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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2019

Liebeserklärung an den Winter

Winter
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„...Frühling, Sommer und Herbst ähneln einander. Nur der Winter steht für sich. Die Welt gerät in einen anderen Aggregatzustand: Wasser gefriert. Die Landschaft wird erst kahl, dann weiß. Was macht das ...

„...Frühling, Sommer und Herbst ähneln einander. Nur der Winter steht für sich. Die Welt gerät in einen anderen Aggregatzustand: Wasser gefriert. Die Landschaft wird erst kahl, dann weiß. Was macht das mit den Menschen? Und warum lieben manche gerade dies?...“

Das Buch ist eine Liebeserklärung der Autorin an den Winter. In fünf Kapiteln hat sie die verschiedenen Aspekte dieser Jahreszeit beleuchtet.
Zu Beginn tastet sie sich an die Fragen heran, was Eis und Schnee eigentlich ist und wie Schnee entsteht. Sie greift dabei auf die Erkenntnisse von Kepler und Faraday zurück und verfolgt die Forschungen bis in die Gegenart.
Ein Besuch im Eispalast auf dem Jochfrauenjoch und Informationen zum Eisklettern runden das Kapitel ab.
Im zweiten Abschnitt darf ich die Autorin auf ihren Winterreisen begleiten. Es geht von Oslo aus nordwärts bis Tromso. Dabei lerne ich viel über Land und Leute, aber auch historische Persönlichkeiten, seien es der Maler Munch oder der Polarforscher Nansen.

„...Es war klirrend kalt und somit klar. Dann ging es los. Zarte grüne Lichter stiegen am Horizont auf, wurden kräftiger, sie wehten, als würde jemand pusten. Das Licht wurde immer intensiver, schließlich mischten sich violette Töne hinein...“

Die Beschreibung der Polarlichter zeigt den anschaulichen Schriftstil und die Verwendung treffender Metapher.
Mit der Transsibirischen Eisenbahn geht es dann gen Irkutsk. Eine Fahrt über den Baikalsee ist dabei eingeschlossen. Anschaulich wird mir die Vielfalt der weißen Landschaft nahegebracht.
Die dritte Reise führt zum Nordkap und auf Grönland. Eingebettet im die Reisebeschreibung ist die Geschichte der Gegend.
Im nächsten Kapitel wendet sich die Autorin der Literatur und Malerei über den Winter zu. Winterlieder und Wintergedichte, Wintererzählungen von Adalbert Stifter bis in die Neuzeit werden zitiert, analysiert und kurz zusammengefasst.
Über die Bilder des 17. Jahrhunderts schreibt sie:

„...Die Menschen waren gewöhnt an kalte Winter, sie bewegten sich mit großer Selbstverständlichkeit auf zugefrorenen Flächen. Und: Sie schienen Spaß dabei zu haben...“

Winter in den Bergen kommt selbstverständlich am Thema Skisport nicht vorbei. Die Entstehung der ersten Skier und die Veränderungen im Sport im Laufe der Zeit werden anschaulich und nachvollziehbar beschrieben. Gesellschaftliche Entwicklungen werden deutlich.

„...Als die Frauen doch begannen, Hosen zu tragen, beschwerten sich die Männer, diese entblößten ihre Körperformen. Lange Röcke, Kopftücher, lange Ärmel – das war die europäische Burka des vorigen Jahrhunderts...“

Sehr interessant fand ich die biologischen Ausführungen, wie sich die Tiere an den Winter anpassen. Hier habe ich einiges Neues gelernt.
Natürlich darf das Thema Lawinengefahr nicht fehlen.
Wenige Seiten nur widmet die Autorin dem Ende des Winters. Humorvoll endet das Buch:

„...Der Winter, der alte Schlaumeier, hat für jeden etwas im Sack: Die einen rücken drinnen näher zusammen, die anderen zieht es nach draußen...“

Jedes Kapitel beginnt mit einer Winterzeichnung. Eine umfangreiche Bibliografie ergänzt die Ausführungen. In beiden Umschlagseiten befinden sich Karten.
Die das schlichte Cover auf Leineneinband und das Lesebändchen wirken edel.
Das Buch hat mir wegen seiner Vielseitigkeit und dem ausgefeilten Schriftstil ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Amüsante Zwillingsgeschichte

Die Doppel-Kekse 1: Einmal Zwilling, immer Zwilling
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„...Erwachsene haben immer recht. Außerdem sind wir Zwillinge. Noch dazu Eineiige. Das ist fast wie geklont...“

Lea und Lucie von Leipnitz sind Zwillinge. Ihr Vater ist gleichzeitig auch ihr Mathelehrer. ...

