Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
online

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.04.2019

Starke Bilder, die lange im Gedächtnis bleiben

Der Wal und das Ende der Welt
0

Der Prolog des Romans „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmanger macht neugierig. Der Autor schildert darin in der Retrospektive vergangene Ereignisse an einem unbezifferten Tag im Herbst an dem ...

Der Prolog des Romans „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmanger macht neugierig. Der Autor schildert darin in der Retrospektive vergangene Ereignisse an einem unbezifferten Tag im Herbst an dem sowohl ein nackter Mann am Strand des kleinen Dorfs St. Piran in Cornwall aufgefunden wurde als auch ein Finnwal eben dort gestrandet war. Alljährlich wird bis heute oder morgen – denn es ist nicht klar, in welchem Jahr wir uns befinden - am ersten Weihnachtstag im Gedenken daran ein großes Walfest gefeiert. Nach dem Lesen der Einleitung war ich natürlich gespannt darauf zu erfahren, was damals passiert ist. Erst später wurde mir bewusst, dass John Ironmanger dem Leser hier bereits Hoffnung auf ein gutes Ende seiner Geschichte mit auf den Weg gegeben hat, denn es ist eine erschreckende Dystopie, die er im folgenden aufzeigt.

Joe, 30 Jahre alt, ist Analyst bei einer Bank in London. Seine Abteilung setzt auf fallende Kurse, die sich aus einer Reaktion auf eine bestimmte Krise ergeben. Nur kurze Zeit nachdem er am Strand von St. Pirans aufgefunden wurde, mobilisiert er genügend Bewohner des Orts dazu, sich mit aller Kraft gemeinsam dafür einzusetzen, dass der gestrandete Wal zurück ins Meer findet. Das 300 Seelen-Dorf ist nur über eine versteckt zu erreichende, einzige schmale Straße zu erreichen. Joe erfährt hier einen Zusammenhalt der Einwohner, wie er sie sich vorher kaum vorstellen konnte. Und dann erinnert er sich wieder an den Grund seines Besuchs in St. Piran, der mit dem von ihm berufsmäßig bedienten Softwareprogramms zusammenhängt und ein Horrorszenarium vorausgesagte.

John Ironmanager zeigt uns als Leser auf eine ganz eigene Weise auf, wie viel Bedeutung heute dem Wissen zukommt, dass wir durch Auswertungen von Daten erhalten, die wir online erfasst haben. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten wie beispielsweise der Textanalyse von Tagesnachrichten beeindruckt. Doch können wir uns auf statistische Mittel, die aus einer großen Menge gleichartigen Verhaltens als Reaktion auf bestimmte Ereignisse eine potentielle zukünftige Handlung vorhersagen, grundsätzlich verlassen? Ist Menschlichkeit vorhersagbar? Der Beginn der Geschichte ist beängstigend als genau das eintrifft, was Joe erwartet hat. Die Entwicklung kam mir bekannt vor, denn genau wie ich sollte jeder Leser bereits von der Gefährlichkeit eines Grippeerregers gehört haben. Ich empfand den weiteren Ablauf und die Zusammenhänge als überaus realistisch dargestellt, was mich sehr beunruhigte. John Ironmonger kreiert verschiedenste Charaktere, die gemeinsam eine Dorfgemeinschaft abbilden mit Figuren wie sie in unserer Vorstellung dazugehören.

In seinem Roman „Der Wal und das Ende der Welt“ schafft John Ironmonger starke Bilder, die lange im Gedächtnis bleiben. Er schneidet einige Themen an, allem voran die Möglichkeit der Vorhersage menschlichen Verhaltens, die mich als Leser zum Nachdenken brachten. Welche Bedeutung dem Wal in der Geschichte zukommt sollte jeder selbst herausfinden, indem er das Buch liest, denn gerne empfehle ich es uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Anschauliche Lektüre über ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte

Rheinblick
0

Der Roman „Rheinblick“ von Brigitte Glaser brachte mich handlungsmäßig nach Bonn in das Jahr 1972. Sonja und Hilde, die Protagonistinnen der Geschichte, genießen gerne den Blick über den Rhein auf den ...

