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Veröffentlicht am 05.04.2019

Übertriebener Feminismus verpackt in einer packenden Erzählung

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Um Camilla Läckbergs Krimireihe bin ich stets herumgeschlichen, aber desto mehr Bände erschienen, desto mehr wurde mir klar, das kannst du nicht mehr aufholen. Als ich nun sah, dass „Golden Cage“ mit ihren ...

Um Camilla Läckbergs Krimireihe bin ich stets herumgeschlichen, aber desto mehr Bände erschienen, desto mehr wurde mir klar, das kannst du nicht mehr aufholen. Als ich nun sah, dass „Golden Cage“ mit ihren Krimis nichts zu tun hat, sah ich das als beste Gelegenheit, sie zumindest mal als Erzählerin kennenzulernen. Nach der Lektüre ist mir natürlich klar, dass ihre Krimireihe so wohl kaum sein wird, aber die erzählerischen Handgriffe werden sicherlich dieselben sein.

Ich habe in den letzten Jahren doch einige Bücher gelesen, die von der Aufmachung stark an einen Thriller erinnert haben, aber nun wahrlich nicht die atemraubende Spannung aufweisen können, dafür eine an den Nerven zehrende Anspannung, weil man weiß, hier wird noch genug Psychoterror stattfinden. Daher hat „Golden Cage“ mich sehr an „The Wife Between Us“ erinnert, wo auch das Thema toxische Ehe angesagt war. Schon dieses Buch hat mir gut gefallen, weswegen ich mich auf Läckbergs Vision auch gut einlassen konnte. Ich bin ehrlich gesagt etwas beschwerlich reingekommen, weil die Darstellung der Ehe mir gleich zuwider war und auch die Rückblicke konnten nicht direkt offenbaren, was ihr Zweck ist. Zum Glück werden beide Ebenen irgendwann wesentlich zielführender und man ahnt, wohin die Reise gehen wird und genau mit diesem Punkt schloss sich für mich diese innere Anspannung an, dass ich mich unbedingt auf den Psychoterror einlassen musste.

Ohne Frage ist dieser Roman ein Pageturner, da er einen unheimlichen Sog entwickelt, dennoch habe ich für mich einige problematische Aspekte herausgezogen. „Golden Cage“ ist definitiv ein feministisches Buch, das schreit es regelrecht vom Anfang bis zum Ende. Aber ich fand, dass die Autorin zu viel des Guten wollte. Mir hat es gut gefallen, dass Faye wieder auf die Füße gekommen ist und stark und mutig ihren Weg gegangen ist, aber zum einen hat sie bedenkliche dunkle Seiten und zum anderen gibt es nur einen einzigen Mann, der in diesem Buch gut wegkommt, ansonsten wird da das Bild eines Mannes geschaffen, das kaum repräsentativ für ein Geschlecht ist. Bei Faye fand ich es einfach schade, dass sie diese dunkle Seite haben musste, weil sie so geschickt und raffiniert und planungssicher ist, dass es diese Momente für die Botschaft gar nicht gebraucht hätte. Zudem entsteht so das Gefühl, dass die Frau die moralische Instanz ist, weil sie den Mann besiegt und damit wirkt es automatisch beschönigend, wenn sie Morde begeht, als sei es notwendig gewesen.

Neben dieser stellenweise etwas problematischen Darstellung fällt aber auch für mich ins Gewicht, dass der Erzählstil genau auf diese Geschichte passt. Die Figuren sind in sich sehr konsequent und ihr Gefühlsleben ist stets sehr transparent und authentisch dargestellt. Zudem gefällt mir die Entwicklung der Geschichte einfach. Es schwingt eine Raffinesse mit und es gibt tolle Wendungen. Zudem fand ich das Erzähltempo im zweiten und dritten Teil genial. Wo ähnliche Geschichten sich oftmals in Details und Beschreibungen verlieren, scheut sich die Autorin nicht, Zeitsprünge zu machen, die die Geschichte entschieden vorantreiben und damit zum Ziel bringen. Ich hatte so zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, einen Durchhänger mitzuerleben.

Fazit: Vom erzählerischen Handwerk her ist „Golden Cage“ mit das Beste was ich in diesem Genre bisher gelesen habe. Dafür erscheint mir die inhaltliche Botschaft an einigen Stellen zu gefährlich. Dieses Buch ist definitiv nicht Männern zu empfehlen, da das Geschlecht überhaupt nicht gut wegkommt. Das Buch ist definitiv von einer Frau für Frauen, aber die Botschaft stimmt nur stellenweise.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Große Parallelen zu THUG

On The Come Up
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„The Hate U Give“ war wirklich eine ganz besondere Leseerfahrung. In Serien und Filmen bin ich dem Thema Rassismus schon oft begegnet, aber bei Jugendbüchern war das wirklich selten der Fall, da die Protagonisten ...