„...Erwachsene haben immer recht. Außerdem sind wir Zwillinge. Noch dazu Eineiige. Das ist fast wie geklont...“

Lea und Lucie von Leipnitz sind Zwillinge. Ihr Vater ist gleichzeitig auch ihr Mathelehrer. Als Lea sieht, wie ihr Vater und die neue Referendarin kurzzeitig die Hände halten, schrillen bei ihr sämtliche Alarmglocken. Und ausgerechnet heute ist auch noch der Hochzeitstag ihrer Eltern.
Die Autorin hat ein humorvolles Kinderbuch geschrieben. Obwohl Lucie und Lea in kritischen Situationen immer zusammenstehen und selbst ihr Opa Pistorix sie nicht auseinanderhalten kann, gehen beide unterschiedlichen Interessen nach. Lea macht zusammen mit Alina Rollkunstlauf, was Lucie nicht interessiert.
Während Lucie und Lea darüber nachdenken, wie sie die Referendarin von ihrem Vater ablenken können, haben ihre Eltern, die von den Kindern immer liebevoll als Butterkekse bezeichnet werden, für die Zwillinge eine Woche im Fun-Park während der Pfingstferien geplant. Das passt denen aber gar nicht.
Der Schriftstil ist gekonnt auf die Zielgruppe zugeschnitten. Schulprobleme werden sehr realistisch dargestellt. Auch sind die Zwillinge stets für Überraschungen gut. Amüsante Unterhaltungen machen das Lesen zum Vergnügen. Es werden aber auch ernste Themen gestreift.
Ein besonderer Protagonist ist der Papagei der Familie. Sein Wortschatz ist gewöhnungsbedürftig.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Mimi sucht ihre Mutter

Die Dinge, über die wir schweigen
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„...Wenn man Mini und ihren Vater sah, würde man bestimmt nicht vermuten, dass sie verwandt waren. Mimi mit ihren blonden, ungebändigten Locken und den grünen Augen, schmal gebaut und mit Sommersprossen ...

„...Wenn man Mini und ihren Vater sah, würde man bestimmt nicht vermuten, dass sie verwandt waren. Mimi mit ihren blonden, ungebändigten Locken und den grünen Augen, schmal gebaut und mit Sommersprossen um die Nase. Und ihr Vater, schwarzgraues dichtes Haar, Tierfell, dachte Mimi manchmal. Dunkle Brauen über den Augen fast wie Kohlestücke, ein schwarzer Vollbart...“

Die 14jährige Mimi lebt mit ihrem Vater allein. Ihre Mutter ist angeblich bei der Geburt gestorben. Warum aber hat Mimi dann manchmal so kurze Erinnerungsträume an ihre Mutter? Sie beobachtet die Menschen und versucht, ihre Mutter dabei zu finden. Deshalb fotografiert sie fremde Frauen.
Dann kommt eine Postkarte von ihrem Onkel Paul, dem jüngeren Bruder der Mutter. Jahrelang hatte er nichts von sich hören lassen. Kurzerhand beschließt Mimi, am ersten Tag der Sommerferien heimlich zu Paul nach Berlin zu fahren.
Die Autorin hat ein bewegendes Kinderbuch geschrieben. Mimi gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Sie will wissen, was es mit ihren Erinnerungen auf sich hat.
Der Schriftstil ist für die Zielgruppe angemessen. Das Thema Schule wird kurz gestreift. Als Leser lerne ich Mimis Freundin kennen und spüre, das es einen Jungen gibt, der sich für Mimi interessiert.
Mimi versteht sich gut mit ihrem Vater. Allerdings hat der Schwierigkeiten zu begreifen, dass sie kein kleines Kind mehr ist. Andererseits ist im häuslichen Bereich immer eine Art Trauer zu spüren.
Ab und an darf ich einen Blick in Mimis Erinnerungen werfen. Sie werden kursiv wiedergegeben. Ein bisschen wundert es mich, dass sich Mimi nie fragt, warum die Mutter nichts von sich hören lässt, wenn sie noch lebt.
Die Reise nach Berlin wird für Mimi zu einer Reise in die Vergangenheit der Familie. Paul charakterisiert seine Schwester so.