Der Roman „Rheinblick“ von Brigitte Glaser brachte mich handlungsmäßig nach Bonn in das Jahr 1972. Sonja und Hilde, die Protagonistinnen der Geschichte, genießen gerne den Blick über den Rhein auf den Drachenfels im Siebengebirge, wie er auf dem Cover zu sehen ist. Ich war auch schon mehrfach hier zu Besuch, weil ich die Gegend sehr mag.

Die 23-jährige Logopädin Sonja Engel wohnt in einer Wohngemeinschaft mit den Studenten Kurt, Max und Tine. Im November 1972 wird ein zunächst geheimnisvoller Politiker eingeliefert, den sie nach einer Stimmband-OP betreuen soll. Es ist der gerade neu gewählte Kanzler Willy Brandt ist. Es stellt sich die Frage, ob er für eine Weile ohne Stimme seine Geschäfte in seinem Sinne fortführen kann oder ob es vielleicht Parteigenossen gelingen wird, sich einen Teil seiner Macht zu eigen zu machen.

Unterdessen herrscht das alltagsübliche Treiben in der Gaststätte „Rheinblick“ von Hilde Kessel. Nach dem Tod ihres Ehemanns vor zwei Jahren führt sie das Lokal alleine weiter. Hier treffen sich Politiker aller Couleur, deren Mitarbeiter und viele Bonner Bürger zum Essen, auf ein Kölsch und zum Gedankenaustausch. Hilde hat sich als diskret erwiesen und wird von manchem Gast ins Vertrauen gezogen. Doch jetzt findet sie sich in einem politischen Intrigenspiel um Postengerangel im Kanzleramt wieder.

Brigitte Glaser schafft es, ein realistisches Bild der Geschehnisse zur Kanzleiwahl und den darauffolgenden Tagen im November 1972 entstehen zu lassen. Neben den historisch verbrieften Persönlichkeiten, wie beispielsweise Brandt, Schmidt, Bahr und Wehner lässt sie auch fiktive Figuren agieren, die ihre eigenen Ecken und Kanten haben. Sonja und Hilde blicken manchmal auf die vergangenen Jahre zurück und haben sich aus ihren Erfahrungen heraus weiterentwickelt. Jedoch wird auf dem politischen Parkett nach wie vor integriert, gehasst und gegeneinander ausgespielt. Die beiden Frauen sind auf ihre Weise damit verknüpft und obwohl das Ränkespiel ihnen bewusst ist, besteht die Schwierigkeit nicht nur darin, unbehelligt aus einer solchen Situation herauszufinden sondern vor allem erscheint es nahezu unmöglich, sich davon fernzuhalten.

Neben der Darstellung der politischen Lage schreibt die Autorin auch über erste Erfolge der Emanzipation von Frauen und über deren Ansehen in der Gesellschaft. Sie schildert das Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft und das studentische Leben. Neben der Hoffnung auf Genesung des Kanzlers bindet sie eine zarte Liebesgeschichte in den Roman ein und lässt in einer Nebenhandlung einen Mord aufklären der verbunden ist mit dem düsteren Kapitel der Misshandlung von Kindern in Heimen. Ebenso trägt ein kurzer Einblick in den Journalismus einer Zeitschrift zur abwechslungsreich ausgestalteten Erzählung des Romans.

Im Anhang findet sich ein Soundtrack, denn die Geschichte wird von Brigitte Glaser mit entsprechender Musik, die damals gehört wurde, unterlegt und viele werden sich beim Lesen an die Lieder erinnern. Anhand einer Literaturliste findet der Leser passende Lektüre über die damaligen Politiker und ihre Zeit, in einem Glossar sind die wichtigste Begriffe aus Wirtschaft und Politik erklärt sowie biografische Daten berühmter Staatsmänner aufgeführt.

