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Veröffentlicht am 03.03.2019

Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern. (Coco Chanel)

Goldene Hochzeit
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Johanna Mertz blickt mit 68 Jahren auf ein ereignisreiches Leben zurück. Bald feiert sie goldene Hochzeit. Mit 18 Jahren hat sie noch an die große Liebe geglaubt und bei der Begegnung mit Ulrich diese ...

Johanna Mertz blickt mit 68 Jahren auf ein ereignisreiches Leben zurück. Bald feiert sie goldene Hochzeit. Mit 18 Jahren hat sie noch an die große Liebe geglaubt und bei der Begegnung mit Ulrich diese gefunden zu haben. Schon bald kommen die Kinder und die Normalität hält Einzug in das Eheleben. Die Familie zieht nach Indonesien, als Ulrich dort ein Angebot einer Universität annimmt. Doch das Familienglück bekommt Risse, denn Ulrich ist Johanna nicht treu. Johanna erträgt und schweigt, bis es ihr zu viel wird und sie es nicht länger hinnehmen will. Um sich von den Unzulänglichkeiten und der Gleichgültigkeit ihres Ehemannes abzulenken, legt sie sich einen heimlich einen Brieffreund namens Andreas zu. Als die Planung für ihre Goldene Hochzeit ansteht, deren Feier die gesamte Familie in Bali begehen möchte, sorgt Johanna dafür, dass alle ein Rückflugticket haben, nur sie nicht…
Helga Hammer hat mit ihrem Buch „Goldene Hochzeit“ einen interessanten und anrührenden Roman vorgelegt, der den Leser mit einem ruhigen und unaufgeregten Erzählstil in das Leben einer Familie und das von Johanna Mertz im Besonderen führt und so manche Abgründe zutage fördert, die einen schaudern lassen und sich die Frage zu stellen, wie viele Familien wohl dieses Leben tatsächlich heute auch noch so führen. Von Beginn an steht der Leser an Johannas Seite und lernt ihr Leben in allen Facetten kennen. Die Kränkungen durch den Ehemann, die Lieblosig- und Gleichgültigkeit, aber auch das Abstumpfen von Johanna lassen den Leser nicht kalt. All dies schluckt Johanna stoisch hinunter, dass man sie oftmals schütteln und anspornen möchte, sich endlich zur Wehr zu setzen. Doch Johanna ist ein Kind ihrer Zeit, einer Generation, wo Frauen noch für Kind und Herd verantwortlich waren und ansonsten nichts zu melden hatten. Irgendwann aber scheint sich in Johanna ein Schalter umzudrehen, sie scheint innerlich durch die ständigen Verletzungen von einer Wut beflügelt zu sein, die ihr die Kraft gibt, langsam Widerstand aufzubauen und sich eigene Ziele zu setzen. Die Autorin zeichnet ein sehr intensives Bild dieser wachsenden Rage und steigert durch dies auch die Spannung, die sich unterschwellig immer weiter aufbaut.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet und wirken mit ihren individuellen Ecken und Kanten wie aus dem wirklichen Leben, was es dem Leser leicht macht, sich in sie hineinzuversetzen und ihren Gedanken- und Entscheidungsgängen zu folgen, wenn auch nicht alles gutzuheißen. Johanna ist eine Frau ihrer Zeit, die dazu erzogen wurde, Hausfrau und Mutter zu sein. Wie jede junge Frau hat sie Träume über die große, allumfassende Liebe, die ewig dauert und nie vergeht. Doch mit den Jahren landet sie auf dem Boden der Tatsachen, verliert sich selbst innerhalb des Familiengerüsts und unterdrückt über lange Zeit ihre eigenen Wünsche, bis sie fast daran erstickt. Erstaunlich ist, wie lange sie den Betrug ihres Ehemannes schluckt, ohne die Konsequenz zu ziehen. Man möchte sie manchmal regelrecht anbrüllen, dass sie alles so stoisch erträgt. Doch zeigt Johanna auch, dass es nie zu spät ist, etwas zu ändern und das Leben nochmals in neue Bahnen zu lenken. Dazu ist Mut, Kraft und Entschlossenheit unerlässlich.
„Goldene Hochzeit“ ist ein intensives Porträt über ein Familienleben, vor allem aber über eine Frau, die kurz vor der Selbstaufgabe Ambitionen zeigt, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.03.2019

"Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, frag nach Salz und Tequila."

