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Veröffentlicht am 08.04.2019

Schöne französische Unterhaltungsliteratur

Ein Tropfen vom Glück
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Antoine Laurains "Ein Tropfen vom Glück" ist eine schöne Geschichte mit fantastischen Elementen. Eine bunt gemischte Gruppe von vier Personen reist unvermittelt aus dem Jahr 2017 ins Jahr 1954, nachdem ...

Antoine Laurains "Ein Tropfen vom Glück" ist eine schöne Geschichte mit fantastischen Elementen. Eine bunt gemischte Gruppe von vier Personen reist unvermittelt aus dem Jahr 2017 ins Jahr 1954, nachdem sie gemeinsam eine Flasche Wein getrunken haben. Das Paris des Jahres 1954 wird vom Autor liebevoll und gut beschrieben, ohne dass er sich dabei in Details verliert. Die vier Zeitreisenden und ihre persönlichen Geschichten werden nach und nach aufbereitet. Dabei treffen sie auf einige Schauspieler, Schriftsteller und andere Künstler – hier war die Geschichte in meinen Augen etwas zu dick aufgetragen, aber ich sehe großzügig darüber hinweg.

Sehr gute Unterhaltungsliteratur – nicht belanglos oder kitschig, sondern intelligent und kurzweilig.

Veröffentlicht am 24.03.2019

Abgefahrene, am Ende nicht ganz abgeschlossene Geschichte

Scharnow
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Das Romandebüt des umtriebigen Bela B habe ich mit Spannung erwartet und wurde nicht enttäuscht. Die Handlung ist schwer zusammen zu fassen und ich möchte nicht spoilern, deshalb nur so viel: es gibt eine ...

Das Romandebüt des umtriebigen Bela B habe ich mit Spannung erwartet und wurde nicht enttäuscht. Die Handlung ist schwer zusammen zu fassen und ich möchte nicht spoilern, deshalb nur so viel: es gibt eine Vielzahl von Protagonisten (mit einem vorangestellten Personenverzeichnis zum Nachlesen) und eine Reihe ungewöhnlicher Ereignisse im fiktiven brandenburgischen Örtchen Scharnow, von denen hier berichtet wird. Irgendwie ist alles miteinander verbunden. Eigentlich auch voraussehbar, dass am Ende nicht alles aufgelöst wird und nicht alle Geschichten zuende erzählt werden. Das finde ich etwas schade, obwohl es andererseits natürlich zum eigenen Spekulieren und Fabulieren einlädt.
Sprachlich solide und gut lesbar.

Wer abgefahrene, schräge Geschichten mag, wird hier gut unterhalten.

Veröffentlicht am 20.03.2019

Fiktion trifft auf wahre Geschichte

Rheinblick
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Brigitte Glaser verwebt in "Rheinblick" eine fiktive Geschichte mit den realen Ereignissen unmittelbar nach der Bundestagswahl 1972. Auf 415 eng bedruckten Textseiten erlebt der Leser aus vier recht unterschiedlichen ...

Brigitte Glaser verwebt in "Rheinblick" eine fiktive Geschichte mit den realen Ereignissen unmittelbar nach der Bundestagswahl 1972. Auf 415 eng bedruckten Textseiten erlebt der Leser aus vier recht unterschiedlichen Blickwinkeln zwei - nicht nur politisch - ereignisreiche Wochen in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn.
Es ist ehrlich gesagt keine sonderlich spannende Geschichte und auch das Konzept ungewöhnliche, starke Frauen in von Männern bestimmten Zeiten gab es schon so oft. Aber Brigitte Glaser gelingt es wie schon bei "Bühlerhöhe", dennoch das ganze sowohl unterhaltsam als auch lehrreich aufzubereiten. Für mich war das Buch vor allem deshalb so lesenswert, weil es das politische und auch das alltägliche Bonn im Jahr 1972 anschaulich charakterisiert. Vor allem die beiden jungen Frauen Sonja und Lotti, aus deren Sicht man u.a. das Geschehen verfolgt, wuchsen mir ein Stück ans Herz. Mit den beiden anderen Hauptdarstellern Hilde und Max habe ich mich etwas schwerer getan, aber es ist ja auch nicht notwendig jeden Charakter zu mögen.
Im Hintergrund schwebt immer wieder der zum Schweigen verdonnerte Bundeskanzler Willy Brandt, der auch aufgrund seiner Spachlosigkeit etwas blass bleibt. Ich finde, Brigitte Glaser hat hier aber ein gutes Maß gefunden – ganz schnell wäre das Buch sonst nämlich ein Roman über die reale Person Willy Brandt geworden anstatt über vier fiktive, mehr oder weniger durchschnittliche Bonner.