„The Hate U Give“ war wirklich eine ganz besondere Leseerfahrung. In Serien und Filmen bin ich dem Thema Rassismus schon oft begegnet, aber bei Jugendbüchern war das wirklich selten der Fall, da die Protagonisten meist weiß sind und dann nur die Probleme von Schwarzen miterleben oder die Hautfarbe war kein wirkliches Thema. Mir hat THUG daher sehr geholfen, um mich in die schwarze Kultur, ihre Lebenswelt einzufinden und einzudenken. Daher war für mich vollkommen klar, dass „On The Come Up“ auch Pflichtlektüre für mich sein muss.
Positiv ist mir direkt aufgefallen, dass die Geschichte wieder im fiktiven Garden Heights spielt und es wird direkt an die Geschehnisse von THUG angeknüpft, so dass die Ermordung von Khalil immer noch ein Thema ist. Insgesamt stellt man schnell fest, dass die Thematik unheimlich ähnlich ist. Gerade nach Beendigung des Buchs muss ich sogar sagen, dass es mir zu ähnlich war, da es erneut um eine realistische Darstellung des Rassenhass‘ geht, der aber nicht mal weitergedacht wird. Mir ist bewusst, dass die Autorin die Welt nicht heile machen kann, aber ein gewisser Hoffnungsschimmer hier und da für die Überwindung des Rassismus‘ fände ich schön, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Dennoch war die Geschichte natürlich nicht ganz gleich. Starr und Brianna sind sicherlich auch ähnliche Figuren, aber ihre Probleme werden sehr unterschiedlich transportiert, da in „On The Come Up“ Rap und auch Unterdrückung von Frauen eine große Rolle spielen.
Rap ist zwar gar nicht meine Musikrichtung, aber dennoch hat sich dieser Musikstil aufgrund seiner wortreichen und tiefsemantischen Texte ideal angeboten. Gerade im ersten Drittel ist das Thema sehr präsent und auch wenn die englischen Texte sicherlich nicht einfach waren und an manchen Stellen vielleicht auch einen Blick ins Wörterbuch verlangen, hat mir die thematische Auseinandersetzung und auch der Aufbau eines solchen Textes sehr gefallen. In der Mitte büßt der Rap in seiner Wichtigkeit jedoch gehörig ein, was ich sehr, sehr schade fand. Es ging nur noch um einen speziellen Rap und die Wirkungskraft, die dieser entfalten kann. Das hatte auch seine Botschaft, aber ich hätte gerne noch viel mehr von Bris Texten gelesen. Nur gut, dass es am Ende noch einmal einen Paukenschlag gibt, der dieses Thema auf jeden Fall abrundet.
Das Buch hat aber auch viele Nebenthemen, die einfach nur authentische Einblicke in die schwarze Kultur geben. Seien es die Gottesdienste, seien es der Familienzusammenhalt, sei es der Zusammenhalt von besten Freunden, es wurde wirklich genug geboten, wo man sich emotional einfinden konnte. Konsequent ist definitiv auch, dass das Thema Kriminalität nicht ausgeklammert wird und dass auch nichts beschönigt wird. Hier erhält jeder die Strafe, die er verdient. So nett die Themenvielfalt auch war, so muss ich doch feststellen, dass die Geschichte sehr abrupt aufhört. Bei einigen Handlungsbögen hat man das Gefühl, mittendrin ausgebremst zu werden und einige Antworten werden verwehrt. Es trübt den Leseeindruck etwas, da man das Gefühl hatte, es hätte noch gut 200 Seiten weitergehen können, ohne dass es künstlich verlängert wirkt.
Fazit: „On The Come Up“ ist definitiv eine ebenso wichtige Lektüre, wie es „The Hate U Give“ ist und dennoch erkennt man sehr stark die Parallelen. Thomas‘ neues Buch hat definitiv kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Besonders ist aber definitiv die Einbindung des Rap, die über weite Strecken sehr gut gelungen ist, in der Mitte pausiert es nur leider etwas. Es gibt auch eine große Themenvielfalt, für die die dargebotene Seitenzahl schon fast wieder zu wenig ist. Eine klare Leseempfehlung gibt es aber in jedem Fall von mir.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Abschluss von America und Maxon gelingt gut

Selection – Der Erwählte
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Nachdem ich den zweiten Band vor allem von der Handlung her sehr durchschnittlich fand, war ich erleichtert, dass Band 3 nun endlich wieder gut angezogen hat. Das lag vor allem auch daran, dass dieses ...