Limonadentage
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Averys Kindheit ist mit ihrem Jugendfreund Cade untrennbar verbunden. Unzertrennlich waren sie und haben alles miteinander unternommen. Sie waren sich selbstverständlich und ein Leben ohne einander geradezu ...

Averys Kindheit ist mit ihrem Jugendfreund Cade untrennbar verbunden. Unzertrennlich waren sie und haben alles miteinander unternommen. Sie waren sich selbstverständlich und ein Leben ohne einander geradezu undenkbar, nicht nur für sie beide. Aber nach dem Highschoolabschluß gibt Cade Avery völlig überraschend den Laufpass und kehrt ihr den Rücken. Für Avery ist das Ende unbegreiflich, es gab keinen Streit und auch sonst war doch alles so wie immer. Avery braucht Jahre, um ihre Wunden zu lecken und ihrem Leben ohne Cade eine neue Richtung zu geben. Für die Karriere zieht sie nach Boston und lebt in einer liebevollen Beziehung, die Wunden der Vergangenheit scheinen endlich überwunden. Doch dann steht Cade auf einmal zufällig vor ihr. Die Erinnerungen übermannen Avery und lassen die damalige Zeit Revue passieren. Aber auch ihre Gefühle sind in Aufruhr, warum taucht er ausgerechnet jetzt auf und bringt sie so durcheinander? Geht es ihm ebenso wie ihr? Gibt es doch noch ein Miteinander?
Annie Stone hat mit ihrem Buch „Limonadentage“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Liebesroman vorgelegt. Der Schreibstil ist locker-flüssig und mit einer kleine Prise Humor gewürzt, der Leser wird schnell in die Seiten hineingesogen und darf unsichtbar an einer wundervollen Freundschaft teilhaben, bei der er sich in seine eigene Kindheit zurückversetzt fühlt und alten Erinnerungen nachhängt. Gleichzeitig hat er das Privileg, sowohl die Gedanken und Gefühle von Avery als auch die von Cade kennenzulernen und die verschiedenen Beweggründe zu erfahren, die sie im Laufe der Zeit zu dem gemacht haben, was sie nun in der Gegenwart verkörpern. Geschickt lässt die Autorin durch Rückblenden die Vergangenheit der beiden Hauptprotagonisten wieder aufleben und deren enge Verbindung erkennen, die die Gefühlswelt der beiden auf Dauer so geprägt hat. Mit charmantem Witz lasst die Autorin den Leser an Begebenheiten teilhaben, die die Situation immer wieder auflockern, wenn es zu emotional wird.
Die Charaktere sind sehr individuell und liebevoll ausgestaltet und lassen sie lebendig und realitätsnah wirken. Mit ihren Eigenwilligkeiten wachsen sie dem Leser schnell ans Herz und lassen ihn mit ihnen leiden, fiebern, hoffen und bangen. Avery ist eine nette und leicht chaotische Frau, die nach außen hin tough wirkt, aber einen sehr empfindsamen und sensiblen Kern in sich versteckt. Sie ist hilfsbereit und immer für einen Spaß zu haben. Cade ist ein offener und humorvoller Mann, der alles ausprobiert und dem Leben so viel abtrotzen will wie möglich. Er ist wortgewandt, kann aber auch verletzend sein, was man ihm so gar nicht zutrauen will. Auch die Nebenprotagonisten steuern mit ihren Auftritten zur Handlung bei und lassen sie rundum gelungen wirken.
„Limonadentage“ ist ein schöner Unterhaltungsroman, in dem sich alles um Freundschaft, Verrat, Gefühle und Liebe dreht. Wohlfühllesestunden sind hier garantiert, aber Achtung: Taschentuchalarm! Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.03.2019

Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste - Heinrich Heine

Die verborgenen Stimmen der Bücher
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Der junge Emmett Farmer soll einmal den elterlichen Bauernhof übernehmen, doch nach einer schweren Erkrankung ist er noch nicht wieder in der Lage, die Arbeit dort wieder aufzunehmen. Da erreicht ihn ein ...

