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Veröffentlicht am 11.03.2019

Bereit für Urlaub in der Provence?

Das Honigmädchen
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„Hinter jedem Rätsel steckt eine Geschichte, die es sich zu erzählen lohnt.“ (S. 188)
Welches Geheimnis steckt hinter der kleinen Honigmanufaktur im französischen Bergdorf Loursacq und ihrem Betreiber ...

„Hinter jedem Rätsel steckt eine Geschichte, die es sich zu erzählen lohnt.“ (S. 188)
Welches Geheimnis steckt hinter der kleinen Honigmanufaktur im französischen Bergdorf Loursacq und ihrem Betreiber Henri Lambert, an dem Camillas Vater unbeirrt festhält, auch wenn die Manufaktur schon lange nicht mehr die vereinbarten Mengen liefert? Camilla strukturiert seit 3 Jahren das Feinkost-Unternehmen ihrer Familie um und hat den Umsatz damit deutlich steigern können. Bisher hat ihr Vater ihr dabei freie Hand gelassen, aber an Henri Lambert hält er unbeirrt fest. Beruflich tritt Camilla also auf der Stelle und auch privat läuft es alles andere als gut. Ihr neuer Nachbar Tobias feiert fast jede Nacht Partys, ihre 15jährige Tochter Marie hasst sie und droht, von der Schule zu fliegen. Da die Sommerferien bevorstehen, „verordnet“ ihr Vater ihnen eine Reise in die Provence. Camilla soll endlich mal wieder mit Marie Urlaub machen und sich dabei quasi nebenher Lamberts Manufaktur ansehen. „Vergiss den Job einfach mal Camilla. Lerne staunen.“ (S. 57) Widerwillig stimmt Camilla zu. Allerdings setzt Marie durch, dass Nachbar Tobias sie begleiten muss. Ihn mag sie im Gegensatz zu ihrer Mutter nämlich.

Marie ist ein sehr aufmüpfiger Teenager und gibt ihrer Mutter die alleinige Schuld an der Scheidung ihrer Eltern vor ein paar Jahren. Sie rebelliert, schwänzt die Schule und betont immer wieder, dass sie lieber bei ihrem Vater wohnen will. Camilla steht diesem Verhalten ziemlich hilflos gegenüber und gibt für meine Begriffe immer viel zu schnell auf. Sie zerfließt in Selbstmitleid, statt ihrer Tochter mal die Meinung und vor allem die Wahrheit über ihren Ex zu sagen. Ich hätte sie mit etwas weniger weinerlich und dafür anpackender gewünscht. In der Provence kommen sich die beiden dank Tobias, Henri und der Bienen endlich wieder näher und sprechen miteinander, statt sich nur anzuschreien.
Aber auch die beschauliche Provence bietet allerlei Zündstoff. Lamberts Manufaktur ist ganz anders als erwartet und Henri wird von fast allen Bewohnern Loursacqs gemieden. Camilla und Marie wollen unbedingt herausbekommen, warum das so ist und schmieden dann einen Plan, um die Situation zu ändern.

Natürlich knistert es in diesem Sommer auch. Marie erlebt ihre erste Liebe, in Loursacq gibt es ein Pärchen, das schon ewig umeinander herumstreicht, und Camilla lernt, wieder einem Mann zu vertrauen.
Leider waren mir einige Dinge zu vorhersehbar, dafür haben mich andere Wendungen überrascht.

„Das Honigmädchen“ von Claudia Winter ist eine schöne Sommer-Urlaubs-Selbstfindungs-Liebesgeschichte vor der stimmungsvollen Kulisse eines kleinen Bergdörfchens in der Provence. Man kann förmlich den Lavendel riechen, das Summen der Bienen hören und den Honig schmecken.

