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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2017

Großartige Kurzgeschichten mit aktuellen Themen

Eine unberührte Welt
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Ganze 27 Geschichten, die sehr unterschiedlich sind, aber im Kern doch immer die Menschen und ihre Hoffnungen, ihren Glauben und ihre Sehnsüchte betreffen, sammeln sich hier zu einem kurzweiligen und unterhaltsamen ...

Ganze 27 Geschichten, die sehr unterschiedlich sind, aber im Kern doch immer die Menschen und ihre Hoffnungen, ihren Glauben und ihre Sehnsüchte betreffen, sammeln sich hier zu einem kurzweiligen und unterhaltsamen Lesevergnügen!

Besonders schön fand ich, dass vor den Geschichten immer ein kurzer Einführungtext des Autors steht, wie es dazu kam oder aus welchem Anlass die Idee entstanden ist.
Andreas Eschbach benutzt verschiedene Perspektiven und versteht es perfekt, auf nur wenigen Seiten das Thema auf den Punkt zu bringen und ich war von keiner der Geschichten enttäuscht. Auch die Themen sind breit gefächert und ich bewundere immer wieder das breit gefächerte Wissen, mit dem der Autor in seinen Büchern auftrumpft.

Auf jede einzelne einzugehen würde jetzt den Rahmen sprengen, aber ich hab mal einige rausgepickt, die mir am besten gefallen haben:

Das Thema Umwelt und Konsum hat er z. B. in der ersten Text "Quantenmüll" verpackt, in dem zwei Wissenschaftler eine unglaubliche Entdeckung in einem Teilchenbeschleuniger machen. Diese könnte die Zukunft der Menschen für immer verändern - aber alles, was wir tun, hat eben auch seine Konsequenzen.

"Die grässliche Geschichte" beschäftigt sich mit der (nicht nur) deutschen Bürokratie im Falle einer "Subvention des Kulturgutes Buch", das derartig überspitzt und doch so realitätsnah erscheint, dass ich nicht wusste, ob ich darüber lachen oder entsetzt sein sollte. Sehr gelungen und mit vielen Aspekten, die auch in der Bloggerwelt diskutiert werden.

Ebenfalls sehr genial fand ich "Al Qaida", in der ein amerikanischer Anwalt den Terroristen Usama Bin Laden überredet, das Markenrecht an seinem Namen zu beantragen. Das Rechtssystem und die geradezu lächerlichen Rechtsstreitigkeiten in den USA werden hier mit viel Augenzwinkern aufs Korn genommen, gleichzeitig aber auch ein bedeutender Blickwinkel vor Augen geführt.

Gerade läuft ja noch die Fussball EM und da war die Geschichte "Fussballfans von Ross 780" natürlich sehr passend. Auch wenn ich im ersten Moment nicht wusste, wie Herr Eschbach Außerirdische und diesen Sport zusammenbringen kann, zeigt er mal wieder, dass man aus jeder Idee etwas besonderes zaubern kann und dabei auch noch eine schöne Botschaft vermittelt!

"Zeit ist Geld" ist eigentlich nur ein kurzer Werbetext, der es aber in sich hat - einerseits zum Schmunzeln, andererseits macht er traurig und erinnert mich ein bisschen an "Momo" von Michael Ende. Wer hätte nicht gerne eine 40 Stunden Tag, um alles unterzubringen, was man tun muss? Dabei vergessen wir aber meist, dass wir selbst für den Wert unserer Zeit zuständig sind.

Die letzte Geschichte, die dem Buch den Titel gab: "Eine unberührte Welt" war ein krönender Abschluss! Eine Detektivgeschichte im All, die zu einem überraschenden Ende führt und wieder mal bewusst macht, wie die Menschen mit ihrer Umwelt umgehen und welche Folgen daraus resultieren können ...


Dazu kommen Erzählungen über die Liebe und was man dafür alles zu tun bereit ist, eine apokryphe Erzählung um die Haarteppiche (das Buch "Haarteppichknüpfer" fand ich großartig!), der unberührten Natur, die immer weiter verdrängt wird, genauso wie der Instikt der Menschen; Drachen, Zeitreisen, Vampire, Voodoo und vieles mehr. Ein rundum gelungenes Buch mit Science Fiction und Fantasy Elementen, in dem Politik, Satire, Humor, Hoffnung und Glaube eine Rolle spielen. Andreas Eschbach hat hier wieder einmal bewiesen, dass er tiefgreifende Themen perfekt verpacken kann und sogar in wenigen Seiten ein eindrucksvolles Statement schafft.

