Lügenpresse“ müssen bestraft werden, wenn es sein muss, auch mit dem Tod. Und schon bald sind erste Opfer zu beklagen…

Soweit also der Hintergrund, vor dem Engman seine Story entwickelt, deren Thematik sich sehr nah nicht nur an der schwedischen Realität orientiert. Man denke nur an die Aufmärsche der Rechtspopulisten in den diversen ostdeutschen Städten und die ausländerfeindlichen Parolen sowie die Anfeindungen, denen kritische Journalisten tagtäglich ausgesetzt sind. Letzteres vor allem in den Vereinigten Staaten. Und dass irgendwann ein Verrückter Amok läuft, scheint mir dann doch nicht ausgeschlossen.

Die Handlung hat von Beginn an Tempo und einen sauber ausgearbeiteten Spannungsbogen, der auch durch die verschiedenen Akteure, ihre Hintergründe und persönlichen Motivationen ständig hochgehalten wird. Ein spannender, intensiver Thriller, der mich mit leichtem Unbehagen zurücklässt. Scheint es doch nicht ausgeschlossen, dass die Fiktion in nicht allzu ferner Zukunft von der Realität eingeholt werden kann.

Veröffentlicht am 19.02.2019

Lola oder Wer ist hier der Boss?

Lola
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"Lola" ist das Debüt der amerikanischen Autorin Melissa Scrivner Love, die für so namhafte Serien wie CSI, Person of Interest und Life Drehbücher geschrieben hat. Und diese Nähe zum Film merkt man dem ...

"Lola" ist das Debüt der amerikanischen Autorin Melissa Scrivner Love, die für so namhafte Serien wie CSI, Person of Interest und Life Drehbücher geschrieben hat. Und diese Nähe zum Film merkt man dem Thriller auch an, der zum einen mit stimmigen Bildern arbeitet, zum anderen sehr rasant , aber auch mit jeder Menge Emotion daherkommt.

„Sie ist eine Frau. Sie ist klein. Sie ist nichts.“ Tja, wenn sich die bösen Buben da mal nicht täuschen, denn Lola fliegt unter dem Radar, operiert aus der Deckung heraus, die ihr ihr Freund Garcia bietet. Aber in Wirklichkeit ist sie das Oberhaupt der Crenshaw Six, einer sechsköpfigen Drogen-Gang, die in der Southside von Los Angeles Stoff für das Kartell vertickt. Dass der Kartell-Boss nicht erfreut ist, wenn andere Lieferanten in sein Gebiet eindringen wollen, ist logisch. Denen muss man eine Lektion erteilen. Und das sollen die Crenshaw Six übernehmen. Zuschnappen bei der Übergabe und sowohl den Stoff als auch die Kohle abgreifen. Guter Plan, aber leider läuft dabei so ziemlich alles schief, was schieflaufen kann. Kein Stoff, keine Kohle, aber jede Menge Ärger am Hals. 72 Stunden, so viel Zeit bleibt ihr, um die Sache zu regeln. Oder sie muss die Konsequenzen tragen

Sie ist intelligent, einer Planerin, die in größeren Dimensionen denkt, wieder aufstehen kann, wenn sie gefallen ist. Mit Druck und Verantwortung kann sie umgehen. Das hat sie in der Kindheit bei ihrer Junkie-Mutter gelernt. Sie macht darum kein Gewese, tut, was getan werden muss. Hackt Finger ab, verpasst Kopfschüsse, tötet ohne Reue. Ihre Emotionen hat sie im Griff, hält sie unter dem Deckel, die würden nur stören. Einzig bei einem vernachlässigten Kleinkind, in dem sie sich wiedererkennt, erlaubt sie sich Gefühle. Schwarz und Weiß, Gut und Böse, diese Kategorien greifen hier nicht, dafür ist Lola zu sympathisch. Man drückt ihr die Daumen, dass sie durchkommt.

Joe Ides I.Q und Wallace Strobys Crissa Stone, diese beiden Protagonisten fallen mir am ehesten ein, wenn ich Vergleiche ziehen müsste. Und Melissa Scrivner Loves Lola kommt dabei nicht nur sehr gut weg sondern ist für die beiden eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Wer einen spannenden Thriller mit einer starken Hauptfigur sucht, kann und sollte hier ohne Bedenken zugreifen. Für 2020 hat Suhrkamp die Fortsetzung angekündigt. Ich werde sie mit Sicherheit lesen!