Veröffentlicht am 04.03.2019

Ein Café in den Wirren des 2. WK

Café Engel
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Luisa wächst als uneheliche Tochter des Gutsherren auf einem Gut in Ostpreußen auf. Ihre Eltern lieben sich, aber die herrische Großmutter hat ihrem Sohn die Ehe mit der kleinbürgerlichen Mutter verboten. ...

Luisa wächst als uneheliche Tochter des Gutsherren auf einem Gut in Ostpreußen auf. Ihre Eltern lieben sich, aber die herrische Großmutter hat ihrem Sohn die Ehe mit der kleinbürgerlichen Mutter verboten. „Die Großmutter hat ihr Herz in einen stählernen Kasten verschlossen, und nur Papa besitzt einen Schlüssel dafür.“ (S. 26). Als ihr Vater stirbt, müssen sie das Gut verlassen und bauen sich in Stettin eine neue Existenz auf. Doch 1945, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, müssen sie auch von dort fliehen – die Russen kommen und rächen sich gnadenlos für das Leid der letzten Jahre. Luisa und ihre Mutter wollen nach Wiesbaden, wo Onkel Heinz hoffentlich noch das „Café Engel“ betreibt. Allerdings weiß Heinz bisher nichts von Luisas Existenz, da er und ihre Mutter sich aus den Augen verloren hatten.
Das „Café Engel“ hat den Krieg wirklich überstanden. Heinz betreibt es zusammen mit seiner Frau Else und Tochter Hilde. Allerdings wird auch er in den letzten Kriegstagen zum Volkssturm eingezogen und an die Front geschickt, wo er bald in Kriegsgefangenschaft gerät. Doch Else und Hilde sind sehr patent und halten das Café am Laufen. Zu ihren Stammgästen gehören viele Künstler, da sich die Oper direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet und auch das Theater nicht weit weg ist. Durch den Krieg blieben immer mehr Gäste weg. Die jüdischen sind vor Jahren ausgewandert, die anderen wurden nach und nach eingezogen.

Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde bei Lesejury vorablesen und einige Mitleser bemängelten, dass die Geschichte aus zu vielen verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Aber genau das hat für mich den Reiz des Buches ausgemacht. Man erlebt abwechselnd aus der Sicht des jeweiligen Protagonisten die Flucht, Gefangenschaft oder Kriegs- bzw. Nachkriegszeit. Allerdings ist m.E. auch der Klappentext etwas ungünstig gewählt. Es geht (wie dort beschrieben) nicht vorrangig um die Differenzen zwischen Hilde und Luisa – die machen nur einen kleinen Teil der Handlung aus.

Marie Lamballe schreibt sehr fesselnd und lässt die damalige Zeit lebendig werden. Vor allem mit Luisa und Julia habe ich sehr mitgelitten. Julia ist eine Jüdin, welche Hildes Familie und die anderen Hausbewohner während der Naziherrschaft verstecken. Während die anderen bei den Bombenangriffen in den Keller oder Luftschutzbunker fliehen, kann Julia ihr Versteck nie verlassen. Wie lange hält sie dieses Leben noch durch? Die dauernde Angst vor Entdeckung? Und was wird, wenn der Krieg wirklich mal vorbei ist? „Julia ... hat Angst vor der Freiheit, sie hat zu lange als Schatten in der Abstellkammer gehaust, um schon wieder ein Wesen aus Fleisch und Blut zu sein.“ (S. 154).
Auch Luisa erleidet auf ihrer Flucht in Richtung Westen unsägliche Dinge, an denen viele andere zerbrochen wären und die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Trotzdem hat sie sich ihre Menschlichkeit bewahrt und immer wieder anderen Flüchtlingen geholfen. Mir hat gefallen, dass die Autorin hier nichts beschönigt oder verschwiegen hat, sondern auch die besonders grausamen Seiten des Krieges zeigt.
Heinz ist ein sehr eigener Charakter. Er sieht sich als Kunst-Mäzen, hält seine alten Freunde weiter aus, als sie selbst kaum noch Nahrungsmittel haben. Er ist extrem gutmütig und würde Haus und Hof verschenken, wenn Else und Hilde ihn nicht bremsen würden.
Vor allem Hilde hat es nicht leicht, sich gegen ihren Vater zu behaupten. Sie träumt seit ihrer Kindheit davon, das Café zu führen. Als dann Luisa zu ihnen kommt und von Heinz sofort ins Herz geschlossen wird, reagiert Hilde stutenbissig. Diesen Wesenszug an ihr konnte ich nicht verstehen. Er machte sie mir zum Teil recht unsympathisch. Dabei sind sich die beiden Frauen eigentlich recht ähnlich. Es sind starke Persönlichkeit, Macherinnen. Auch wenn Hilde eher (vor-)laut und gern etwas frecher vorgeht und Luise stiller. Beide geben nicht so schnell auf sondern kämpfen für ihre Visionen und Ziele.