Der junge Emmett Farmer soll einmal den elterlichen Bauernhof übernehmen, doch nach einer schweren Erkrankung ist er noch nicht wieder in der Lage, die Arbeit dort wieder aufzunehmen. Da erreicht ihn ein Brief mit der Nachricht, dass er bei der bekannten Buchbinderin Seredith, die in den Sümpfen lebt, in die Lehre gehen soll, obwohl Bücher seit einiger Zeit aus dem Leben der Menschen verbannt wurde. Mit dem Einverständnis seiner Eltern macht sich Emmett auf den Weg zu Seredith, wo er ihr mit einfachen Arbeiten zur Hand geht. Dabei erfährt er, dass er unter dem Buchbinderfieber gelitten hat und lernt nebenbei das Veredeln von Büchern. Doch Emmet ist misstrauisch, denn nirgendwo sieht er Bücher. Langsam dämmert ihm, dass es sich um ein Geheimnis handeln muss, dass Seredith umgibt. Warum tauchen Menschen bei Seredith auf, die völlig verändert wieder verschwinden. Welche Gabe besitzt sie und warum ist ausgerechnet Emmett als ihr Lehrling auserkoren?
Bridget Collins hat mit ihrem Roman „Die verborgenen Stimmen der Bücher“ einen sehr unterhaltsamen, spannenden und fantastisch angehauchten Debütroman vorgelegt, der durch einen wunderschön bildhaften, fesselnden und atmosphärischen Schreibstil besticht und den Leser in eine völlig fremde faszinierende vergangene Welt im alten England entführt, in der Bücher verpönt waren und das Leben der Menschen durch Magie verändert werden konnte. Die Autorin versteht es hervorragend, eine düstere und bedrohliche Welt vor dem inneren Auge des Lesers zu erschaffen, indem sie sich innerhalb der Geschichte einiger ernster Themen bedient, die von Missbrauch, Suizit, Alkoholmissbrauch und sogar Inzest handeln. Doch Collins zeichnet auch ein schönes und berührendes Bild, das dann wieder entschädigt. Die Handlung ist in drei Abschnitte unterteilt, wobei einer die Gegenwart von Emmett behandelt, ein zweiter seine verlorenen Erinnerungen preisgibt. Der dritte lässt den Leser in Lucians Kopf hineinsehen und die Zusammenhänge langsam erkennen, die vorher noch wie offene Fäden herumhingen. Der Spannungsbogen ist während der gesamten Handlung gleichmäßig hoch, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann.
Die Charaktere sind sehr liebevoll mit Leben versehen worden und setzen sich sofort ins Leserherz, so dass Mitfiebern und Miträtseln leicht fällt. Emmett ist ein toller Protagonist. Macht er zuerst den Eindruck einer simplen Seele, wird man schnell eines Besseren belehrt, denn er ist nicht nur liebenswert, sondern neugierig auf die Dinge, die ihm begegnen und stellt nach und nach die richtigen Zusammenhänge fest. Lucian Darnay ist ein Adelsspross, der sehr unter seinem Vater zu leiden hat. Er wirkt nach außen selbstbewusst, selbstgerecht und gefährlich, aber insgeheim ist er eine geschundene Seele. Seredith ist eine geheimnisvolle Frau, die über Gaben verfügt, die den Menschen nicht nur helfen, sondern sie auch in eine Abhängigkeit treiben, die nicht absehbar ist. Ebenso faszinieren weitere Protagonisten wie Alta oder Emmetts Schwestern und geben der Geschichte zusätzliche Impulse.
„Die verborgenen Stimmen der Bücher“ ist ein sehr gelungenes Debüt, das den Leser in eine fantastische Welt katapultiert und berührend und eindrucksvoll unterhält. Für alle, die sich gern in Fantasiewelten bewegen oder aber dieses Genre mal ausprobieren wollen. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.03.2019

Nichts ist, wie es scheint

Der Club der singenden Metzger
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20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg wandert der aus Süddeutschland stammende junge Metzgermeister Fidelis Waldvogel mit seiner Frau Eva nach Amerika aus, um in dem kleinen ...