Nachdem ich den zweiten Band vor allem von der Handlung her sehr durchschnittlich fand, war ich erleichtert, dass Band 3 nun endlich wieder gut angezogen hat. Das lag vor allem auch daran, dass dieses Hin und Her zwischen America und Maxon deutlich weniger in den Fokus gestellt wurde. Zudem hat sich Aspen recht früh als Alternative verabschiedet, so dass das Bild im Liebesdreieck nun sehr klar war, so dass man sich auch mehr auf die Revolution fokussieren konnte.

Auch wenn hier Teile der Rebellen endlich näher eingeführt werden, die Ideen dahinter charakterisiert werden und auch America sich immer mehr reinhängt, wird doch nicht alles so konsequent zu Ende geführt, wie ich es mir gewünscht hätte. Bei America ist tatsächlich das Problem, dass sie immer wieder ganz tolle Momente hat, wo man ihr die Willensstärke und die Cleverness anmerkt und dann wiederum zieht sie sich wie ein verschrecktes Kaninchen zurück und ist entsetzt angesichts ihrer eigenen Courage. Das Ende ist sicherlich aufwühlend und bietet auch einige Paukenschläge, aber ich bin der Überzeugung, dass es sich die Autorin mit ihrer Lösung doch etwas einfach gemacht hat. Da merkt man doch deutlich, dass Kiera Cass nicht vorrangig eine Gesellschaftskritik im Sinn hatte, sondern dass es ihr vorrangig um die oberflächliche Welt mit Liebe, Freundschaft etc. ging.

Diese Welt gelingt im Abschlussband wirklich gut. Vor allem die Nebenbuhlerin bekommen sehr viel mehr Charaktertiefe und es ereignen sich tolle Momente, die ich so nicht erwartet hätte. Auch die Liebesgeschichte wird ernster, ehrlicher, da hat man schon deutlich gemerkt, dass es zum großen Finale kommen wird. Insgesamt kann man aber nicht leugnen, dass Maxons Perspektive vielleicht doch gutgetan hätte, da er in einigen Situationen doch recht schlecht wiedergekommen ist und er sich auch in Dialogen nicht richtig erklären konnte. Nun bin ich gespannt, wie es nach dem Zeitsprung weitergehen wird.

Fazit: Band 3 schließt für mich die Geschichte von America und Maxon gut ab, aber man merkt doch deutlich, dass diese in sich abgeschlossene Trilogie doch eher oberflächlich bleibt und nicht alles konsequent zu Ende denkt.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Ein unbeschreibbares Buch

Ein wirklich erstaunliches Ding
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Bei dieser Überschrift könnte man sich fragen, warum ich überhaupt eine Rezension geschrieben haben, denn wie soll man etwas beschreiben, was nicht beschreibbar ist? Ja, das ist ein ominöses Rätsel, das ...

Bei dieser Überschrift könnte man sich fragen, warum ich überhaupt eine Rezension geschrieben haben, denn wie soll man etwas beschreiben, was nicht beschreibbar ist? Ja, das ist ein ominöses Rätsel, das richtig gut zu „Ein wirklich erstaunliches Ding“ passt, da dieses Buch für mich auf ewig ein ominöses Rätsel sein wird und das durchaus im positiven Sinne gemeint.

Bold wurde als Imprint des dtv angekündigt wurde, das die junge Generation ansprechen will, indem es deren Bedürfnis nach politischen und gesellschaftlichen Themen in den Fokus nimmt. Die ganze Aufmachung dieser Nische wirkt sehr erwachsen und dennoch stellte sich natürlich bei mir die Frage, was genau dieses Imprint liefern wird, da die Umschreibungen doch recht vage blieben. Mit „Ein wirklich erstaunliches Ding“ ist nun das erste Buch des Programms erschienen und der Klappentext hatte zwar genug semantische Botschaften, aber so richtig erahnen konnte man dennoch nicht, wie der Inhalt des Buchs wohl aussehen wird. Daher hat bei mir vor allem der Name Hank Green gezogen, da es sich bei ihm um den Bruder des erfolgreichen Bestsellerautors John Green handelt. Natürlich ist es ein bisschen naiv zu sagen, wenn John schreiben kann, dann muss das auch Hank können, aber erkunden wollte ich es definitiv.