Was mich ebenfalls etwas gestört hat, war das Ende. Es war mir zu glatt und happy, dafür dass der Weg bis dahin sehr dramatisch war. Auch Hildes plötzlichen Sinneswandel im Bezug auf Luise konnte ich nicht nachvollziehen und fand ihn zu plötzlich und unmotiviert.

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Veröffentlicht am 14.11.2018

Was ist damals wirklich passiert?

Sophies Tagebuch
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West-Berlin, Oktober 1989: Erika zur Linde ist Französischlehrerin, Mitte 40 und geschieden. Außer in ihrer Schule hat sie kaum soziale Kontakte, nur ihren Vater Ulrich besucht sie alle 4 Wochen zum Sonntagsessen. ...

West-Berlin, Oktober 1989: Erika zur Linde ist Französischlehrerin, Mitte 40 und geschieden. Außer in ihrer Schule hat sie kaum soziale Kontakte, nur ihren Vater Ulrich besucht sie alle 4 Wochen zum Sonntagsessen. Der wurde in den 50er Jahren mit einem Kriegsroman berühmt, hatte sich kurz darauf aber aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Jetzt hat er sich an seinem Schreibtisch erschossen, kurz nachdem er einen Brief aus Amerika bekam. Ein gewisser Paul Singer fragt darin nach seinem Onkel Felix Auerbach, einem Juden, mit dem Ulrich und seine Frau Sophie (Erikas Mutter) während des 2. WKs befreundet waren und nach dessen Manuskript. Erika ist wie vor den Kopf gestoßen, über den Krieg oder gar Felix haben ihre Eltern nie geredet. Ihre Mutter starb, als sie 15 war. Auf der Suche nach weiteren Hinweisen findet sie deren Tagebuch und taucht in die Vergangenheit ihrer Familie ab.

Nicolas Remin erzählt auf 2 Zeitebenen Sophies Geschichte und Erikas Suche nach der Wahrheit.
Sophie heiratet 1939 nach nur wenigen Monaten den älteren Ulrich zur Linde, weil er in der Wehrmachts-Uniform gut aussieht und sie unbedingt Journalistin für eine Frauenzeitschrift werden will, was ihre Eltern ihr verboten haben. Ulrich ist sehr in sie verliebt und erlaubt ihr alles, überhäuft sie mit Geschenken. Allerdings wird ihr schnell klar, dass sie ihn nicht liebt. Sie ist extrem naiv und unpolitisch, tritt nur in die NSDAP ein, um bei Journalistin bleiben zu können und weil sie – wie so viele andere Frauen auch – Hitler anhimmelt.
Ulrichs bester Freund Felix Auerbach ist Jude, aber das spielt für sie keine Rolle. Felix sieht zu gut aus – groß, schlank, blond, wie ein echter Arier. Auch er bewundert Hitler, ist t traurig, dass er nicht wieder an der Front kämpfen darf, wie im ersten WK. Als Ulrich in den Krieg zieht, kümmert sich Sophie um Felix, dessen geplante Emigration immer wieder scheitert. Bald müssen sie ihn verstecken, sein Aussehen hilft ihm dabei. Sophie und er verbringen viel Zeit miteinander ...