20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg wandert der aus Süddeutschland stammende junge Metzgermeister Fidelis Waldvogel mit seiner Frau Eva nach Amerika aus, um in dem kleinen Ort im amerikanischen North Dakota einen Neuanfang zu wagen. Fidelius eröffnet eine Metzgerei, um den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern. Um seinen Wurzeln auch in Amerika Rechnung zu tragen, gründet Fidelis einen Gesangsverein und findet bald einige Mitglieder, die wie er das Singen lieben. Als Eva sich mit Delphine anfreundet und diese in der Metzgerei eine Anstellung findet, erlebt die Metzgerei einen regelrechten Aufschwung, was wohl auch an Delphines interessantem Vorleben liegt, ist sie doch als Akrobatin durchs Land getingelt. Doch Delphine bringt nicht nur die Kasse zum Klingeln, sondern auch einiges an Unruhe in das Leben von Fidelius und Eva…
Louise Erdrich hat mit ihrem Roman „Der Club der singenden Metzger“ einen sehr unterhaltsamen und atmosphärischen Roman vorgelegt, der den Leser schnell durch die besonders flüssige, detaillierte und eindringliche Erzählweise der Autorin in den Bann schlägt. Erdrich, selbst mit indianischen Wurzeln ausgestattet, lässt den Leser wieder einmal teilhaben an der Kultur, den Handlungsweisen und Charakterzügen ihrer Vorfahren sowie an den Schicksalsschlägen, die diese zu erleiden hatten. Gleichzeitig erschafft sie mit Fidelis Waldvogel und Delphine zwei Personen, die in einem kleinen amerikanischen Örtchen wie Paradiesvögel von allen erst einmal misstrauisch beäugt, aber dann doch schnell in die Gemeinschaft integriert werden, da sie der Allgemeinheit und dem Zusammenleben dienen. Dabei lässt die Autorin dem Leser genügend Raum, um die mal humorvollen, mal bedrückenden Zwischentöne zwischen den Zeilen wahrzunehmen, die das Miteinander der Ureinwohner und Neuamerikaner begleiten und oftmals auch auf den dort herrschenden Rassismus hindeuten, unter dem die Indianer zu leiden haben. Mit gut platzierten Wendungen wartet die Autorin ebenfalls auf, so dass die Geschichte nicht vorhersehbar ist und für den Leser bis zum Ende überraschend bleibt.
Die Charaktere sind ausgesucht feinfühlig und interessant besetzt, sie strahlen Individualität sowie Authentizität aus, der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen. Fidelis ist ein mutiger Mann, der sich aus seiner gewohnten Umgebung ins Ungewisse wagt, um dort völlig neu anzufangen. Er ist zudem ein Mann, dem ein Wort noch gilt und der sich seine eigenen Traditionen bewahrt. Eva ist ihm eine treue Ehefrau, die mit der Eingewöhnung zu Beginn ihre Probleme hat, jedoch die Sicherheit ihres Ehemannes genießt, was sie an Stärke gewinnen lässt. Die Freundschaft mit Delphine ist eine willkommene Abwechslung, die sie von ihrem Heimweh ablenkt. Delphine ist eine junge Frau, die ein hartes Leben auf der Straße geführt und nun zum ersten Mal eine etwas gesicherte Stellung innehat. Sie ist allerdings auch eine geheimnisvolle Frau, deren Wesen und Beweggründe nicht so leicht zu durchschauen sind.
„Der Club der singenden Metzger“ ist ein intensiv erzählter Roman, dessen Ausgang den Leser noch überraschen kann und ihn in Gedanken noch beschäftigt, wenn die letzte Seite gelesen ist. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.03.2019

»Ich bin deine Recherche, wenn du meine Illusion bist«

Writers in New York
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Um der Enge ihres Elternhauses in Alabama zu entkommen, schreibt sich Indiana Thomson an der Columbia Universität für den Studiengang Kreatives Schreiben ein, denn sie möchte sehr gern Schriftstellerin ...

