Im Sumpf des Verbrechens
Bei James Lee Burkes „Nacht über dem Bayou“ handelt es sich um den neunten Band aus der 21 Bände umfassenden Reihe rund um den Ermittler Dave Robicheaux. Erstmals 1996 erschienen, hat der Bielefelder Pendragon-Verlag ...
Bei James Lee Burkes „Nacht über dem Bayou“ handelt es sich um den neunten Band aus der 21 Bände umfassenden Reihe rund um den Ermittler Dave Robicheaux. Erstmals 1996 erschienen, hat der Bielefelder Pendragon-Verlag diesen 464-seitigen Kriminalroman im Januar 2019 neu übersetzt herausgegeben. Weitere Krimis dieser Reihe sollen in den kommenden Jahren folgen.
Es fällt mir schwer, diesen komplexen Roman in wenigen Worten zusammenzufassen. Aaron Crown wurde seinerzeit wegen des Mordes an dem schwarzen Bürgerrechtler Ely Dixon zu 40 Jahren Haft verurteilt. Immer wieder beteuert er seine Unschuld und bittet schließlich Dave Robicheaux um Hilfe, die ihm jedoch verweigert wird. Als dann auch noch ein Fernsehteam sich des Falles annimmt und Ungereimtheiten zutage treten, entwickelt sich eine Spirale an Gewalt, die auch vor Dave nicht haltmacht.
Ich muss gestehen, dass der Roman mich doch sehr zwiegespalten zurücklässt.
Faszinierend ist auf jeden Fall Burkes bildgewaltige Sprache, die Leserinnen und Leser unmittelbar in die Sumpflandschaft Louisianas entführt. Auch seine Dialoge spiegeln treffend das Milieu wider, in dem das Geschehen verortet ist. Man hat so während des Lesens immer das Gefühl, unmittelbar dabei zu sein und saugt die düstere Atmosphäre in sich auf. Ich habe selten einen Roman gelesen, der atmosphärisch so dich gestaltet war. Was sprachlich fasziniert, frustriert allerdings inhaltlich, denn die Welt, die Burke schildert, ist eine düstere: Gewalt, Verbrechen und Korruption scheinen alles zu dominieren. Gerade in der zweiten Romanhälfte häufen sich Verbrechen der brutalen Art, die zwar selten unmittelbar geschildert werden, die aber nichtsdestotrotz nicht weniger bedrückend sind. Zartbesaitete Leser/innen könnten hier mitunter an ihre Grenzen stoßen. Mich selber hat weniger die Brutalität, als vielmehr die absolute Trost- bzw. Hoffnungslosigkeit ein wenig abgestoßen.
Der hier geschilderte Fall ist sehr komplex, dazu kommen rasche Szenenwechsel, was ein hohes Maß an Konzentration beim Lesen erfordert. Für ein entspannendes Nebenbeilesen eignet sich das Buch deshalb wohl eher weniger, und ich muss gestehen, dass es doch ziemlich lange brauchte, bis ich die verschiedenen Erzählstränge und Charaktere erfasst hatte. Trotzdem (oder gerade deshalb) ist das Ende logisch und nachvollziehbar, jedoch sehr überraschend.
Dave selber kommt wie ein typischer Antiheld daher: Selbst Vietnamveteran und trockener Alkoholiker, macht er immer wieder einen ruppigen Eindruck. Nur hier und da zeigt er sich menschlich, vor allem im Kreise seiner ihm Nahestehenden, und mit den Buchstaben des Gesetzes nimmt er es auch nicht so genau – wobei sein letztes Ziel jedoch immer Gerechtigkeit ist. Insofern passt er sehr gut in das Milieu, in dem er ermittelt. Dennoch dauerte es auch hier ziemlich lange, bis es mir gelang, seine Person wirklich zu verstehen, da Informationen über ihn im Roman erst recht spät gegeben werden. Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, ältere Bände gelesen zu haben, bevor man zu den jüngeren greift.
Die Zahl der Charaktere in diesem Roman ist recht groß, trotzdem lassen sich die Hauptakteure schnell erfassen.
Auch sie sind plastisch gezeichnet und fügen sich somit gut in das Gesamtwerk ein.
Insgesamt war es vor allem die sprachliche Seite dieses Krimis, die mich persönlich sehr angesprochen hat, mit Inhalt und vor allem Weltbild habe ich allerdings sehr gehadert. Burke legt mit seiner Robicheaux-Reihe Bücher vor, die bestimmt berechtigterweise ihre große Anhängerschaft haben, die aber meinem persönlichen Geschmack wenig entsprechen. Dennoch gibt es von mir eine Leseempfehlung.