Veröffentlicht am 15.10.2017

Für Fans von Sherlock Holmes!

Die Augen der Heather Grace
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Nachdem ich letztens bei "Der Fall Moriarty" schon ein Sherlock Holmes Buch ohne Sherlock Holmes gelesen habe, folgt hier direkt das nächste - übrigens mit einem wunderschönen Cover wie ich finde!

In ...

Nachdem ich letztens bei "Der Fall Moriarty" schon ein Sherlock Holmes Buch ohne Sherlock Holmes gelesen habe, folgt hier direkt das nächste - übrigens mit einem wunderschönen Cover wie ich finde!

In den "dunklen Anfängen von Sherlock Holmes" geht es um niemand geringeren als Sir Arthur Conan Doyle selbst. Aus der Ich-Perspektive erzählt er, wie es zu seinem Zusammentreffen mit Dr. Joseph Bell kam - seine Inspiration zu den berühmten Detektivgeschichten.

Es fängt nicht direkt mit dem Fall der Heather Grace an, hier hat mich der Klappentext etwas irritiert. Aber das hat überhaupt nicht gestört, denn der Autor versteht es sehr gut, einen langsam an die Umstände heranzubringen, die die beiden ungleichen Charaktere zusammen gebracht haben.
Arthur Doyle lernt Dr. Bell zur Zeit seines Medizinstudiums kennen und hält anfangs gar nicht viel von dessen seltsamen Methoden der Aufklärung und Deduktion. Doch die beiden wachsen mehr und mehr zusammen, so dass beinahe so etwas wie Freundschaft entsteht. Dieses Verhältnis und ihre Entwicklungen zu beobachten fand ich sehr faszinierend. Vor allem auch wie Dr. Bell beschrieben wurde, wenn man den Vergleich der Figur des Sherlock Holmes vor Augen hat.

Die Augen der Heather Grace, dieser Fall kommt erst etwas später zum tragen, nachdem man schon ein bisschen in das "detektivische" Verhalten der beiden reinschnuppern konnte. Zuerst war ich nicht so überzeugt, dass etwas spannendes daraus werden kann, denn es hörte sich nicht wirklich nach einer "aufregenden Geschichte" an.
Da der Schreibstil aber sehr fesselnd ist, und im übrigen auch wunderbar an die Zeit angepasst, es viele Hinweise und Puzzlestückchen gibt und man immer versucht, selbst zu erraten, was wohl dahinter stecken mag, hat die Spannung nie wirklich nachgelassen.

Besonders fand ich hier vor allem, dass mehrere Aufgaben gelöst und ermittelt werden mussten und David Pirie am Ende nochmal mit einer großen Überraschung aufgewartet hat.

Fazit

Ich bin vom ersten Band der Trilogie sehr begeistert und freue mich jetzt schon auf den 2. Teil! Arthur Doyle als Watson und Dr. Bell als Sherlock haben mich hier völlig überzeugt und der fesselnde Erzählstil haben das ganze wunderbar abgerundet.

Veröffentlicht am 13.12.2019

Bedrückende und berührende Geschichte

Melmoth
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Die vielen negativen Meinungen zu dem Buch haben mich erstmal zögern lassen - und auch wenn mir selber "Nach mir die Flut" von Sarah Perry gar nicht gefallen hatte, war ich sehr begeistert von "Die Schlage ...

Die vielen negativen Meinungen zu dem Buch haben mich erstmal zögern lassen - und auch wenn mir selber "Nach mir die Flut" von Sarah Perry gar nicht gefallen hatte, war ich sehr begeistert von "Die Schlage von Essex"; deshalb wollte ich ihrer neuen Geschichte eine Chance geben.

Die meisten haben moniert, dass sie nach dem Klappentext einen Schauerroman erwartet hätten und die mysteriöse Frau in Schwarz, Melmoth, viel zu sehr an den Rand gedrängt war. Das hab ich nicht so empfunden. Ich war zwar auch eher auf eine gruselige Geschichte eingestellt und die bekommt man eigentlich auch, aber völlig anders als erwartet.

Melmoth durchzieht das ganze Buch mit ihrer Präsenz. Sie taucht immer wieder auf in Manuskripten und Berichten, die Helen Franklin in die Hände fallen. Sie lebt seit vielen Jahren in Prag - ein bescheidenes, kasteiendes Leben, mit dem sie für eine Schuld büßt, die sie nicht mehr loslassen kann.