„Rheinblick“ ist eine anschauliche Lektüre über ein wenig bekanntes Kapitel der deutschen Geschichte, nämlich der Stimmbanderkrankung von Willy Brandt unmittelbar an seine Kanzlerwahl 1972. Brigitte Glaser lässt die Ereignisse gekonnt authentisch präsent werden und baut nebenher noch durch die Handlungen eine gewisse Spannung auf und hält sie bis zum Schluss. Ich wurde von dem Roman bestens unterhalten und empfehle ihn gerne weiter.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Jugendliebe und Selbstfindung - berührend mit einem Touch Mystik

Nichts als Liebe im Universum
0

„Nichts als Liebe im Universum“ von Cat Jordan ist ein Jugendbuch ab 14 Jahren und es beschreibt die kurze, aber sehr bewegende Romanze zwischen dem 17-jährigen Matthew, von allen Matty genannt und der ...

„Nichts als Liebe im Universum“ von Cat Jordan ist ein Jugendbuch ab 14 Jahren und es beschreibt die kurze, aber sehr bewegende Romanze zwischen dem 17-jährigen Matthew, von allen Matty genannt und der scheinbar von einem anderen Stern gekommenen Priya. Im Original ist das Buch mit „Eight days on Planet Earth“ betitelt, denn genau so lange dauert es, bis Priya das Leben von Matty durch ihre Anwesenheit in seiner Nähe stark verändert. Entsprechend viele Kapitel gibt es im Buch, die außerdem in weitere Abschnitte eingeteilt sind denen eine Tageszeit zugeordnet ist.

Matty lebt auf einer Farm in Pennsylvania, die sein Großvater früher geführt hat. Mattys Vater vernachlässigt den Betrieb und widmet seine Zeit lieber der Beschäftigung mit Außerirdischen, die vor Jahren auf einem Feld hinter der Farm mit ihrem Raumschiff abgestürzt sein sollen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der Vater seine Familie verlässt, begegnet Matty auf eben jenem Feld einem sehr schlanken, weiß-blonden Mädchen, das behauptet von einem anderen Stern zu kommen und die Aufgabe besitzt, Informationen über die Erde und seine Bewohner zu sammeln.

Priya behauptet Matty gegenüber, dass sie von einem anderen Stern kommt. Obwohl im Klappentext deutlich geschrieben steht, dass sie kein Alien ist, wollte ich ebenso wie Matty daran glauben. Geschickt spielt die Autorin hier mit Elementen, die Priyas Aussage unterstützen.

Matty durchlebt gerade ein Wechselbad der Gefühle. Seine Beziehung zum Vater hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, es gab so gut wie keine gemeinsamen Aktivitäten mehr. Matty stellt sich auf die Seite seiner Mutter, ohne die Gründe seines Vaters für sein Verschwinden genauer zu kennen. Er selbst wurde von einer langjährigen Freundin vor kurzem zurückgewiesen als er eine Beziehung beginnen wollte. Vielleicht denkt er, dass er dadurch den Kummer seiner Mutter sehr gut nachvollziehen kann. Er versucht, sie gefühlsmäßig wieder aufzurichten.

Seine Begegnung mit Priya bringt sein Weltbild durcheinander, denn er hat sich gedanklich von den Verschwörungstheorien gelöst, denen sein Vater nachgeht. Und nun spiegelt das Mädchen alles das wieder, was er hinter sich gelassen hat. Seine Skepsis bleibt und dennoch kommen sich die beiden immer näher durch die Hilfsbereitschaft von Matty und seinem wieder geweckten Interesse am Weltraum. Zunächst bleibt es fragwürdig, ob Priya für Matty nur ein Trost für das Fehlen des Vaters und ein Zeitvertreib für die Ferien ist oder Liebe. Aber mit dem Vergehen der wenigen Tage klärt sich die Frage nachdrücklich. Im Laufe der Geschichte gewinnt Matty durch den Umgang mit Priya einige grundlegende Erkenntnisse über das Leben an sich und das Zusammensein.

„Nichts als Liebe im Universum“ ist nicht nur eine Liebesgeschichte sondern beschreibt auch eine Selbstfindungsphase des Protagonisten bei der er emotional wächst. Über dem ganzen Roman liegt ein mysteriöser Touch, der fasziniert und über das Leben außerhalb unseres Planeten nachdenken lässt. Das Ende der Geschichte kommt rasch und bringt eine unerwartete Wendung mit sich, die tief berührend ist und alles verändert. Unbedingte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.03.2019

Berührende Auseinandersetzung mit der Frage, was eine Familie zusammenhält

Worauf wir hoffen
0

In ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ zeigt die kalifornische Autorin Fatima Farheen Mirza auf einmalige Weise, welche Wünsche Eltern für ihre Kinder haben und welche Wege sie dazu gehen, um ihre Vorstellungen ...

In ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ zeigt die kalifornische Autorin Fatima Farheen Mirza auf einmalige Weise, welche Wünsche Eltern für ihre Kinder haben und welche Wege sie dazu gehen, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Gleichzeitig schildert sie auch die Auseinandersetzung der Kinder mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden. Das Cover zeigt einen Baum, der mit seinen Zweigen symbolisch für die Familie steht. Goldglänzende Punkte überstrahlen entlang der schwarzen Äste solche in blau. Sie weisen auf die Freude im Leben hin, die nicht nur der Einzelne für sich empfindet sondern die er auch, natürlich ebenso wie schlechte Erfahrungen, mit seinen Angehörigen teilt.

Hadia ist 27 Jahre alt und die älteste Tochter von Rafir und Laila. Ihre Eltern sind Inder und schon vor ihrer Geburt in Kalifornien zugewandert. Die ganze Familie, zu der noch ihre ein Jahr jüngere Schwester Huda und ihr vier Jahre jüngere Bruder Amar gehören, ist schiitischen Glaubens. Zu ihrer Heirat nach einem indisch-muslimischen Ritual ist auch Amar angereist, der vor drei Jahren im Streit sein zu Hause verlassen hat und zu dem jeder Kontakt abgebrochen war. Als allwissende Erzählerin blickt die Autorin auf die Geschwister und Laila und bringt deren Gefühle zu der unwirklich erscheinenden Situation, dass der verloren geglaubte Sohn heimgekehrt ist, zum Ausdruck. In Rückblicken reist Fatima Farheen Mirza in die Vergangenheit bis zu dem Punkt, als die Ehe von Rafir und Laila vermittelt wurde und zu vielen weiteren für die Familie bedeutenden Ereignissen aus denen sich schließlich der Weggang von Amar ergibt.

In diesem eher ruhig erzählten Roman legt die Autorin viele Stationen ein, um aus zahlreichen Situationen heraus zu erklären, wie es zu der Loslösung des Bruders von seinen Eltern und Geschwistern, verbunden mit Änderungen in seinen Ansichten, gekommen ist. Deutlich wird der Anspruch der Eltern, sich an die von ihren Vorfahren und ihrer Religionsgemeinschaft gesetzten Normen, Werte und Gesetze zu halten. Sie fühlen sich verpflichtet, ihre Traditionen auch fern der Heimat zu leben und an ihre Kinder weiterzugeben, ohne Fragen nach Nachteilen die dadurch gerade ihren Kindern geschehen könnten.

Die Autorin erlaubte mir mit ihren Schilderungen, die nicht wertend aber durchaus kritisch sind, hinter die Fassade des Alltags einer nach indischen und muslimischen Bräuchen lebenden Familie zu nehmen, wie ich es bisher nicht kannte. Auf sehr einfühlsame Weise legt sie die Rolle der Frau in einer solchen Gesellschaft offen und führt aus Sicht der Mutter und der Töchter Argumente an, damit verbunden zu bleiben oder sich davon zu lösen. Sie blickt auf die äußeren Einflüsse, die gerade durch Kindergarten, Schule, Arbeit und Studium nicht vermieden werden können. Innerhalb der Familienangehörigen blickt sie auf die Rollenzuweisungen der Töchter und des einzigen Sohn. Hieraus ergeben sich der Zusammenhalt der Geschwister gegenüber Außenstehenden ebenso wie Eifersüchteleien bis hin zum Hass, geteilte Freude sowie Leid und das Ringen um die Gunst der Eltern. In einem abschließenden Kapitel erzählt Rafik, dessen Sichtweise bis dahin nur durch sein Handeln erkennbar war, seinem Sohn als Ich-Erzähler von seinem Leben drei Jahre nach der Hochzeit Hadias und von seinen Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse in einem versöhnlichen Ton, der den Roman auch mich als Leser mit eine Hoffnung im Herzen zurückließ.