„...Ich wusste oft nicht, mit welcher Schwester ich es gerade zu tun hatte. Mit der wütenden Katharina, die wie ein Sturm über dich hereinbrechen konnte, oder mit der glücklichen Katharina, die mit den Füßen auf den Wolken tanzte...“

Doch nicht in Berlin bekommt Mimi ihre Antworten. Dort weicht Paul ihren Fragen noch aus, insbesondere als sie sagt, sie möchte wenigstens einmal am Grabe der Mutter gestanden haben. Zusammen mit seinem Freund Kalle macht sich Peter mit Mimi auf nach Thüringen zu seiner Mutter. Die Reise ist für Mimi eine entscheidende Station auf ihrem Weg zum Erwachsenenwerden. Sie lernt, dass das Leben nicht nur Schwarz oder Weiß ist und dass sich manche Entscheidungen hinterher als falsch erweisen können.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es bringt auch mich als Erwachsenen zum Nachdenken.

Veröffentlicht am 01.03.2019

Ermittlungen im Weinviertel

Das letzte Achtel
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„...Aber die Berlakovic wurde nicht umsonst Auskunftsbüro genannt. Das Wesen eines Auskunftsbüros ist es ja, Auskünfte zu erteilen, aber um Auskünfte erteilen zu können, muss man die gewünschten Informationen ...

„...Aber die Berlakovic wurde nicht umsonst Auskunftsbüro genannt. Das Wesen eines Auskunftsbüros ist es ja, Auskünfte zu erteilen, aber um Auskünfte erteilen zu können, muss man die gewünschten Informationen zunächst einmal beschaffen. Notfalls auch unter größter Gefahr. Und manchmal muss ein Auskunftsbüro tun, was ein Auskunftsbüro tun muss...“

Schober ist im Weinviertel unterwegs. Da sieht er auf einem Feld einen Toten liegen, umgeben von 37 Rohrweihen. Er ruft Berger, den örtlichen Polizisten, an. Plötzlich hält ein Auto. Schober wird betäubt. Als er wieder zu sich kommt, sind die Vögel verschwunden. Außerdem behauptet Berger, keinen Anruf erhalten zu haben. Schober führt ein Gespräch mit Wien. Dieses Gespräch bekommt die Berlakovic mit. Darauf bezieht sich das obige Zitat. Ihr Vorgesetzter schickt die Polizisten Sepp Schierhuber und Josef Hawelka inkognito nach Retz, um die Angelegenheit aufzuklären. Laut Dienstreiseauftrag allerdings sind sie zu einer Tagung in Hamburg.
Der Autor hat erneut einen spannenden und unterhaltsamen Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
In Retz werden einige Leute sehr aktiv. Der Jagdverein sieht sich durch die Rohrweihen an den Pranger gestellt. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, mussten die Vögel verschwinden. Plötzlich kocht ein alter Marillendiebstahl wieder hoch. Sollten persönliche Rivalitäten für den Tod von Kramer gesorgt haben? Und welche Rolle spielt der Wiener Stephansdom, dessen Bauzahl die 37 ist?
Der Dorfklatsch nimmt das Flüchtlingsheim aufs Korn. Das liest sich so.

„...“Na, der hat doch Schnaps gebrannt, der Kramer. Da sind die besonders heikel, die Mohammedaner.“ „Heikel?“ „Alkohol ist verboten.“ „Na, sag ich`s nicht – keine Kultur.“...“

Der Autor führt mich wiederholt in die Unterwelt von Retz. Schierhuber und Hawelka machen ebenfalls unangenehme Erfahrungen mit dem Kellersystem des Ortes.
Auch in Retz gibt es ein gutes Auskunftsbüro. Das ist die ehemalige Pfarrköchin Luise Bednar. Während die Männerwelt dem Alkohol huldigt, kommen die Damen der Lösung des Falles schnell näher. Man redet mit- und übereinander. Dabei zeigen sich überraschende Verwandtschaftsverhältnisse.
Mir gefällt der Humor der Geschichte. Ein Beispiel dafür ist das folgende Zitat:

„...Na geh, wenn in einer Kleinstadt wie Retz einer aufstößt, dann wissen zwei Stunden später alle, was er gegessen hat. Und mit wem und wo und warum...“

Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören die gut ausgearbeiteten Gespräche. Sie geben einen Einblick in die Lebensweise im Weinviertel und dem Buch damit seine lokale Authentizität.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Bewegende Lebensgeschichte

Geborgen im Schatten deiner Flügel
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„...Es waren die Tränen eines Kindes, das noch zu klein war, um die Bedeutung des Wortes Antisemitismus zu begreifen. Ich verstand nur, dass mein Traum, die beste Balletttänzerin der Welt zu werden, zerbrochen ...