Die große Stärke dieses Romans ist ganz sicher der Erzählstil. Der Leser wird immer wieder direkt angesprochen und dadurch wird ein Gefühl von Interaktivität erzeugt, das dem Medium Buch nun mal normalerweise nicht gegeben ist. Zudem wird man nicht nur angesprochen à la: „Ich will dir mal was erzählen…“, sondern die Erzählerin geht davon aus, dass man die Geschichte bereits kennt und dass man sie nun aus ihrer Sicht erzählt bekommt. Dadurch entstehen ein paar Kniffe, die es ermöglichen mit typischen Lesegewohnheiten zu spielen, wie z. B. dass es viele gibt, die bis zum Ende vorblättern und dann entscheiden, ob sie weiterlesen. Ein weiterer Vorteil des Stils ist, dass man für die Erzählerin, April, Sympathien entwickelt, obwohl sie im Fortgang der Handlung nicht immer positiv wegkommt. Durch ihre reflexive Nachbetrachtung bewertet sie sich aber selbst, so dass man sich ihr letztlich doch nahefühlt. Auch dies würde ich als Kniff bezeichnen, der gelungen ist.

Während der stilistische Teil der Geschichte noch gut zu packen ist, wird es bei dem Inhalt des Romans schon schwieriger, ohne anderen Lesern zu viel vorwegzunehmen. Grob kann man sagen, dass es sich wirklich um eine hochintelligente Betrachtung der aktuellen digitalen Welt handelt, die aber auch ein zentrales Sci-Fi-Element mit reinnimmt, das ich nicht nennen möchte, weil es eben die zentrale Überraschung der Handlung ist. Man hat durchaus manchmal das Gefühl, dass die Handlung sich in ferner Zukunft abspielen muss, aber andererseits ist alles so realitätsnah, dass einem klar wird, genauso könnte es sich jeden Moment tatsächlich zutragen. Aber nicht nur die ganzen einzelnen Handlungsbögen sind sehr intelligent und weitsichtig gestaltet, sondern auch die Reflexion des Ganzen. Nicht nur April reflektiert sich selbst, sondern durch April reflektieren wir auch die Vor- und Nachteile der digitalen Welt. Natürlich merkt man schnell, dass es sich um eine Ansammlung von Gedanken handelt, die jeder schon mal hatte, Green erfindet also keine neuen Ansätze, aber diese fiktiv so geschickt verpackt zu sehen, das ist das Highlight.

Auch wenn das Buch eine klare Botschaft hat, die mir persönlich gut gefällt, hatte ich gerade zum Ende hin das Gefühl, dass irgendwie doch etwas fehlt. Vielleicht wollte Green am Ende auch zu viel und hat dadurch ein paar logische Löcher eingebaut. Zudem wirkt das Ende unbefriedigend. Es passt zum Gesamtkontext, dass alles irgendwie offen wirken soll, aber für mich war es eben nicht perfekt. Das ist jetzt wirklich super subjektiv, da es nicht einen Autor gibt, der den Geschmack jedes einzelnen Lesers zu 100% trifft, aber bei mir bleibt immer ein bitterer Beigeschmack, wenn gerade das Ende, das letzte Gefühl, mit dem man das Buch verlässt, Fragen aufwirft. Aber ich gestehe doch ein, dass dies Klagen auf hohem Niveau ist.

Fazit: Ich hätte hinter „Ein wirklich erstaunliches Ding“ niemals das Buch erwartet, was ich bekommen habe. Alleine deswegen würde ich das Leseerlebnis schon jedem Interessierten anraten. Zudem trifft es den Zahn der Zeit wirklich sehr intelligent und auch der Schreibstil erweist sich als spielerisch und experimentell. Ich habe mich jedenfalls sehr gut unterhalten gefühlt. Nur noch eine kleine Warnung: nach dem Namen würde ich definitiv nicht gehen, da Hank und John Green doch sehr unterschiedlich schreiben, aber beide gut.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Doch gar nicht so anders

Die tausend Teile meines Herzens
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Normalerweise werden Colleen Hoovers Bücher bei mir innerhalb des Erscheinungsmonats gelesen, weil sie für mich die Queen von YA und NA in den letzten Jahren geworden ist. Doch viele Leserstimmen, die ...