Fatima Farheen Mirza gab mir in ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ Einblicke in einen für mich bisher unbekannten Mikrokosmos einer indisch-muslimischen Familie, die nach Kalifornien ausgewandert ist. Das Buch ist eine berührende Auseinandersetzung mit der Frage, wodurch eine Familie zusammenhält, die zum Nachdenken anregt. Beispielhaft führt die Autorin an, wie es zu einem Bruch in diesem Gefüge kommen kann. Die Geschichte hat mich bewegt und wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben, ich empfehle sie gerne weiter.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Psychologisch durchdacht und sehr gut konstruiert mit grausamen Szenen

Lazarus
1

„Lazarus“ ist mein erster Krimi, den ich von Lars Kepler gelesen habe. Hinter dem Pseudonym Lars Kepler verbirgt sich das schwedische Autorenehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril. „Lazarus“ ist der ...

„Lazarus“ ist mein erster Krimi, den ich von Lars Kepler gelesen habe. Hinter dem Pseudonym Lars Kepler verbirgt sich das schwedische Autorenehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril. „Lazarus“ ist der bereits sechste Fall in dem Joona Linna, ein schwedischer Kommissar der Landeskriminalpolizei mit finnischen Wurzeln, und Saga Bauer, eine operative Kommissarin beim schwedischen Staatsschutz, ermitteln. Dennoch kann das Buch ohne Nachteile unabhängig von den anderen Teilen der Reihe gelesen werden.

Genauso unverhofft wie die biblische Gestalt des Lazarus aus dem Grab auferstanden ist beginnt eine Mordserie, die Linna stark an Jurek Walter erinnert, den sogenannten Sandmann, in dessen Fall er im vierten Band der Reihe tätig war. Allerdings wurde Walter damals von Saga Bauer erschossen. Trotzdem ist sich Linna sicher, dass sein damaliger Widersacher, einer der skrupellosesten Verbrecher die er je kennen gelernt hat, noch lebt. Seine Meinung wird von den Kollegen allerdings nicht geteilt. Linna beginnt mit der Umsetzung seines ganz persönlichen, von langer Hand vorbereiteten Schutzplans für sich und seine Tochter. Denn in der Vergangenheit hat Jurek Walter ihm gedroht, sich an ihm und seiner Familie zu rächen. Ob sein Plan übertrieben ist oder rechtfertigt zeigt sich im weiteren Verlauf der Handlung.

Lars Kepler hat einen ganz eigenen Stil entwickelt, um eine immer wieder beklemmende Szenerie zu schaffen. Dazu sind die Sätze recht kurz, dialoglastig und im Präsens gehalten. Gleich zu Beginn lernte ich die beiden Protagonisten nicht nur bei ihrer Arbeit, sondern auch im Privatleben kennen. Beide sind auf ihre jeweilige Art sympathisch. Die Verbrechen des potentiellen Täters richten sich eventuell als persönliche Rache an die beiden Kommissare und gerade daher rückten die Geschehnisse an mich als Leser besonders nah heran, weil ich natürlich darauf hoffte, dass vor allem die Hauptfiguren unbehelligt bleiben sollten.

Von Anfang an wird Spannung aufgebaut, die bis zum Ende anhält. Die Taten sind meist sehr grausam und daher ist der Krimi nichts für Zartbesaitete. Geschickt wechselt Lars Kepler die Perspektiven, um durch entsprechend Cliffhanger den Thrill noch ein wenig zu erhöhen. An einigen Stellen erscheint auf diese Weise die Handlung auf eine desolate Situation bereits bekannter Personen hinzuführen. Das Ende lässt in Bezug auf einen der Protagonisten viel Raum zum Hoffen und Bangen.

„Lazarus“ ist ein psychologisch durchdachter, sehr gut konstruierter Krimi, der vor brutalen Szenen nicht zurückschreckt und dennoch real denkbar ist. Für alle Leser der Reihe rund um die Kommissare Joona Linna und Saga Bauer ist er ein Muss, aber auch eine Empfehlung für alle anderen Krimileser, die vor blutigen Gemetzeln nicht zurückschrecken.