Das ist auch eins der Grundthemen: Schuld, aber auch die Scham, die mit dem Schuldgefühl einhergeht, genauso wie die Verzweiflung, die aus der Einsamkeit erwächst. Einer Einsamkeit, die von schlechtem Gewissen herrührt, von Dingen, die man niemandem sagen traut, von Entscheidungen, die eigennützig, bösartig oder einfach nur unbedacht waren.
Jeder von uns trägt wohl etwas davon mit sich herum und wir müssen alleine damit fertig werden, was wir tun oder getan haben - aber hier ist Melmoth, die Zeugin. Melmoth, die alles sieht und in ihrer eigenen einsamen Verzweiflung jedem die Hand gibt, um nicht mehr allein zu sein.

Obwohl nicht übermäßig viel passiert fand ich es sehr fesselnd.

Zum einen wegen dem wirklich grandiosen Schreibstil, der mir sehr gut gefällt und der eine ganz besondere, intensive Atmosphäre schafft. Nicht zu detailliert, aber sehr anschaulich und sinnbildlich beschrieben. Auch das Mittel, den Leser zwischendurch direkt anzusprechen, ihn zum hinsehen aufzufordern, fand ich klasse - ich mag es, wenn ich so in die Geschichte mit reingezogen werde und ich hatte das Gefühl, tatsächlich zu sehen, was Sarah Perry mir zeigen wollte.

Zum anderen waren es die Lebensgeschichten der verschiedenen Menschen, die jetzt nicht unbedingt aufregend waren, aber auf konzentrierte Weise eindringlich, teilweise berührend, teilweise verstörend. Menschliche Abgründe auf vielfältige Art, wie es überall auf der Welt geschehen ist und immer noch geschieht, mit dem Tenor, nicht wegzuschauen, sondern wahrzunehmen, um zu helfen.

Interessant fand ich auch die gleichzeitige Angst und Sehnsucht, Melmoth tatsächlich zu begegnen bzw. ihr ins Gesicht zu sehen - zeigt es doch die Furcht, seinen Taten bzw. seinem Gewissen in die Augen zu schauen, andererseits aber auch den Wunsch, Frieden zu schließen und die Schuld anzuerkennen, die man vielleicht auf sich geladen hat.

Es ist schwierig zu sagen, was ich mir aus diesem ungewöhnlichen Buch "mitnehme" und ich bin nicht sicher, alles so verstanden zu haben, wie es die Autorin erkenntlich machen wollte, und vielleicht ist mir deshalb auch das Ende etwas zu bitter ... trotzdem war ich positiv überrascht von dem feinen Gespür, das Sarah Perry an den Tag legt, um ihren Figuren Authentizität einzuhauchen und der Schreibstil an sich ist wirklich ganz was besonderes.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.03.2019

Einen Tick schwächer als Band 1

Die Stadt der toten Klingen
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"Was ist ein Schwert anderes als ein Weg zum Tode?
Was ist das Leben anderes als der Weg zum Tode?"

Zitat aus
Die Stadt der Toten Klingen von Robert Jackson Bennett

Im zweiten Band der "Göttlichen Städte" ...

"Was ist ein Schwert anderes als ein Weg zum Tode?
Was ist das Leben anderes als der Weg zum Tode?"

Zitat aus
Die Stadt der Toten Klingen von Robert Jackson Bennett

Im zweiten Band der "Göttlichen Städte" steht die Soldatin Turyin Mulagesh im Mittelpunkt. 5 Jahre sind nach der Schlacht in Bulikov vergangen, aber sie kann sich nicht in ihren verdienten Ruhestand zurückziehen, denn der Hafenbau in Voortyashtan hat etwas zutage gefördert, das längst vergessen war und eine Mitarbeiterin des Ministeriums verschwinden lassen, deren Spuren sie nun folgen muss.

Der Autor hat einen sehr intensiven und fesselnden Schreibstil, mit dem er mich wieder total gebannt hat. Während die Stadt Voortyshatan wieder aufgebaut und die Bevölkerung in zivilisiertere Gesellschaftsformen gewandelt werden soll, regen sich uralte Mythen, die in göttlichen Mirakeln zutage treten, ein seltsames Erz wird im Geheimen gefördert und Turyin trifft auf alte Bekannte, die sie nicht alle gerne wieder sieht.


Die Handlung ist dieses Mal durchgehend geprägt von Krieg, Tod und Gewalt, wird aber auch immer wieder von den Feinheiten der Liebe und der Vergebung durchdrungen. Mir war es stellenweise etwas zuviel mit den ganzen Militärstrategien und Gedanken, aber insgesamt gab es viele kleine Nebenhandlungen und Figuren, die die Spannung hoch gehalten und Abwechslung geboten haben. Turyin hab ich ja schon im ersten Band ins Herz geschlossen und hier hat sich jetzt offenbart, was hinter ihrer tragischen Figur steckt.