Normalerweise werden Colleen Hoovers Bücher bei mir innerhalb des Erscheinungsmonats gelesen, weil sie für mich die Queen von YA und NA in den letzten Jahren geworden ist. Doch viele Leserstimmen, die zu „Die Tausend Teile meines Herzens“ reinkamen, sprachen immer davon, wie anders dieser Roman sei. Offenbar hat mich das doch etwas beeinflusst, da nun einige Monate vergangen sind und ich erst jetzt zu ihrem neusten Werk auf dem deutschen Markt gegriffen habe. Das ist die Angst, wenn man Sorge hat, von seiner Lieblingsautorin enttäuscht zu werden. Aber Hoover kann gar nicht enttäuschen und daher war meine Sorge auch vollkommen unbegründet!

Auch nach Beendigung des Buches frage ich mich immer noch ein wenig, warum so viele Leser es als „anders“ empfunden habe. Als anders empfinde ich Bücher bei Autoren immer dann, wenn diese immer dasselbe schreiben und dann mal neue Wege gehen. Aber Hoover ist in meinen Augen keine Autorin, die man in eine Schublade stecken kann. Sie ist vielleicht nicht so wandelbar wie Jennifer L. Armentrout, aber dennoch kann sie überzeugend YA und NA schreiben, immer wieder neue verrückte Ideen entwickeln und lässt dabei nie die Gefühle auf der Strecke. Sicherlich hat sie gewisse Zutaten, die man bei ihr immer findet, aber ansonsten konnte mich jedes Buch von Hoover überraschen und dadurch begeistern.

Ist es nun also anders, weil es sich viel mit Familie beschäftigt und die Liebesgeschichte dadurch nur eine Geschichte von vielen ist? Ich weiß es nicht, ich kann jedenfalls nur sagen, dass ich die Geschichte auf Anhieb als ein Hoover-Werk erkannt habe, alleine schon die Pokalgeschichte ganz am Anfang und dann der verbotene Kuss zwischen Merit und Sagan, da er sie für ihre Zwillingsschwester gehalten hat. Insgesamt hat mich der ganze Ton der Geschichte sehr an „Weil ich Layken liebe“ erinnert. Auch hier geht es um verbotene Gefühle, es geht um Familiendynamiken und man hat jeweils eine Protagonistin, die durchaus an den Nerven zehren kann. Dennoch fand ich Merit komplexer, da es an ihr so viele Seiten zu entdecken gab. Ging sie mir auf den Keks, habe ich im nächsten Moment eine Seite an ihr erlebt, die mir wieder gefallen hat. Ihre Liebesgeschichte mit Sagan ist wirklich süß, echt und anrührend, aber wirklich begeistern konnte mich diesmal der Familienaspekt.

Bei Hoover spielen die Familien meist eine eher untergeordnete Rolle, da die Liebesgeschichte eben so einnehmend ist, aber hier bekommt Merits Familie ganz viel Raum und das finde ich unheimlich spannend, da dieses alternative Familienleben so viele Geschichten bereithält. Zudem lassen sich mit den Charakteren auch viele diverse Themen ansprechen, am meisten überrascht hat mich sicherlich Sagans Geschichte und die interessante Information, dass der Syrienkrieg in den USA ein sehr untergeordnetes Thema ist, während wir uns in Deutschland alleine durch die Flüchtlingskrise schon nicht entziehen konnten. Mir hat es gut gefallen, dass es ständig in der Geschichte gebrodelt hat. So gab es auch viele zwischenzeitliche Höhepunkte, bei denen neue Aspekte aufgedeckt wurden. So wird Lesen zum Erlebnis!

Dennoch ist die volle Wertung bei mir nicht drin, da eben doch nicht alles stimmig war. Einige Begebenheiten innerhalb der Familie waren so extrem gezeichnet, dass sie an manchen Stellen dann zu unglaubwürdig wurden. Zum anderen passte das Tempo der Erzählung nicht immer für mich. Da gab es Enthüllungen, die ich faszinierend fand, die ich weiterverfolgen wollte, aber stattdessen hat Merit, auf deren Perspektive wir angewiesen waren, sich mit anderen Dingen beschäftig, damit ihr dann 50 Seiten später wieder einfällt: „Da war doch was…!“ Das war nicht immer klug gelöst, ist aber im überzeugenden Gesamtkonzept gut zu verschmerzen.

Fazit: „Die Tausend Teile meines Herzens“ ist genauso Colleen Hoover, wie auch alle anderen Bücher die ihren sind, weil ihre unverwechselbare Erzählstimme immer durchdringt. Diesmal haben wir es mit einer YA-Geschichte zu tun, die viele aktuelle Themen anhand einer dysfunktionalen Familie behandelt. Das klappt bis auf einige kleinere Aspekte wirklich sehr gut und ich habe mich in der Geschichte fallenlassen könne, wie ich es auch sonst immer tue!