Ich fand es schade, dass Nicolas Remin einen so nüchternen Schreibstil gewählt hat, dadurch sind mir Erika, Sophie und auch die anderen Protagonisten fremd geblieben. Obwohl sie viel Schlimmes erleben, bleibt man beim Lesen seltsam distanziert.
Sophie scheint eine verwöhnte Göre gewesen zu sein. Die „ehelichen Pflichten“ erträgt sie nur mit Alkohol. Glücklich ist sie nur, wenn Ulrich einen neuen Orden bekommt und in der Hierarchie der Wehrmacht aufsteigt oder Pakete aus Frankreich schickt, wo er stationiert ist. Erika hat sie immer als ziemlich kühle Frau bzw. Mutter empfunden und ist genau so geworden. Doch nach dem Tod ihres Vaters blüht Erika in kürzester Zeit plötzlich auf. Sie macht eine 180 Grad-Wendung, ändert ihren Kleidungsstil, ihre Frisur, trägt auf einmal Makeup. Aus dem unscheinbaren Mauerblümchen wird ein heißer Feger. Diese Wandlung fand ich zu extrem, ihre Gründe dafür bleiben nebulös. Zudem lebt Erika in West-Berlin und interessiert sich kaum dafür, was gerade auf der anderen Seite der Mauer passiert. Als diese dann fällt, stört sie sich am Geruch der Trabbis, dass die vielen Menschen aus dem Osten h in Berlin „einfallen“ und die Straßen verstopfen. Was das politisch bedeutet, scheint ihr egal zu sein.
Am meisten irritiert aber war ich von Felix. Gab es wirklich Juden, die zu 100 Prozent hinter Hitler standen und dachten, dass nach dem Endsieg alles wieder gut wird, dass die KZs nur Lügen sind? Oder hat Felix sich das nur eingeredet, weil er es glauben wollte? Auch das wird leider nicht wirklich aufgelöst.

Abgesehen von den o.g. Kritikpunkten, hat mir das Buch gut gefallen. Ich fand es faszinierend, wie sich die verschiedenen Menschen in der Nazizeit verhalten und wie viele dabei geholfen haben, Felix zu verstecken oder ihm wieder neue Identitäten zu beschaffen. Der Zusammenhalt und die Freundschaft zwischen Felix, Ulrich und Sophie waren sehr beeindruckend.
Auch Erikas fast schon manische Suche nach der Wahrheit, das Verdrängen wollen oder Zurechtbiegen, ihre Ängste vor den eigenen Erinnerungen und ihre Gewissenskonflikte waren authentisch.

Mein Fazit: Ein weiteres wichtiges Buch #gegendasvergessen

Veröffentlicht am 12.11.2018

Es ist nicht Georginas Tag,

Sowas kann auch nur mir passieren
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Es ist nicht Georginas Tag,
als sie zuerst gefeuert wird und dann auch noch ihren Freund mit einer anderen im Bett erwischt. Aber in Selbstmitleid versinken ist keine Option für sie. Stattdessen macht ...

Es ist nicht Georginas Tag,
als sie zuerst gefeuert wird und dann auch noch ihren Freund mit einer anderen im Bett erwischt. Aber in Selbstmitleid versinken ist keine Option für sie. Stattdessen macht sie eine lustige Story für ihre Freunde aus dem ganzen Schlamassel. Das ist überhaupt Georginas Ding – nie zeigen wie nah ihr etwas geht, wenn sie jemand verletzt. Stattdessen ist sie immer witzig, überhört Demütigungen und zeigt niemandem, wie es wirklich in ihr aussieht. Lieber sich selbst und Lächerliche ziehen, bevor Andere es machen.
Doch ihr neuer Job im Pub könnte die entscheidende Wendung sein. Die Chefs sind Brüder, sehr nett und bezahlen extrem gut. Nur leider war sie mit einem von ihnen, Lucas, während der Schulzeit zusammen. Er war ihre erste große Liebe. Mit der Abschlussparty damals endete auch ihre Beziehung – warum erkennt er sie jetzt nicht?