Vor allem die Welt, die der Autor hier entstehen lässt - ein von toten Göttern verlassenes Volk, ein zaghaftes aufeinander Zugehen zweier sich stets bekämpfender Generationen, eine verblassende Magie und die Anfänge der Technik ergibt eine grandiose und neuartige Mischung in dem Genre. Vor allem auch die Überraschungen am Ende, die nicht immer ein Happy End für alle bereit halten, finde ich gelungen. Insgesamt nicht perfekt, aber eine gelungene Fortsetzung.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Ein sehr sensibles Thema, berührend umgesetzt

Mein Winter mit Grace
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Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch Tanja auf ihrem Blog Der Duft von Büchern und Kaffee. Weder das Cover noch der Klappentext hätten mich angesprochen, aber ich probiere immer gerne auch mal ...

Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch Tanja auf ihrem Blog Der Duft von Büchern und Kaffee. Weder das Cover noch der Klappentext hätten mich angesprochen, aber ich probiere immer gerne auch mal etwas anderes aus. Nach dem kurzen Vorwort war ich allerdings fast schon am überlegen, ob ich es wirklich lesen möchte. Das Thema ist hier Kindesmissbrauch - und obwohl ich nicht dafür bin, davor die Augen zu verschließen, gehe ich diesen Themen in Büchern aus dem Weg, da sie mir einfach zu nahe gehen.

Trotzdem wollte ich der Geschichte eine Chance geben und der Autor hat es tatsächlich geschafft, eine Atmosphäre zu schaffen, die eine gewisse Art von Leichtigkeit und Unschuld behält und trotzdem berührende Momente zu schaffen, die sehr tief gehen; eine schwierige Gratwanderung, die gerade gegen Ende des Buches immer dramatischere Züge annimmt.

Es beginnt mit einem Märchen, einem, wie ich finde, zutiefst traurigen Märchen über das Mädchen mit den Schwefelhölzern, das der Großvater Eric seinen Enkeln zu Weihnachten vorliest.
Dabei erinnert er sich an einen Winter im Jahr 1962, als er selbst gerade 14 Jahre alt war und mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder nach Salt Lake City umgezogen ist. Sein Vater war zu dieser Zeit sehr krank und das Geld knapp - es war nicht einfach für ihn, aber er hat versucht, das beste draus zu machen.

Wie Eric auf Grace trifft und wie die beiden füreinander da sind wird kurzweilig aber sehr einfühlsam beschrieben. Eric hat lange keine Ahnung, warum Grace von zu Hause ausgerissen ist - er ist ein guter Junge, naiv und zum ersten Mal verliebt. Er tut alles für sie, auch wenn er mit der Situation total überfordert ist und sich zu Entscheidungen hinreißen lässt, vor denen er eigentlich Angst hat.
Die Beschreibung der damaligen Zeit ist dem Autor gut gelungen, ich konnte mich in die Situation der beiden sehr gut hineinversetzen, auch wenn alles aus Erics Perspektive erzählt wurde. Anfangs liest es sich noch "einfach", aber man erkennt recht schnell, welches Leid hinter all dem steckt und weiß trotz der fiktiven Idee, dass es vielen anderen Kindern und Jugendlichen gerade in diesem Moment genauso ergeht. Kleine Anspielungen und vor allem die kurzen Auszüge aus Grace´s Tagebuch, die an den Kapitelanfängen stehen, berühren sehr und zeigen wie hilflos und verzweifelt sie tatsächlich ist.

Es gab ein, zwei Ereignisse, die der Autor angeschnitten hat, die ich etwas unpassend fand, wo es um Krieg und Atombomben geht, warum er die Handlung gerade in der Zeit der Kuba Krise gelegt hat konnte ich nicht so recht nachvollziehen und hat mich etwas irritiert. Aber das war nur ein kurzer Moment, dem ich nicht wirklich Beachtung geschenkt habe. Auf was er genau damit anspielen wollte hab ich vielleicht auch einfach nicht verstanden.

Verstanden hab ich aber sehr deutlich, wie sehr ihm am Herzen liegt, dass diese Probleme und das Leid dieser Kinder gesehen und verstanden wird und wie wichtig es sein kann, dass jemand, auch ein einzelner Mensch, so viel gutes tun und helfen kann.
Eine tiefgehende und ergreifende Geschichte, die mir sehr zu Herzen gegangen ist.