„...Es waren die Tränen eines Kindes, das noch zu klein war, um die Bedeutung des Wortes Antisemitismus zu begreifen. Ich verstand nur, dass mein Traum, die beste Balletttänzerin der Welt zu werden, zerbrochen war. Und das es keine Rolle spielte, warum man uns verfolgte...“

Anita ist sechs Jahre alt, als in der Zeitung ihr Balletttanz lobend erwähnt wird. Gleichzeitig wird allerdings darauf hingewiesen, dass man nicht auf jüdische Tänzerinnen angewiesen ist. Das Eingangszitat ist die Reaktion des Kindes auf den Zeitungsartikel.
Anita lebte in Breslau. Ihr Vater ist Deutscher, die Mutter deutsche Jüdin. 1933 verlässt der Vater die Familie.
Anita erzählt ihr Leben von 1933 bis 1945. Das Besondere daran ist, dass sie schon als Kind den Weg zum christlichen Glauben gefunden hat, wie das folgende Zitat belegt:

„...In diesem Moment in der Kirche hatte einfach der Geist Gottes ein kleines sechsjähriges Mädchen berührt, das wenige Jahre später sein Kreuz aufnehmen und Jesu nachfolgen sollte...“

Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Sachlich werden an vielen Stellen die politischen Zustände geschildert. Bewegend dagegen lesen sich die persönlichen Erlebnisse. Den Staat interessierte nicht, dass Anita und ihre Mutter getauft waren und der christlichen Kirche angehörten. Im Sinne des Nationalsozialmus waren sie Juden. Das bedeutete Diskriminierungen in der Schule und die Pflicht zu Zwangsarbeit für die Mutter. Gut wird dargestellt, wie Pastor Hornig sich um die Familie kümmert, obwohl er sich damit selbst in Gefahr brachte.
Mit dem Umzug ins Getto endet für Anita die Kindheit. Sie erlebt, wie nach und nach die Nachbarn verschwinden und nie wieder erscheinen. Da sie bewusst ihren Glauben lebt, kommt es zu Spannungen. Viele Juden geben den Christen die Schuld für ihre Probleme. Gleichzeitig vermittelt die Autorin, dass man versucht, ein normales Leben aufrecht zu erhalten. Es werden Freundschaften geschlossen und man hilft sich gegenseitig.
Immer wieder werden geschickt Informationen um Kriegsverlauf in das Geschehen eingebunden.
Der nächste Einschnitt kommt, als Anitas Mutter ins KZ Theresienstadt gebracht wird. Nun ist die 16jährige auf sich gestellt. Auf wunderbare Weise erlebt sie dabei Bewahrung und Schutz, sei es beim Überstehen schwerer Krankheit oder bei der Lastenverteilung auf der Arbeit.

„...Ich sah dem Mann, der mir zuvor seinen mitleidigen Blick geschenkt hatte, tief in die Augen...“

Das Zitat bezieht sich auf einen der Gestapo-Männer, der ihr ein letztes Beisammensein mit der Mutter vor deren Deportation ermöglicht hat. Es zeigt außerdem, dass Anita eine gute Beobachterin war und die feinen Unterschiede im Verhalten der Menschen wahrgenommen hat.
Nicht immer kann sie nachvollziehen, warum manche Dinge so geschehen, wie sie geschehen. Doch sie erlebt Menschen, die für sie wie Engel sind, weil sie an einer entscheidenden Stelle den Weg ebnen. Dass sie die Bombardierung Dresdens auf offener Straße unbeschadet übersteht, ist ein Wunder.
In jeder Situation versucht sie, ihren Glauben weiterzutragen. Gleichzeitig betet sie um Vergebung und Einsicht bei den Tätern.
Etwa ab Mitte des Buches endet jedes Kapitel mit einem Bibelzitat.
Persönliche Bilder schließen das Buch ab.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen, weil sie sehr persönlich gehalten ist und die Kraft thematisiert, die ein fester Glaube bringt.