„Sowas kann auch nur mir passieren“ ist bereits das 4. Buch von Mhairi McFarlane. Nach dem Klappentext erwartet man einen unterhaltsamen Frauenroman, doch genau das leichte, unbeschwerte ihrer ersten beiden Bücher fehlte mir hier. Wie schon in „Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt“ verpackt die Autorin ein ziemlich ernstes Thema in eine kurzweilige Hülle.

Georgina ist keine „Heldin mit Vorbildfunktion“ sondern eine ganz normale Frau. Als ihr Vater starb, war sie noch ziemlich jung. Die Ehe ihrer Eltern war grauenvoll. Jetzt ist sie Anfang 30 und hält sich mit miesen Bedienungsjobs über Wasser. Bei der Auswahl ihrer Partner hat sie bisher kein glückliches Händchen bewiesen. Ihr Exfreund erweist sich als absoluter Fiesling, der die Menschen nach Lust und Laune manipuliert. Auch der neue Mann der Mutter ist ein Despot. Ihre Mutter hackt dauernd auf ihr rum und ihre Schwester ist kein Sonnenschein, sondern eher der Typ überhebliche, eingebildete Besserwisserin – die Familie würde ich nicht geschenkt haben wollen, dachte ich oft und hatte Mitleid mit Georgina.

Früher wollte sie übrigens Schriftstellerin werden und entdeckt jetzt den Poetry-Slam für sich. Doch bei jeder witzigen Geschichte, die sie erzählt, bricht ihre Schale etwas mehr auf und sie lässt die Zuhörer in ihr Innerstes schauen, auch wenn sie es urkomisch verpackt. Nach und nach gesteht sie sich ein, dass sie den Humor nutzt, um die Wahrheit, den Kummer zu überspielen.

Doch keine Angst, trotz des schwierigen Themas schreibt Mhairi McFarlane sehr witzig und mit viel Situationskomik. Die Treffen mit ihren Freunden und der Zusammenhalt unter ihnen erinnern an die Bridget-Jones-Filme und ich könnte mir auch „Sowas kann auch nur mir passieren“ sehr gut als Film vorstellen.

Veröffentlicht am 31.10.2018

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Die Dame in Gold
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Wien 1904: Adele Bloch ist 23, in ihrem Salon trifft sich alles, was Rang und Namen hat. Ihr Mann Ferdinand ist 17 Jahre älter als sie, liebt sie abgöttisch und überhäuft sie mit Geschenken. Doch Adele ...

Wien 1904: Adele Bloch ist 23, in ihrem Salon trifft sich alles, was Rang und Namen hat. Ihr Mann Ferdinand ist 17 Jahre älter als sie, liebt sie abgöttisch und überhäuft sie mit Geschenken. Doch Adele ist unglücklich, denn ihr Sohn ist nur wenige Stunden nach der Geburt gestorben. Er ist schon das zweite Kind, das sie verloren hat. Adele ist sich sicher: „Sie schenkt nicht, wie andere Leben, sondern gebiert nur den Tod.“ (S. 15) Um sie aus der monatelangen Depression und Lethargie zu reißen, beauftragt Ferdinand Gustav Klimt, ein Portrait von ihr zu malen. Adele ist fasziniert von Klimt. Aber sein Ruf als Verführer eilt ihm voraus. Er ist berühmt für die Affären mit seinen Modellen – Adele will auf keinen Fall eine von ihnen werden. „... Klimt verkörpert für sie all jene Freiheit, die sie als Frau für sich nicht einfordern kann. Er hat sich von allen geschäftlichen Konventionen befreit, hat zahlreiche Mätressen und steht selbstbewusst zu seinem lockeren Lebenswandel.“ (S. 65) Sie freunden sich während des stundenlangen Modellsitzens an, denn im Gegensatz zu ihrem Mann nimmt er sie als eigenständige Person wahr und gesteht ihr auch eine eigene Meinung zu.