Eine unterhaltsame Charakterstudie der Bundesrepublik im Jahre 1972 – da sehe ich großzügig über die etwas schwache Geschichte hinweg.

Veröffentlicht am 04.03.2019

Umwelt- und Tierschutz in unterschiedlichen Ausprägungen

Schiff oder Schornstein
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Andrea Stift-Laube erzählt in "Schiff oder Schornstein" die Geschichte von Ila und Konstantin, die sich kennen lernen, nachdem Ilas Schwester Franzi spurlos verschwindet. Alle drei Figuren vereint das ...

Andrea Stift-Laube erzählt in "Schiff oder Schornstein" die Geschichte von Ila und Konstantin, die sich kennen lernen, nachdem Ilas Schwester Franzi spurlos verschwindet. Alle drei Figuren vereint das Engagement im Umwelt- und Tierschutz, das sie jeweils in unterschiedlicher Ausprägung leben.
Mir hat gefallen, dass es dabei nie belehrend oder schwermütig wird. Die Autorin findet aber kurze (und auch längere) Themenaspekte, die den Leser aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Der Versand für Katzenfleisch ist da als zentraler Aspekt zu nennen. Die Umstände dieser Kunstaktion werden so kurz und knapp berichtet, dass man meinen könnte, das wäre eine verkürzte Darstellung – ich fand die Beschreibung aber pointiert und genau richtig. Diese Erzählart zieht sich durch das ganze Buch. Ich fand das sehr angenehm und unanstrengend zu lesen.
Sprachlich stolpert man als nicht-österreichischer Leser vielleicht über manche Ausdrücke, aber es ist auch für deutsche Leser sehr gut verständlich geschrieben.
Für mich eine moderne lesenswerte Beschäftigung mit dem Thema Tier- und Umweltschutz.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Radikal ehrlich

Frau im Dunkeln
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Leda, die Ich-Erzählerin in Elena Ferrantes "Die Frau im Dunkeln" ist keine Protagonistin, die dem Leser direkt ans Herz wächst. Viele finden die Wissenschaftlerin und geschiedene Mutter im mittleren Alter ...

Leda, die Ich-Erzählerin in Elena Ferrantes "Die Frau im Dunkeln" ist keine Protagonistin, die dem Leser direkt ans Herz wächst. Viele finden die Wissenschaftlerin und geschiedene Mutter im mittleren Alter unsympathisch, ich fand sie vor allem ehrlich. Schonungslos erzählt sie aus ihrem Leben – vor allem dem problematischen Verhältnis zum eigenen Muttersein. Die Geschichte kreist dabei insgesamt um drei unterschiedliche Mutter-Tochter-Beziehungen. Ich empfand diese Schilderungen als ehrlich und realistisch und keinesfalls romantisch verklärt. Es ist also keine feel-good-Lektüre, sondern eine intensive, ehrliche Beschreibung, die auch Erschöpfung und Überforderung und die sich daraus ergebenden teils radikalen Schritte der Mütter beinhaltet.

Die Ich-Erzählerin Leda weist deutliche biographische Ähnlichkeiten zur Ich-Erzählerin Lena in der Neapolitanischen Saga auf. Ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass das verhältnismäßig schmale Büchlein "Die Frau im Dunklen" im italienischen Original bereits fünf Jahre vor "Meine geniale Freundin" erschienen ist. Ich kann aber nur vermuten, dass es sich bei der Figur Lena um eine literarische Weiterentwicklung der Figur Leda handelt.

Sprachlich ist das Buch so wie auch die Neapolitanische Saga ruhig und klar verfasst – sehr angenehm zu lesen.