Schwedischer Retortenkrimi
Eigentlich bin ich kein Fan von nordischen Krimis und Thrillern. Ich kann auch gar nicht genau sagen, wieso ich bisher nicht damit warm geworden bin. Immerhin probiere ich es aber immer wieder. Es gab ...
Eigentlich bin ich kein Fan von nordischen Krimis und Thrillern. Ich kann auch gar nicht genau sagen, wieso ich bisher nicht damit warm geworden bin. Immerhin probiere ich es aber immer wieder. Es gab darunter auch schon Ausnahmen, die mich wirklich begeistern konnten (z.B. „Die Vatermörderin“ und „Das Seegrab“ – beide von Carina Bergfeldt). Nun ja, ich bin also motiviert und beschwingt an dieses Buch herangegangen, da mir der Einstieg echt unheimlich gut gefiel, und habe gehofft, hier wieder so eine Ausnahme zu finden.
Jonas Moström schreibt sehr angenehm: bildlich – ohne ausufernd zu werden und flüssig – ohne die Sprache zu einfach werden zu lassen. Die Atmosphäre in Uppsala hat er sehr gut beschrieben. Tagsüber ist der Frühling in voller Blüte greifbar, Vögel zwitschern, Blumen sprießen… das nächtliche Uppsala mit seinen historischen Gebäuden jedoch wirkte bedrückend und unheimlich. Ich schätze es sehr, wenn Autoren die richtige Stimmung für die jeweilige Handlung schaffen können. Dies ist Jonas Moström hier perfekt gelungen.
Zu Beginn des Buchs findet sich eine Personenübersicht. Da ich die beiden Vorgänger-Bände um Nathalie Svensson nicht kannte, hat mir das den Einstieg sehr erleichtert. Falls man vorhat, die beiden ersten Bücher jedoch auch noch zu lesen, wird man hier gespoilert. Vorsicht!
„Mitternachtsmädchen“ ist in der Gegenwart und in der Vergangenheit geschrieben. In der Gegenwart begleitet den Leser ein neutraler Erzähler. Vor den Kapiteln ist Datum angegeben. In der Vergangenheit lautet die Zeitangabe nur „früher“. Diese Kapitel drehen sich um einen kleinen Jungen und seine Mutter. Die Personen, die der neutrale Erzähler während des Buchs begleitet wechseln. Es gibt auch eine Täterperspektive, die das Ganze etwas aufpeppt. Alles in allem ist der Aufbau recht einfach gehalten.
Die meisten Charaktere blieben für mich recht blass. Da es sich hier um den bereits dritten Fall für Nathalie Svensson handelt, kann es jedoch daran liegen, dass ich die Vorgänger nicht kenne und mir die persönliche Bindung dadurch fehlt. Nathalie als Hauptfigur wird dem Leser/der Leserin am detailreichsten dargestellt. Trotzdem konnte ich sie nicht immer gut verstehen und manchmal ging sie mir auch ziemlich auf die Nerven. Ständig ging es um ihre Haare, ihr Make-up und ihr Outfit. Außerdem hat sie im Sorgerechtsstreit um ihre Kinder nichts Besseres zu tun als sich für einen One-Night-Stand zu verabreden. Das alles hat sie auf mich oberflächlich wirken lassen. Auch Johan – ein Polizist, der die Ermittlungen ebenfalls als Berater unterstützt – bleibt eher blass. Nathalie und er scheinen sich von früheren Fällen zu kennen und es gibt eine gewisse körperliche Anziehungskraft zwischen den beiden. So ganz nachvollziehbar war dies auch hier für mich nicht. Aber ich nehme an, Fans der Reihe werden sicher die Hintergründe kennen und verstehen.
Leider hatte das Buch für mich einen wirklich großen Makel: Ich fand es nicht spannend genug. Der Sondereinheit werden recht schnell drei Personen verdächtig. Um diese drehen sich dann die kompletten Ermittlungen. Diese scheinen sich aber im Kreis zu drehen. Klar gab es am Ende einiger Kapitel kleinere Cliffhanger, auch waren die Kapitel des Buchs meist recht kurz. Aber trotzdem war ich nicht sehr motiviert weiterzulesen.
Es gab für mich auch ein paar Logikfehler, die mich beim Lesen echt gestört haben. Zum Beispiel werden den Opfern ihre Handys vom Täter abgenommen. Ein Opfer hat jedoch direkt nach dem Überfall eine Freundin angerufen. Wie hat sie das gemacht? Mit einem Münztelefon? Beim dritten Opfer zu Hause wird von den Ermittlern ein vermeintliches Passwort auf dem Schreibtisch gefunden. Nathalie Svensson geht direkt davon aus, dass es sich um ein Passwort für eine bestimmte Dating-Website handelt (auf der sie selbst auch angemeldet ist, aber es niemandem sagt). Das Passwort passt nicht zur Dating-Website, trotzdem wird ein Computer-Spezialist damit beauftragt das Passwort zu hacken. Also hier schien es echt als hätte ich etwas verpasst. Ggf. ist auch bei der Übersetzung etwas verloren gegangen. Beides hat mich jedoch verwirrt. Solche Logiklücken machen mich in Büchern immer etwas unzufrieden. Außerdem gab es ein paar komische Ausdrucksweisen im Buch. Hier ein Beispiel: „… es roch weder nach Chlorophyll noch nach Blumen…“. Wie bitte riecht denn Chlorophyll? Kann mir das jemand sagen?
Ich werde die Reihe um Nathalie Svensson wohl eher nicht weiterverfolgen. Auch wenn ich interessiert bin, wie es mit ihrem Privatleben weitergeht, haben mich doch zu viele Dinge gestört. Ich empfehle das Buch an Reihen-Liebhaber von Ermittlungskrimis, die auch ohne große psychische und stilistische Raffinesse auskommen oder an jeden, der Schweden-Krimis liebt. Ich persönlich wurde leider nicht ganz warm mit diesem Buch.