Ich hatte Adeles Biografie erwartet, eine große Liebesgeschichte und die Erklärung, inwieweit sie Klimt künstlerisch beeinflusst hat. Allerdings vermittelt Valérie Trierweiler das Gefühl, dass Adeles Leben mit Klimt endet und beginnt. Dabei war er deutlich älter und ist auch einige Jahre vor ihr gestorben. Aber die Jahre vor ihm werden nicht erwähnt und die danach relativ schnell abgehandelt.

Adele ist eine moderne junge Frau der Oberschicht, die eine Vernunftehe eingegangen ist. Ihr Mann trägt sie auf Händen und verwöhnt sie, aber eine eigene Meinung darf sie nicht haben und aus der Politik hat sie sich rauszuhalten. Dass sie sich für das Frauenwahlrecht interessiert, Zeitungen liest und regelmäßig zu jüdischen Flüchtlingen in die Vorstadt fährt um diese zu unterstützen, versteht er nicht.
Und dann kommt Klimt. Er erklärt ihr seine Bilder und das Zeitgeschehen, versteht aber auch ihren Verlust und den Schmerz. Obwohl sie es bei einer Freundschaft belassen will, drehen sich ihre Gedanken und bald auch ihr Tun überwiegend ums Körperliche. Sie kommt mit ihrem sexuellen Verlangen nach Klimt nicht klar, wirkt oft triebgesteuert. Klingt und sie umkreisen sich, es ist wie ein Tanz – ein Schritt vor, einer zurück. Aber wer führt eigentlich? „Adele, bitte kommen sie zurück, ich brauche Sie. Ich liebe Ihren Körper, vor allem aber ihren Geist.“ (S. 233)
Adeles Portrait wird eher nebenher fertig, gibt sie aber perfekt wieder. Er hat sie als goldene Frau gemalt – dabei steht das Gold sowohl für ihre gesellschaftliche Stellung als auch den goldenen Käfig, in dem sie lebt. Ist es eine Hommage seiner Liebe zu ihr?

„Die Dame in Gold“ ist für mich eher die Geschichte einer leidenschaftlichen Affäre, als einer großen Liebe. Ich habe Adeles Beweggründe nicht immer verstanden, konnte aber ihren Schmerz, die Enttäuschungen und ihre Sehnsucht fühlen, nachvollziehen, warum sie ihren Glauben verlor. Ich fand es schade, dass sie nicht den Mut hatte, aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen, weil ihre Angst zu groß war. Doch ihre Stellung hat ihr auch möglich gemacht, Flüchtlinge und Künstler zu unterstützten. Und man darf nicht vergessen, dass ihr Mann einer der wichtigsten Mäzene von Klimt war und dieser durch seine Unterstützung freier malen konnte. An dieser Stelle hätte es mich gefreut, auch etwas über die geschäftliche Abwicklung zwischen Auftraggeber und Künstler zu erfahren. Wurden die Bilder z.B. bei Auftragserteilung angezahlt? Zudem hätte mich interessiert, wie sehr Adele Klimt wirklich beeinflusst hat. Denn das Buch lehnt sich zwar an das Leben der beiden an, ist aber ein Roman.

Trotz meiner Kritikpunkte hat mich das Buch sehr gut unterhalten. Wien, Adele, ihre Kleider, Schmuckstücke und nicht zuletzt die Bilder werden sehr anschaulich beschrieben und wecken in mir die Sehnsucht, die Gemälde einmal im Original zu sehen.