Um der Enge ihres Elternhauses in Alabama zu entkommen, schreibt sich Indiana Thomson an der Columbia Universität für den Studiengang Kreatives Schreiben ein, denn sie möchte sehr gern Schriftstellerin werden sehr zum Unverständnis ihrer Eltern. Da kommt diese Auszeit von ein paar Monaten gerade recht, wo sie mal machen kann, was sie möchte. New York überrascht Indiana in vielerlei Hinsicht, vor allem ihr Nachbar Alec Carter ist ihr sofort sehr sympathisch und stellt sich sogar noch als Uni-Kommilitone heraus, besucht er doch den gleichen Kurs wie sie. Alec ist der typische Frauenheld, investiert keine Gefühle, sondern will nur eine gute Zeit haben. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass ihm Indiana so unter die Haut geht. Aber fühlt Indiana auch so?
G.S. Lima hat mit ihrem Buch „Writers in New York“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Liebesroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und zeugt von besonderer Sensibilität den Protagonisten gegenüber. Die Autorin schafft es mit wenigen Sätzen, den Leser in ihre Geschichte hineinzuziehen, wo er einen Logenplatz einnimmt, um sowohl Indiana als auch Alec und ihre Lebensverhältnisse, Einstellungen, Gedanken und Gefühle kennenzulernen. Durch die wechselnden Erzählperspektiven wird die Geschichte locker erzählt und kann zwar nicht mit großen Überraschungen aufwarten, aber die eher ruhige Erzählweise tut ihres dazu, dass man sich als Leser wohlfühlt und bei der Stange bleibt. Neben der zwischenmenschlichen Handlung lässt die Autorin den Leser auch daran teilhaben, was ihr das Schreiben bedeutet. Sie jongliert mit Worten, immer treffend und zielgenau, manchmal poetisch, dann mal vulgär, aber immer geht es um das Arbeiten mit Sprache, was hier sehr kunstvoll zelebriert wird und nebenbei klar macht, welche Kraft Worte eigentlich besitzen.
Die Charaktere sind sehr individuell ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie wirken authentisch und der Wirklichkeit entsprungen, so dass der Leser keinerlei Probleme hat, sich in sie hineinzuversetzen, um ihre Gefühlswelt zu verstehen. Indiana ist eine junge Frau, die sich von ihren Eltern eingeengt und gegängelt fühlt. Sie hat für ihr Leben völlig andere Vorstellungen, sehnt sich danach, sich dem Schreiben zu widmen, wenn sie auch noch unsicher ist, worüber und wie sie schreiben soll. Bisher fehlt ihr einfach die Erfahrung, so dass man ihre Unsicherheit sehr gut spüren kann. Alec ist ein eher nüchterner Mann, der mit Gefühlen nichts anfangen kann. Für ihn sind Erlebnisse und tatsächliche Ereignisse eher eine Inspiration gepaart mit der nötigen Recherche. Dabei fehlt ihm das Quäntchen an Emotionalität, das seinen Geschichten Glaubhaftigkeit verleihen könnte. Alec wirkt oftmals irgendwie weltfremd, obwohl er Indiana gegenüber über das Leben doziert. Man denkt immer wieder, dass er besser seine eigenen Ratschläge mal beherzigen sollte, damit das Leben nicht an ihm vorbeirennt.
„Writers in New York“ ist ein interessanter und gleichzeitig lesenswerter Roman, bei dem es nicht nur um zwischenmenschliche Beziehungen geht, sondern auch um die Macht der Sprache, der Worte, die verletzend, anrührend, berührend oder auch nur beschreibend sein können, aber immer eine Kraft haben, den Menschen zu überzeugen, zum Nachdenken zu bringen oder auch nur zu unterhalten. Verdiente Leseempfehlung!